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# taz.de -- Finanzkrise trifft Buchmarkt: Rendite versus Sortimente
> Die Finanzkrise ist im Verlagswesen angekommen. Kookbooks sucht nach
> einem Mäzen. Urs Engeler Editor stellt die Produktion ein. Alle berichten
> von Umsatzeinbußen.
Bild: Buchverlage - eine aussterbende Spezies?
BERLIN taz | Vor drei, vier Jahren machten die sogenannten Jungen Verlage
von sich reden und die Programme der Independents erlebten plötzlich eine
verstärkte Aufmerksamkeit.
Die unabhängigen, oft gerade erst gegründeten Verlage nämlich leisteten
sich unerhörte Dinge, Autorentreue etwa, sorgfältige Übersetzungen,
Wiederentdeckungen, ja sogar Lyrik.
Mittlerweile hat die Aufmerksamkeit wieder abgenommen. Das hatte
Konsequenzen: Der Verlag Tisch 7 macht keine neuen Bücher mehr, der Tropen
Verlag wurde in den Verlag Klett-Cotta integriert (und die Verlagsbetreiber
immerhin zu Konzernverlegern).
Jetzt musste der preisgekrönte Verlag Urs Engeler Editor bekannt geben,
dass in diesem Herbst das letzte Programm erscheinen wird. Der Verlag,
dessen Lyrikeditionen vorbildlich sind und der zudem auch großen Autoren
der Moderne, die zuvor in größeren Verlagen verlegt wurden, eine neue
Heimat gab, konnte sich nie allein über den Buchverkauf finanzieren. Er
hatte zudem einen Mäzen. Da dieser nun wegfällt, ist Schluss. Urs Engelers
sagt: "Ich hab den Verlag dreizehn Jahre ohne jede Konzession machen
können. Darauf bin ich stolz."
So eine Haltung muss man sich leisten können, größere Verlage tun das kaum
noch. Ein Martin Walser etwa wird von seinem jetzigen Verlag, Rowohlt, wohl
kaum eine Werkausgabe spendiert bekommen, das gute Geld, das schlechte
Bücher von Comedians einbringen, wird im Verlag anderweitig verwendet.
Günter Grass hat das Glück, mit Steidl einen kleinen Verlag zu haben, der
sich Werkpflege leistet. Suhrkamp, Hanser und Fischer leisten sich zwar für
einige Autoren noch die Werkpflege, jedoch tun sie dies nicht mehr in dem
Umfang, der noch vor wenigen Jahren üblich war.
Auch als Autor von Rang muss man sich heute daran gewöhnen, dass ein
Großteil der eigenen Bücher vergriffen ist: der frischgekürte
Büchner-Preisträger Walter Kappacher etwa weiß nur drei seiner sechzehn
Bücher lieferbar.
Kleinere Verlage halten gegen diesen Trend, doch das ist nicht leicht. Zwar
konstatiert Andreas Rötzer vom Verlag Matthes & Seitz zu Recht, "dass die
literarischen Belletristik-Titel im Durchschnitt die gleiche
Verkaufsauflage haben, egal ob sie bei Bertelsmann erscheinen oder bei
uns". Doch: "Wir denken das Programm von den Büchern her und versuchen,
unbeeindruckt vom Markt das Programm zu gestalten. Das ist vielleicht ein
vermessenes Vorgehen, aber es ist das Vertrauen in die Bücher, das uns
leitet."
Dieses Vorgehen allerdings bringt nichts mehr ein. Auf die Frage, ob er von
der Krise betroffen sei, antwortet Rötzer zögerlich: "Noch nicht." Der
April aber sei schlecht gelaufen.
Ähnliches berichtet Volker Dittrich vom Dittrich Verlag: "Ob es die
Wirtschaftskrise ist, die die Umsätze in den letzten zwei Monaten drastisch
gesenkt hat, oder das schöne Wetter, kann ich nicht beurteilen. An unseren
Büchern liegt es aber bestimmt nicht, denn befreundete unabhängige Verlage
machen im Moment ähnliche Erfahrungen.
Es liegt auch an der Politik der Branchenberater, die den Buchhändlern
empfehlen, mit höchstens 25 Verlagen in ihrem Sortiment auszukommen. Die
Qualität eines Buches hat also für den Einkauf fast keine Bedeutung mehr,
sondern ausschließlich die Umschlagsgeschwindigkeit des Produktes.
Wenn unsere Bücher erst drei Monate nach Erscheinen besprochen werden, was
normal ist, sortieren die Barsortimente und auch die Buchhändler die Bücher
schon vorher aus, weil ihre Computerprogramme diese Titel als
,unverkäuflich' ausspucken. Das kann dann dazu führen, dass man 30 Bücher
am Freitag zurückbekommt und am Montag eine neue Bestellung des gleichen
Buches erhält. Eine besonders für kleine Verlage ruinöse Einkaufspolitik."
Doch nicht nur die Einkaufspolitik der Buchhandelsriesen zwingt kleine
Verlage in die Knie, sodass sie, wie es unlängst Daniela Seel von kookbooks
tat, öffentlich nach Mäzenen suchen müssen. Auch die Feuilletons widmen
sich immer seltener den feinen Büchern, egal, ob sie im großen oder im
kleineren Verlag erscheinen.
Lieber wird über Wochen die Bestsellerliste diskutiert. Daher aber ist es
für kleine Verlage immer schwieriger, ihre oft gelobten Programme zu
verkaufen - die potenziellen Kunden erfahren weder in den Buchhandlungen
noch in den Medien von diesen Büchern.
Insofern muss man leider feststellen, dass der Verlag von Urs Engeler nicht
der letzte ist, der bald die Produktion einstellen wird. Und mit diesen
Verlagen, die mehr an Literatur als an Rendite denken, verschwinden auch
die Räume für die Literatur selbst.
29 May 2009
## AUTOREN
Jörg Sundermeier
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