# taz.de -- Kenia liest gegen Korruption: "Wir sind jetzt mit Essen dran" | |
> Mit einer breit angelegten Aktion wird in Kenia ein Werk gegen die | |
> Korruption unter die Leute gebracht - mithilfe der Kirchen und der | |
> Medien. | |
Bild: Steht unter massivem Korruptionsverdacht: Kenias Präsident Mwai Kibaki. | |
Ein explosives Buch über Korruption in Kenia, das im Land selbst nur unter | |
großen Schwierigkeiten erhältlich ist, wird seit Sonntag in einer | |
international koordinierten Aktion vor Ort verteilt und verkauft. Das Werk | |
mit dem Titel "It's Our Turn To Eat" ("Wir sind jetzt mit Essen dran"), | |
geschrieben von der langjährigen britischen Afrikakorrespondentin Michela | |
Wrong, übt massive Kritik an der Regierung von Kenias Präsident Mwai | |
Kibaki. Es wurde im vergangenen Jahr veröffentlicht. Aber erst jetzt werden | |
5.200 Exemplare in einer konzertierten Aktion von Kirchen, Medien, | |
Schriftstellern und Entwicklungsorganisationen der kenianischen | |
Öffentlichkeit zugänglich gemacht. | |
"Die Aktion soll den Durchschnittskenianern die Chance geben, das Buch zu | |
lesen", sagt Autorin Michela Wrong. Kenias Kirchen, die sich energisch für | |
Menschenrechte einsetzen, haben angeboten, durch ihre Netzwerke das Buch in | |
allen Ecken Kenias zu verteilen. In Radiosendern wird daraus vorgelesen und | |
jede Stunde ein Freiexemplar verschenkt. Zeitungsverkäufer tragen Exemplare | |
herum, der Schriftstellerverband PEN organisiert Lesungen. Die | |
US-Entwicklungshilfebehörde Usaid hat die Initiative dazu ergriffen, ein | |
anonymer britischer Unternehmer hat 10.000 britische Pfund (11.200 Euro) | |
gespendet. Bei seiner Wahl Ende 2002 galt Kibaki, der eine jahrzehntelange | |
Diktatur seines Vorgängers Daniel arap Moi beendete, noch als | |
Hoffnungsträger. So bestellte er den Leiter der kenianischen Abteilung von | |
Transparency International, John Githongo, zu seinem | |
Korruptionsbeauftragten. Aber als Githongo eine massive Korruptionsaffäre | |
der neuen Regierung aufdeckte, den sogenannten Anglo-Leasing-Skandal, fiel | |
er in Ungnade. Schließlich floh er nach Großbritannien und fand | |
Unterschlupf bei der mittlerweile in London lebenden Michela Wrong. Das war | |
für sie der Anlass zu diesem Buch. Es geht darin nicht nur um einzelne | |
Affären, sondern auch um den Zusammenhang zwischen ethnischer Loyalität und | |
Korruption im Allgemeinen und um die Schwierigkeiten, all das in Kenia ans | |
Tageslicht zu bringen. | |
Kenias Buchhändler hatten große Angst, das Buch von Michela Wrong | |
anzubieten. Ein kenianischer Journalist, der ungenannt bleiben will, sagt: | |
"Der Geheimdienst braucht nur ein paar Telefonate zu machen, und schon | |
nehmen die Buchhändler das Buch aus den Regalen." Die Buchhändler selbst | |
verweigern jeden Kommentar. "Das ist Zensur durch die Hintertür; es zeigt, | |
was für ein ängstliches und paranoides Land Kenia wieder geworden ist", | |
sagt Wrong. "Ich habe noch keinen einzigen Brief und keine Klagedrohung | |
kenianischer Politiker erhalten. Über Anglo-Leasing vor Gericht reden zu | |
müssen, ist schließlich das Letzte, was die Politiker wollen." | |
Bisher zirkulierte das Buch nur unter der Hand. Die jetzt angelaufene | |
Verteilungsaktion wurde geheim vorbereitet, aus Angst, dass die Behörden | |
die Fracht konfiszieren. "Aber alles hat geklappt", freut sich Wrong. "Das | |
zeigt, dass man im 21. Jahrhundert die Bevölkerung nicht mehr daran hindern | |
kann, sich zu informieren. Jetzt wird jeder Kenianer, der mein Buch lesen | |
will, dazu die Chance haben." | |
8 Jun 2009 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
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