# taz.de -- Bürgerrechtler tracken Kleingedrucktes: Auch mal Google überwachen | |
> Facebook, Google und Co wechseln gerne mal die AGB – und sagen nicht | |
> immer Bescheid. Bürgerrechtler haben einen Tracker gebaut, der stets | |
> warnt. Auch deutsche User sollten ihn nutzen. | |
Bild: Geänderte Google-AGBs: Wer schaut da alleine noch durch? | |
BERLIN taz | Im Februar gab's Stunk in der Nutzerschaft des populären | |
Social Networking-Anbieters Facebook: Dessen Nutzungsbedingungen waren so | |
verändert worden, dass es der Website künftig scheinbar erlaubt war, selbst | |
dann noch über vom Nutzer eingestellte Inhalte zu verfügen, wenn dieser | |
sich längst abgemeldet hatte. | |
Als die Sache bekannt wurde, ging ein Sturm der Entrüstung durch viele | |
Blogs: Einige User fühlten sich von Facebook gar "enteignet". Letztlich | |
musste Firmengründer Mark Zuckerberg die Kundschaft beruhigen und erklärte, | |
die Sache sei ein juristischer Fehler gewesen. Für die Zukunft kündigte er | |
darüber hinaus mehr Demokratie bei der Ausgestaltung der Firmenpolitik an, | |
beispielsweise durch Online-Wahlen zu bestimmten Entwicklungen innerhalb | |
der Website. | |
Die Sache wäre wohl kaum in die Schlagzeilen geraten, wären mehreren | |
Nutzern die Veränderungen in Facebooks Verträgen nicht ins Auge gestochen. | |
Letzteres ist allerdings tatsächlich nicht ganz leicht: Überarbeitungen der | |
so genannten "Terms of Services", kurz TOS (zu Deutsch: "Allgemeine | |
Geschäftsbedingungen, AGB"), müssen Nutzern nach US-Recht nämlich nicht | |
einmal speziell mitgeteilt werden. | |
Es genügt, die neuen Vertragsinhalte auf der Website zu platzieren; ist ein | |
Unternehmen "nett", werden Unterschiede farblich markiert, ist es das | |
nicht, kann und muss man sich in der Bleiwüste selbst herauspicken, was | |
sich getan hat. | |
Die amerikanische Netzbürgerrechtsorganisation Electronic Frontier | |
Foundation (EFF) hat deshalb nun einen so genannten [1]["TOS-Tracker"] | |
aufgesetzt. Die dazugehörige Website überwacht automatisiert die | |
Nutzungsbedingungen von aktuell 44 bekannten Internet-Angeboten von Firmen | |
und Regierungsorganisationen von A wie Amazon bis Y wie YouTube. | |
Das soll möglichst übersichtlich geschehen: Ist eine Neuerung verzeichnet, | |
wird sie in Gelb dargestellt, Streichungen sind in Blau hervorgehoben | |
(siehe Bild). Durch das Kleingedruckte muss man sich dennoch kämpfen, doch | |
gibt es immerhin nun einen zentralen Ort im Netz, an dem künftig alle | |
TOS-Änderungen wichtiger Seiten gebündelt sind. | |
## Deutsche besser geschützt – aber viele lesen AGB nicht | |
In Deutschland ist es weniger leicht, mal eben seine gesamten | |
Nutzungsbedingungen umzukrempeln. Wird dies getan, müssen den Usern die | |
neuen AGB immerhin vorgelegt werden - beispielsweise, wenn sie die Website | |
erneut betreten oder aber schriftlich per E-Mail. | |
Zudem wird ein wirksamer Änderungsvorbehalt in den AGB vorausgesetzt, der | |
den Nutzer vorwarnt, dass es zu Änderungen kommen kann; außerdem muss der | |
User eine ausreichend bemessene Reaktionsfrist erhalten und darauf | |
hingewiesen werden, dass die neuen AGB für ihn in Kraft treten, sollte er | |
sich nicht rühren. | |
Martin Madej vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hält regelmäßige | |
AGB-Änderungen für ein Grundproblem im Internet. Viele Firmen behielten | |
sich eine vollständige Umkrempelung ihrer Bedingungen jederzeit vor. | |
"Das Problem ist, dass es dabei eine 'Friss oder Stirb'-Haltung gibt: | |
Stimmt der Nutzer neuen AGB nicht zu, ist er raus aus einem Dienst." | |
Dementsprechend helfe die Kundeninformation auch wenig. Viele Verbraucher | |
machten sich außerdem nicht die Mühe, das, was in den Verträgen stehe, auch | |
zu lesen. | |
"Aus diesem Grund verlangt der Gesetzgeber auch, dass wichtige | |
Bestandteile, etwa die Widerrufsklausel, besonders hervorgehoben werden." | |
Probleme mit US-Firmen sieht auch der vzbv: So läuft derzeit ein | |
Rechtstreit des Verbandes mit Google um dessen AGB. Die habe sich seit | |
einer entsprechenden Abmahnung bereits mehrfach geändert, so Madej. | |
Trotzdem würde es sich sicher lohnen, auch für deutsche AGB einen Tracker | |
aufzusetzen: Es kommt eher selten vor, dass es wirklich scharfe Proteste | |
gegen Veränderungen der Nutzungsbedingungen gibt, vieles rutscht einfach | |
durch. Ende 2007 versuchte das soziale Netzwerk StudiVZ, den Einbau | |
zielgerichteter Reklame in das Angebot zu erleichtern. | |
Einige Nutzer betrachteten die damit einhergehende AGB-Änderung allerdings | |
als Angriff auf ihre Privatsphäre, in den Medien machte der Begriff von | |
"Schnüffel-Werbung" die Runde. Nach allerlei Hin und Her entschloss sich | |
StudiVZ schließlich, strittige Passagen der AGB durch sanftere zu ersetzen. | |
Unter Juristen gibt es unterdessen Streitigkeiten, inwiefern eine | |
amerikanische TOS tatsächlich auch deutsche Nutzer betrifft. So gibt es | |
etwa Software-Lizenzbedingungen, so genannte EULAs, die man nach US-Recht | |
bereits annimmt, indem man nur die Hülle einer Programm-CD aufreißt - was | |
nach hiesiger Gesetzeslage schlicht nicht geht. | |
Allerdings setzen große Websites wie Google oder Facebook längst an | |
europäisches Recht angepasste Nutzungsbedingungen ein, die sich im Tenor | |
dann an den US-TOS orientieren, aber wasserdichter sind als ein reiner Text | |
nach amerikanischem Recht. | |
8 Jun 2009 | |
## LINKS | |
[1] http://www.tosback.org/ | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
## TAGS | |
Versicherung | |
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