# taz.de -- Studie über Berufsschüler in Sachsen: Rechtsextremismus weit verb… | |
> Jeder zweite Berufsschüler in Sachsen hat einer Studie zufolge eine | |
> fremdenfeindliche Grundhaltung. Ein Berufsschullehrer aus Leipzig hält | |
> die Zahlen sogar noch für "untertrieben". | |
Bild: Unter Sachsens Berufsschülern tummeln sich offenbar viele Rechtsradikale. | |
DRESDEN taz | Jeder fünfte Berufsschüler in Sachsen offenbart rechtsextreme | |
Einstellungen. Weitere 14 Prozent tendieren in diese Richtung. Zu diesem | |
Ergebnis kommt eine Studie, die am Dresdner Hannah-Arendt-Institut für | |
Totalitarismusforschung vorgestellt wurde. | |
Autor Michael Nattke hat 521 Fragebögen ausgewertet, die er an | |
Berufsschulzentren im Großraum Dresden bei strengstem Vertrauensschutz | |
ausfüllen ließ. Das Programm "entimon" des Bundesfamilienministeriums gegen | |
Gewalt und Rechtsextremismus nennt zwar Haupt- und Berufsschüler als eine | |
besonders gefährdete Gruppe. Dennoch, so Nattke, existierten über sie kaum | |
Erhebungen. | |
Jeder zweite von allen Befragten räumt eine fremdenfeindliche Grundhaltung | |
ein. Etwa jeder dritte steht dem Nationalsozialismus nahe und lehnt die | |
gegenwärtige Demokratie ab. Diese Einstellungen sind oft mit | |
Antiamerikanismus und einer Verklärung der DDR-Vergangenheit gekoppelt. | |
Besonders anfällig zeigen sich Lehrlinge im Handwerk und Jugendliche im | |
Berufsvorbereitungsjahr. Erwartungsgemäß sind rechtsextreme Neigungen im | |
ländlichen Raum weit stärker als in der Großstadt ausgeprägt. | |
Bei den Erklärungsmustern dominiert deutlich ein Zusammenhang mit dem | |
formalen Bildungsstand. Unter den Hauptschülern und denen ohne | |
Schulabschluss an der Berufsschule kann jeder dritte als rechtsextrem | |
eingestuft werden, weitere 26,6 Prozent tendieren dahin. Bei denen, die die | |
Hochschulreife erlangen, sinkt dieser Prozentsatz auf 7,5 bzw. 9,5 Prozent. | |
Geschlechterunterschiede treten hinter dem Bildungskriterium zurück. Die | |
besondere Anfälligkeit von Berufsschülern ließe sich so erklären, | |
resümierte Nattke, weil sie gewissermaßen das Erbe der niedrigeren | |
Schulabschlüsse antreten. | |
Hinzu komme ein Klima an Berufsschulen, das neben den Kontakten im | |
Freundeskreis das Wachsen rechtsextremer Anschauungen begünstige. Unter | |
weiteren Erklärungsmustern spielt die Deprivation, also das Gefühl von | |
Mangel und sozialer Benachteiligung die Hauptrolle, während | |
Orientierungslosigkeit nur zu drei Prozent einfließt. Die als rechtsextrem | |
Eingestuften wählen zur Hälfte NPD, bevorzugen aber statt | |
Parteiveranstaltungen lieber Events wie Fußballturniere. Fast jeder dritte | |
von ihnen hält Gewaltanwendung zur Durchsetzung politischer Ziele für | |
legitim. | |
Nattkes empirische Untersuchung erhebt nicht den Anspruch, repräsentativ zu | |
sein und kann Berufsschulen nicht direkt mit anderen Schularten | |
vergleichen. Dennoch besitzen einige Aussagen der Studie einen | |
verallgemeinerbaren Wert. Um keine vorschnellen Urteile zu fällen, stufte | |
Nattke Schüler erst dann als rechtsextrem ein, wenn der Durchschnitt ihrer | |
Antworten auf einer vierstufigen Skala oberhalb von 2,75 lag. | |
Ein bei der Vorstellung anwesender Berufsschullehrer aus Leipzig hielt die | |
Zahlen nach seiner Erfahrung eher noch für "untertrieben". Das sächsische | |
Kultusministerium und die regionalen Bildungsagenturen wurden aufgefordert, | |
solche Erhebungen ernster zu nehmen. Autor Nattke betonte, dass | |
Interventionsmöglichkeiten mit der Berufsschule endeten und die | |
Jugendlichen danach ins autonome Berufsleben entlassen werden. | |
10 Jun 2009 | |
## AUTOREN | |
Michael Bartsch | |
Michael Bartsch | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rassismus | |
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