# taz.de -- Enthüllungsbuch in Kenia: Korruption verkauft sich gut | |
> Das verfemte Enthüllungsbuch "It's Our Turn To Eat" begeistert die | |
> kenianische Öffentlichkeit. Die Buchhändler im Land bieten es aber nicht | |
> an - aus Angst vor Repressalien. | |
Bild: Für die einen ein Verräter, für die anderen ein Held: John Githongo, P… | |
Neben der Tür des Nationaltheaters drängen sich Menschen vor einem | |
Büchertisch. "Its our turn to eat", das brisante Buch der britischen | |
Journalistin Michela Wrong über Korruption in Kenia, verkauft sich wie | |
warme Semmeln. Drinnen im Theater findet eine Lesung mit Diskussion statt. | |
Ungefähr 450 Besucher drängen sich im Saal, wo es zu wenige Stühle gibt für | |
alle. "Ich kann mir nicht erinnern, den Saal jemals voll gesehen zu haben", | |
bemerkt eine ältere Frau, die auf dem Boden sitzt. | |
Weil Kenias Buchhändler das Buch aus Angst vor Repressalien nicht anbieten, | |
verkaufen und verschenken es seit gut einer Woche | |
Entwicklungsorganisationen, Kirchen, Medien und der Schriftstellerverband | |
in Kenia. Mehr als 5.000 Bücher wurden auf diese Weise verteilt. Auch | |
finden im ganzen Land Vorlesungen und Diskussionen statt. | |
"Wir sind hier, um zu zeigen, dass wir keine Angst haben", sagt zur | |
Begrüßung Philo Ikony, die Vorsitzende der kenianischen Abteilung des | |
internationalen Schriftstellerverbands PEN. Hauptperson im Buch ist John | |
Githongo, der ehemalige Antikorruptionsbeauftragte der Regierung, der zu | |
viele Skandale ans Licht brachte und schließlich nach London floh. "Das | |
Buch handelt nicht nur von John Githongo", sagt Ikony. "Es handelt vor | |
allem von uns Kenianern. Es ist höchste Zeit, dass wir ohne Angst die | |
riesige Korruption ansprechen!" | |
Zur Auflockerung leitet der Komödiant John Kiarie Diskussionen zwischen den | |
einzelnen Lesepassagen. Er fragt das Publikum: Ist Githongo ein Verräter | |
oder ein Held? Das löst eine lebhafte Diskussion aus. Einige kritisieren, | |
Githongo habe Geheimnisse verraten, aber die meisten sehen ihn als Helden. | |
"Ich begegne so oft Korruption und habe genauso oft gedacht, ich sollte das | |
auf Tonband aufnehmen. Aber mir fehlt der Mut, den Githongo offenbar hat", | |
erklärt Esther Pasaris, nach eigener Auskunft Geschäftsfrau mit politischen | |
Ambitionen. Im Buch wird beschrieben, dass Githongo Gespräche mit Ministern | |
heimlich auf Tonband aufnahm, als sie ihn davor warnten, seine Recherchen | |
fortzusetzen. | |
"Githongo ist nach meiner Meinung ein Verräter genauso wie ein Held", meint | |
ein Student schließlich. "Er hat die Menschen verraten, die ihm trauten, | |
und damit wurde er ein Held." Der Beifall ist stürmisch. Die Diskussion im | |
Theater entfernt sich immer mehr vom Buch. "Githongo ist ein Verräter wie | |
wir alle. Er gab uns die Information, und was machten wir? Wir haben | |
dieselben Idioten wiedergewählt", sagt ein Journalist. | |
"Die Angst der Buchhändler hat eine Bewegung im Gang gesetzt, die | |
öffentlich über Korruption diskutiert", schreibt die Zeitungskolumnistin | |
Rasna Warah über die Reihe von Lesungen und Diskussionen. "Könnte ein Buch | |
über Kenia zu einer Bewegung werden, die politische Reformen hervorbringt?" | |
18 Jun 2009 | |
## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
Ilona Eveleens | |
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