# taz.de -- Bremerhaven: Kein Ausstiegsszenario | |
> Morgen eröffnet das Wissenschaftsmuseum "Klimahaus". Die 100 Millionen | |
> Euro teure Öko-Schau ist zum Erfolg verdammt. Scheitert sie, droht | |
> Bremerhavens Stadtenwicklungsoffensive der Ruin. | |
Bild: Rettungsanker oder Sargnagel: Die letzte, teuerste und größte Attraktio… | |
Bob Geldof wird kommen und die Festrede halten, über "Klimaschutz und | |
Klimawandel im internationalen Blickwinkel". Dass Geldof bislang eher durch | |
Singen und Spendensammeln statt durch Klimaforschung auf sich aufmerksam | |
gemacht hat, macht nichts: Der Ire bringt etwas Glanz nach Bremerhaven, und | |
vor allem darauf kommt es an, wenn morgen das "Klimahaus 8° Grad Ost" nach | |
vierjähriger Bauzeit eröffnet wird. | |
Die 12.000 Quadratmeter große Schau zeigt die Klimazonen und die teils | |
verheerenden Auswirkungen der Erderwärmung entlang des achten Längengrades. | |
Sie ist die letzte, teuerste und größte Attraktion der Bremerhavener | |
Stadtentwicklungsoffensive "Havenwelten" - und somit entweder Rettungsanker | |
oder Sargnagel der wirtschaftlich gebeutelten Nordseestadt. | |
Mit 600.000 Besuchern im Jahr rechnet die Betriebsgesellschaft - das sei | |
"kein Problem", sagt deren Sprecher Wolfgang Heumer. Eine Art | |
Öko-Multimedia-Reise rund um die Welt, Simulatoren zum Spritspar-Training - | |
solche Dinge sollen vor allem Nordseeurlauber locken. | |
Der Bau komplettiert ein Tourismus-Ensemble in einer einstigen | |
innerstädtischen Hafenbrache an der Wesermündung. 2000 eröffnete hier das | |
erweiterte Schifffahrtsmuseum, 2004 der "Zoo am Meer", 2005 das "Deutsche | |
Auswandererhaus", das letztes Jahr den europäischen Museumspreis gewann. | |
2008 kam das segelförmige "Sail City"-Hotel mit angeschlossenem | |
Kongresszentrum hinzu, kurz darauf ein Einkaufszentrum. 260 Millionen Euro | |
waren von der Politik bewilligt worden, um mit den "Havenwelten" die von | |
Rekordarbeitslosigkeit geplagte Stadt als Reiseziel aufzubauen. | |
Mit dem größten Teil dieses Geldes errichtete die stadteigene | |
Projektentwicklungsgesellschaft BEAN das Klimahaus für eine private | |
Betreiberfirma. | |
An ein Scheitern wagt nun niemand zu denken: "Das Klimahaus wird eine | |
einzigartige Institution, mit der wir ähnliche Erfolge feiern werden wie | |
mit dem Auswandererhaus", sagt etwa der Vorsitzende der | |
FDP-Stadtverordnetenfraktion, Mark Ella. Und dennoch: "Die Finanzierung des | |
Baus ist eine Katastrophe." Schon vor einem halben Jahr sei von | |
Kostensteigerungen "gemunkelt" worden, auf Nachfrage hätten die | |
Abgeordneten nur zur Antwort bekommen, dass "die Kosten schon irgendwann | |
offengelegt" würden. | |
Ende Mai war es so weit: Bürgermeister Jörg Schulz (SPD) räumte ein, dass | |
die "Havenwelten" 60 Millionen Euro zusätzlich, insgesamt 320 Millionen | |
verschlingen. Wie viel davon genau auf das Klimahaus entfällt, ist unklar, | |
es kursiert die Zahl von 100 Millionen. "Das kann man noch nicht benennen", | |
sagt BEAN-Geschäftsführer Alfred Lüneburg. Erst seien juristische | |
Auseinandersetzungen abzuwarten. "Es könnte aber irgendwann mal rauskommen, | |
dass wir die 100 Millionen nicht erreichen." | |
Für Ella ist trotzdem klar: "In der freien Wirtschaft wären da Köpfe | |
gerollt." Am 10. Juni beschloss die Wirtschaftsdeputation den Einsatz eines | |
Sonderermittlers, der aufklären soll, "wer wann von was gewusst hat - vor | |
allem auch, um das Klimahaus aus der negativen Presse zu bringen", sagt | |
Ella. Linkspartei und CDU reicht dies nicht: Sie wollen sofort einen | |
parlamentarischen Untersuchungsausschuss. | |
Ein ganz anderes Problem ist damit noch gar nicht berührt. Kommen die | |
Besucher nicht, bleibt die Stadt auf dem sündhaft teuren Bau, der kaum für | |
eine andere Nutzung geeignet sein dürfte, sitzen. "Dann suchen wir uns eben | |
einen anderen Betreiber", sagt Lüneburg. Wie viele Jahre der Besucherstrom | |
anhalten muss, bis Pacht- und Tourismuseinnahmen die | |
"Havenwelten"-Investitionen rentiert haben, will er nicht sagen. Es handele | |
sich um eine "regionalwirtschaftliche Betrachtungsweise, alles was man | |
daraus nun ableiten würde, wären unseriöse Spekulationen". | |
Beim Klimahaus will man nicht über den Worst Case reden: "Darüber macht | |
sich hier niemand Gedanken", sagt Sprecher Heumer. "Wir sind hier | |
angetreten um das Ding zu betreiben, wir sind ein Spezialunternehmen und | |
wir werden das erfolgreich tun." Deshalb gebe es "nur ein Einstiegs- und | |
kein Ausstiegsszenario". | |
23 Jun 2009 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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