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# taz.de -- Pro und Contra Proteste im Iran: Reagiert die Koalition angemessen?
> Erhält die Protestbewegung genügend Rückendeckung aus Deutschland? Oder
> ist die Koalition zu zögerlich?
Bild: Exiliraner protestieren mit Lichterketten gegen die harte Haltung Teheran…
JA, sagt Gert Weißkirchen, außenpolitischer Sprecher der SPD:
Die Macht der Ohnmächtigen im Iran zeigt sich in der Vielfalt des "grünen"
Aufruhrs. Er ist friedlich und stark. In ihm spiegelt sich der Wille zu
einem selbstbestimmten Leben wider. Mit ihrer Stimme haben Millionen
Bürgerinnen und Bürger dem ihren Ausdruck verliehen: der Wahlakt als Akt
der Befreiung. Moralisch haben die Vertreter der Macht bereits verloren.
Die Brutalität der Schläger deckt auf, worum es den Machthabern geht: Sie
wollen den Mut derer brechen, die eine Alternative innerhalb der
islamischen Republik suchen. Und sie wollen zu unbedachtem Verhalten
provozieren.
Wie darauf antworten? Zuerst: Die Außenwelt kann nicht anders, als allen,
die im Iran friedlich demonstrieren, Solidarität zu bekunden. Wer immer
seinen politischen Willen friedlich demonstrieren will, der muss sich der
Solidarität auch außerhalb des eigenen Landes sicher sein. Das sind wir als
Weltbürger einander schuldig. Die Menschenrechte sind unteilbar. Dazu
gehört auch die Kritik an gewaltförmiger Willkür.
Dann: Die Außenwelt darf sich nicht an die Stelle derer setzen, die im Iran
handeln. Denn durch unangemessenes Eingreifen würde die Würde derer, die
ihren selbstbestimmten Willen realisieren, angetastet. Indem die Außenwelt
die Autonomie der iranischen Opposition anerkennt, stärkt sie wiederum
deren Glaubwürdigkeit gegenüber Übergriffen. Wer von außen zum Umsturz
aufruft, schiebt das Risiko den Menschen zu, die sich schwer schützen
können.
Schließlich: Noch ist der Kampf innerhalb der Macht nicht entschieden. Die
Widersprüche in der religiösen Führung brechen auf. Die Verschiebung von
der religiösen hin zur nationalistischen Ideologie verändert das
Selbstverständnis der Islamischen Republik. Gerade jetzt muss die Außenwelt
mit der iranischen Opposition darüber reden, was geschehen muss, damit
deren Handlungsräume im Iran erweitert werden.
Aufrufe zum Umsturz von außen helfen denen, die im Innern ihr Land
verändern wollen, gegenwärtig wenig.
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NEIN, sagt Omid Nouripour, Mitglied der Bundestagsfraktion von Bündnis
90/Die Grünen:
Die Bundesregierung hinkt den Ereignissen im Iran hinterher. Als die
meisten Iraner bei den ersten offiziellen Wahlergebnissen ihren Augen nicht
trauten und am nächsten Tag die Proteste begannen, gab es aus Berlin keine
Reaktion. Darauf war die Bundesregierung anscheinend nicht vorbereitet.
Dabei zeigte die große Mobilisierung im iranischen Wahlkampf schon früh:
Das Land sitzt auf einem Pulverfass.
Die Bundesregierung hat laut und vernehmlich geschwiegen. Als dann auf dem
Teheraner Freiheitsplatz auf Demonstranten geschossen wurde, äußerte die
Bundesregierung "Sorge". Als Chamenei beim Freitagsgebet den Demonstranten
unverhohlen drohte, zeigte sich die Kanzlerin "enttäuscht".
Jetzt will Merkel eine Neuauszählung der Stimmen, während Sarkozy Neuwahlen
fordert. Merkels Position ist besonders originell, da sie erstens sonst
niemand vertritt und zweitens gefälschte Stimmzettel auch nach zweimal
zählen ein falsches Ergebnis bringen. Wie so häufig gilt: Spricht die EU
keine gemeinsame Sprache, kann sie keinen Einfluss nehmen.
Wollte man dem Regime im Iran keinen Vorwand bieten, die Reaktionen des
Westens gegen die Demonstranten zu instrumentalisieren, so ist das absurd.
Das iranische Staatsfernsehen behauptete noch vor Obamas ersten klaren
Worten, der Westen stecke hinter den Protesten. Worum es geht, ist eine
klare Sprache gegen die Menschenrechtsverletzungen. Wo sind die vielen
Verschleppten? Wie geht es den Verhafteten? Wer hat auf die Demonstranten
geschossen? Stellen wir diese Fragen nicht, lassen wir die Protestierenden
allein.
Die Bundesregierung fürchtet wohl, bald wieder mit Ahmadinedschad am
Verhandlungstisch sitzen zu müssen. Gerade deshalb muss sie eine klare
kritische Position beziehen. Sonst wird sie von Ahmadinedschad dann sanft
lächelnd ins Gesicht gesagt bekommen, dass hinter seiner Linie in der Atom-
und Menschenrechtsfrage zwei Drittel der Iraner stünden. Das wäre der
nächste Fehlschlag in der deutschen Iranpolitik.
26 Jun 2009
## AUTOREN
G. Weisskirchen
O. Nouripour
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