# taz.de -- Streit der Woche: "Politiker müssen lügen" | |
> Können Politiker im Wahlkampf ehrlich sein? Es geht, behaupten Rita | |
> Süssmuth und Egon Bahr im sonntaz-Streit. Unsinn, meint der | |
> Geschichtsprofessor Wolfgang Reinhard. | |
Bild: Verzerrte Wahrheit: Obama als Teebeutel. Und Phrasen von Politikern. | |
BERLIN taz | Die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) und | |
der ehemalige Bundesminister Egon Bahr (SPD) haben die Politik zu | |
Ehrlichkeit im Wahlkampf aufgefordert. "Mut zur Wahrheit hat Aussicht auf | |
Erfolg", schreibt Süssmuth im Streit der Woche der sonntaz. "Ich muss nicht | |
der Verlierer sein, wie von zu vielen angenommen wird." Gleichwohl gelte | |
für sie die Devise: es kommt darauf an, wie man die Wahrheit sagt: "Ob in | |
Verantwortung und Sorge um den Menschen, oder als Faktum, mit dem ich die | |
Menschen allein lasse." Ehrlichkeit brauche eine verständliche, | |
authentische und glaubwürdige Übermittlung. | |
Auch der Sozialdemokrat Bahr warnt vor der Versuchung zum Populismus. Denn | |
Politiker seien auch nur Menschen, die ihren Mitmenschen etwas Angenehmes | |
sagen wollen. Doch es gelte auch für Politiker, was für andere zutreffe: | |
"Alles was man sagt, muss wahr sein, aber man muss nicht alles sagen, was | |
wahr ist." Der Mitgestalter von Willy Brandts Ost-Politik fordert die | |
Politiker auf, nicht zu lügen. "Wenn es nicht anders geht, kann man sagen: | |
Zu diesem Punkt kann oder soll oder will ich mich zurzeit nicht äußern", | |
schreibt Bahr. | |
Politiker können nicht ehrlich sein, meint hingegen der Geschichtsprofessor | |
Wolfgang Reinhard. Er hat Lügen als gesellschaftlich politisches Phänomen | |
untersucht. Es sei bereits eine Lüge, wenn Politiker die Frage nach deren | |
Ehrlichkeit bejahen würden, lautet seine Antwort. Politiker seien zum Lügen | |
gezwungen, sie seien "die Sklaven ihres Geschäfts". Denn wer den | |
politischen Selbstmord vermeiden wolle, dem bliebe nichts anderes übrig, | |
als zu lügen, schreibt der Freiburger Historiker. Politik sei nie ohne | |
Täuschungen und Intrigen zu betreiben. Die Wähler ihrerseits seien nicht | |
weniger verlogen als die Politiker. Wegen Steuerhinterziehung, | |
Schwarzarbeit und Untreue, "haben wir keinen Grund, den Stab über unsere | |
politische Klasse zu brechen." | |
Der Kabarettist Urban Priol schreibt, Politiker dürften es mit der Wahrheit | |
nicht so genau nehmen. Sie bliesen vor jeder Wahl die Backen auf: "Die | |
Wähler liegen uns am Herzen - um am Tag danach von Demenz befallen zu | |
werden." Außerdem äußern sich im Streit der Woche Grünen-Spitzenkandidatin | |
Renate Künast, die italienische Satirikerin Sabina Guzzanti, der Buchautor | |
Walter van Rossum ("Meine Abende mit Sabine Christiansen") sowie | |
taz.de-User Sven Bensmann aus Kassel. | |
10 Jul 2009 | |
## AUTOREN | |
Khalid El Kaoutit | |
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