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# taz.de -- Israels Soldaten rekapitulieren Gazakrieg: "Wenn du nicht sicher bi…
> Sechs Monate nach dem Krieg im Gazastreifen resümiert eine israelische
> Initiative ehemaliger Soldaten ihre Front-Erfahrungen. Hauptthema:
> unproportionaler Gewalteinsatz.
Bild: "Es war einfach verrückt": Israelische Bombe explodiert im Januar 2009 i…
Sechs Monate nach dem Krieg im Gazastreifen resümieren israelische Soldaten
ihre Erfahrungen an der Front. "Um zu schießen, war keine Sondererlaubnis
notwendig", heißt es in einem von der Initiative ehemaliger Soldaten diese
Woche veröffentlichten Bericht. Die Untersuchung trägt den Titel: "Das
Schweigen brechen". In den insgesamt 54 Zeugenaussagen von 30 Soldaten
verschiedener Einheiten geht es zentral um die allgemeine Atmosphäre an der
Front und den unproportionalen Gewalteinsatz. "Wenn du nicht sicher bist,
töte", sagte einer der Soldaten.
"Es war einfach verrückt, wie da herumgeschossen wurde." In engen
Wohngegenden "ist jeder dein Feind, da gibt es keine Unschuldigen". Fast
alle Soldaten beschreiben die große ständige Bereitschaft zu schießen. "Das
Gefühl war, wir sind hier zu töten, und keiner hat ein Problem damit."
Kollateralschäden spielten demnach keine Rolle, solange die eigenen
Verluste auf ein Minimum reduziert wurden.
Der 120 Seiten umfassende Bericht ist in Interviewform verfasst. Vor und
während der Offensive standen die Soldaten unter strikter Schweigepflicht.
Der Bericht hat nicht den Anspruch, "einen ausgewogenen und umfassenden
Spiegel für alle Soldaten zu liefern", heißt es in der Presseerklärung von
"Das Schweigen brechen", dennoch geht die Initiative davon aus, dass die
Zeugenaussagen ausreichen, um die Glaubwürdigkeit der offiziellen
Armeeversion von den Ereignissen während des Krieges in Gaza in Frage zu
stellen.
Unmoralisches Verhalten von Soldaten sei "nicht die Ausnahme, sondern die
Regel" gewesen, sagt der Bericht. Verteidigungsminister Ehud Barak hatte
unmittelbar nach dem Krieg erklärt, die Armee habe alles unternommen, um
Unschuldige zu schonen.
In Reaktion auf die Veröffentlichung des Berichts kritisierte Barak die
Menschenrechtsinitiative für den Vorwurf, die Armee habe palästinensische
Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht. "Jede Kritik an dem
Verhalten der Armee sollte an mich als Verteidigungsminister gerichtet
werden und an die Regierung, die der Armee den Auftrag erteilt hat, Frieden
und Sicherheit im südlichen Israel wiederherzustellen."
Rund 1.300 Palästinenser sind während des Krieges getötet worden. Zwei
Drittel von ihnen sollen, offiziellen palästinensischen Zahlen zufolge,
Zivilisten gewesen sein. An zwei Stellen wird in dem Bericht der Einsatz
von weißem Phosphor angesprochen. In keinem der beiden Fälle können aber
die Soldaten bezeugen, ob sich Zivilisten in der Region aufhielten, noch
werden konkrete Gründe für den Einsatz angeben. Amnesty International hatte
den israelischen Gebrauch von weißem Phosphor noch während des Krieges
angeprangert.
Die Stellungnahmen der Soldaten gehen auch wiederholt auf die Praxis ein,
die Zivilbevölkerung per Flugblatt vorzuwarnen und zum Verlassen ihrer
Häuser aufzufordern. Außerdem gab es Telefonanrufe und das sogenannte
Anklopfen, bei dem aus der Luft zunächst auf die Ecken der Häuserdächer
geschossen wird. Wer darauf nicht reagierte, galt als potenzieller
Terrorist. "Gib ihnen ein paar Minuten, wer dann noch drin bleibt, ist ein
toter Mann", resümiert einer der Soldaten.
Einige Soldaten berichten über den gezielten Vandalismus ihrer Kameraden
und das Beschmieren von Hauswänden mit rassistisch-militanten Parolen. In
anderen Fällen bedienten sich die Soldaten in den Küchen der Wohnungen, die
sie besetzt hielten, mit Lebensmitteln. "Es gab keinen Grund dafür, die
Vorräte der Familie zu nutzen", sagt einer der interviewten Soldaten, "aber
wir waren über eine Woche dort, und das Essen der Armee ist widerlich."
Kollateralschäden spielten keine Rolle, solange die eigenen Verluste auf
ein Minimum reduziert wurden
16 Jul 2009
## AUTOREN
Susanne Knaul
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