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# taz.de -- Andreas Klöden und die Tour de France: Fremdenlegionär ohne Denkm…
> Stell dir vor, du fährst vorne mit bei der Tour und keiner guckt hin: Der
> treue, aber auch dopingverdächtige Andreas Klöden ignoriert die deutsche
> Öffentlichkeit - und wird von ihr ignoriert.
Bild: Nein, mit deutschen Journalisten will Andreas Klöden nicht mehr sprechen.
BOURG-SAINT-MAURICE taz | Andreas Klöden absolviert mal wieder eine dieser
Frankreichrundfahrten, die ihn am Ende auf das Podest in Paris führen
könnte. Nicht aufs oberste Plätzchen natürlich. Das ist Alberto Contador
kaum noch zu nehmen. Aber gleich dahinter könnte sich das einstige Mitglied
des Lausitzer Polizeisportklubs Dynamo Forst einfinden.
Er ist der Beste des großen Restes, stärker als Andy Schleck einzuschätzen,
dem er im Zeitfahren überlegen ist, erfahrener als der Überraschungsdritte
Bradley Wiggins, besser auch als Armstrong. Seinem zweiten Kapitän nahm
Klöden im Prolog ein paar Sekunden ab. Getreu wie ein Bernhardiner aber
schleppte er ihn die Alpen hoch und erinnerte an jene Szenen, als er eigene
Platzierungschancen zu Gunsten eines ermatteten Jan Ullrich opferte.
Das französische Sportblatt LEquipe sieht in Klöden den Joker von Team
Astana. Tourlegende Bernard Hinault schnalzt mit der Zunge, wenn er auf
Klöden angesprochen wird. Jeder Teamchef, der es in Dopingfragen nicht ganz
genau nimmt, würde den Wahlschweizer wegen seiner Ausdauerfähigkeit und vor
allem der unbedingten Loyalität, die er an den Tag legt, gern in sein
Aufgebot nehmen - und dafür auch gutes Geld locker machen.
Doch ausgerechnet in seiner Heimat wird Andreas Klöden kaum wahrgenommen.
Zuzuschreiben hat er sich dies freilich selbst. Naht ein deutscher
Journalist, setzt der gerade noch mit Kollegen scherzende Andy eine
undurchdringliche Miene auf und rollt starren Blicks von dannen.
Klöden ist sauer auf die deutschen Medien, seit sie in seinem dicken Kumpel
Jan Ullrich nur noch den Doping-Ulle sehen und auch ihn selbst seit dem
Bericht der Freiburger Untersuchungskommission immer wieder mit dem
Verdacht auf Blutdoping konfrontieren. Klöden will sich dazu nicht äußern.
Er kennt die Gesichter der deutschen Journalisten.
Als eine TV-Kollegin den verräterischen Mikrofonschutz entfernte,
durchschaute er die List. Er blickte hoch und ging wortlos weiter zu einer
ausländischen Station. Gegenüber französischen, belgischen oder
amerikanischen Reportern äußert er sich mitunter zur deutschen
Mediensituation: "Ich habe abgeschlossen mit der deutschen Presse. Ich lese
sie nicht."
Ein echter Medienfreund war der 34-Jährige freilich auch in den
vermeintlich heilen Telekom-Zeiten nicht. Dort stellte er sich gern in den
Schatten von Jan Ullrich. Allen Avancen, sein Talent doch einmal zum ganz
großen eigenen Coup einzusetzen, erteilte er eine Absage. Dies verschaffte
ihm den Ruf, dem Druck, der auf einem Kapitän lastet, nicht standzuhalten.
Vor zwei Jahren schien Klöden dieses Bild zu korrigieren. Er blieb
medienscheu, aber immerhin nahm er nun sein sportliches Glück fest in beide
Fäuste. Doch sein Angriff auf das gelbe Trikot ging wegen des
Blutdoping-Befunds des damaligen Co-Kapitäns Winokurow ins Leere. Team
Astana zog sich von der Tour zurück. Klöden drosch nach
Augenzeugenberichten vor Wut auf eine Zimmertür im Hotel am Rande von Pau
ein.
Danach kehrte Klöden zum geübten Dasein als Edeldomestike zurück. In diesem
Fach ist er einsame Weltspitze. Er ist nicht nur physisch stark. Er ordnet
sich auch diszipliniert den Anweisungen der Bosse unter. Wie um seine
absolute Loyalität zu demonstrieren, unterstützte er in Verbier erst den
abgeschlagenen Lance Armstrong. Zwei Tage später rollte er gemeinsam mit
Alberto Contador den Kleinen St. Bernard hinauf, um diesen vor der
Angriffen der Schleck-Brüder zu beschützen. Armstrong kämpfte da allein um
Anschluss.
Achtung erwirbt sich Klöden bei dem immer noch meinungsbildenden Teil des
Pelotons auch wegen seiner Schweigsamkeit in Dopingfragen. Treu steht er zu
Ulle, tapfer schützt er das Milieu. Er erinnert an einen Fremdenlegionär,
der für seine Oberen die Drecksarbeit erledigt, dafür ordentlich vergütet
wird, dem aber niemals ein Denkmal errichtet werden wird. In Frankreich
nicht, in Deutschland erst recht nicht.
23 Jul 2009
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Jan Ullrich
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