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# taz.de -- Echte Affären und Sommerloch-Aufreger: Vergessene Skandale
> Flugmeilen und falsch genutzte Dienstwagen - das sind Verfehlungen von
> Politikern, an die wir uns erinnern. Andere Ungeheuerlichkeiten werden
> dagegen vergessen.
Bild: Lang, lang ist´s her: Wolfgang Schäuble (CDU) vor dem Parteispenden-Unt…
BERLIN taz | Sommerlöcher haben auch etwas Gutes: Das Wissen normaler
MedienkonsumentInnen um Gewicht, Spritverbrauch und Schutzklassen von
ministeriellen Dienstwagen hat sich in den letzten 72 Stunden vervielfacht.
Es wird endlich mal wieder über deutsche RentnerInnen in Spanien geredet.
Und selbst Rita Süssmuth kommt aus der Versenkung: Die ehemalige
Bundestagspräsidentin hatte schließlich auch mal eine Dienstwagenaffäre,
damals, 1991.
Beinahe 20 Jahre ist das schon her, doch wir erinnern uns sofort. Auch Ulla
Schmidts Spanienaufenthalt, dieser Privaturlaub mit kleineren
Dienstanteilen, hat nun das Zeug, in den ewigen Annalen des kollektiven
Politgedächtnisses gespeichert zu werden: Wer sich die Karre auch noch
klauen lässt, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Und die SPD freuts
insgeheim, Schmidt präventiv als Sündenbock für die weiter bescheidenen
Umfrageergebnisse der Partei zu haben - nebst der machtstrategischen
Option, die nicht allseits beliebte Gesundheitsministerin demnächst zu
entsorgen.
So jedenfalls war es ihrem Parteifreund Rudolf Scharping ergangen: Der
hatte sich im Sommer 2001 frisch verliebt mit seiner Gräfin etwas zu
ausführlich im Pool geaalt. Und sich dann auch noch von dem zwielichtigen
PR-Impresario Moritz Hunzinger beraten lassen. Ein Verteidigungsminister
hat nicht öffentlich zu baden, zumindest nicht so, befand damals Volkes
Stimme. Die wahren Hintergründe - Scharping hatte schon länger den Rückhalt
in der Bundeswehr verloren, die unmittelbar vor dem Einsatz in Mazedonien
stand - sind dagegen so gut wie vergessen.
Doch warum bleibt so ein Planschskandal viel besser im Gedächtnis haften
als die wirklichen Schweinereien? Der CDU-Parteispendenskandal ab 2000 zum
Beispiel - längst verblichen; ein Wolfgang Schäuble, dessen politische
Karriere damals eigentlich vorbei gewesen sein sollte, ist heute wieder
Bundesinnenminister. Bis 2002 tagte zum Thema ein Untersuchungsausschuss
des Bundestages, in dessen Verlauf ziemlich Ungeheuerliches an den Tag kam.
Doch wir erinnern uns lieber an einen anderen Aufreger des Jahres: Passend
zum Bundestagswahlkampf 2002 hatte nämlich im Juli 2002 die Bild-Zeitung
zuerst die "Hunzinger-Affäre" und dann die "Bonusmeilenaffäre" enthüllt.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir hatte sich von Hunzinger nicht
nur beraten lassen, sondern auch einen Kredit über 80.000 Euro zu
Freundschaftskonditionen erhalten.
Ganz nebenbei geriet damals auch Özdemirs "Flugverhalten" in den Fokus der
medialen Aufmerksamkeit: Er war mehrfach privat in schöne Städte unterwegs
- dank Bonusmeilen, die er auf dienstlichen Flügen angesammelt hatte. Auch
andere Abgeordnete nutzten im Dienst eingesackte Bonusmeilen für private
Reisen, ein klarer Verstoß gegen die Spielregeln des Parlaments. Betroffen
waren fast alle Parteien, doch nur Gregor Gysi (PDS) trat als
Wirtschaftssenator in Berlin zurück, und Rezzo Schlauch (Grüne) überwies
immerhin eine Strafsumme an das Bundestagspräsidium. Bei den Gratisflügen
ging es jeweils um ein paar tausend Euro - bei der CDU-Parteispendenaffäre
dagegen um Millionen.
Doch Fluggeräte oder dicke Autos und Sonderkonditionen für "die da oben"
taugen eben zur öffentlichen Erregung. Darunter kann sich jeder etwas
vorstellen. So manch einer käme selbst gern in den Genuss dieser
Privilegien. Dass man diese eben nicht hat, macht den Bezug zum eigenen
Leben einfacher - und somit einprägsamer. Dröge Zahlen, Daten, Fakten rufen
eben keinen Neid hervor.
Der, gemischt mit einer Prise Stammtisch, und fertig ist der Skandal. Das
musste auch Bundeswissenschaftsministerin Annette Schavan (CDU) vor knapp
einem Jahr erfahren: Da gab es plötzlich eine "Helikopter-Affäre", weil die
Bundeswissenschaftsministerin 146 Kilometer von Stuttgart zu einem
Diensttermin in Zürich geflogen war - der Hubschrauber aber aus Berlin
anreiste und leer zurückflog. Dass der eigentliche Skandal in der
Organisation der Bundeswehr-Flugbereitschaft lag, die solche Leerflüge
provoziert, ist natürlich längst vergessen.
Vergessen ist übrigens auch Süssmuths schlimmes Schicksal nach ihrer
Dienstwagenaffäre: Es gab keins. Ihr Gatte berappte 5.000 Mark Strafe, sie
blieb bis 1998 Bundestagspräsidentin. Ulla Schmidt sollte sich allerdings
nicht zu sehr am Fall Süssmuth orientieren - 1991 war im Gegensatz zu 2009
kein Wahljahr.
29 Jul 2009
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
Kolumne Flimmern und Rauschen
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