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# taz.de -- Regisseur über Überlingen-Film: "Ich fliege nicht mehr so gern"
> Regisseur Till Endemann spricht über seinen TV-Film "Flug in die Nacht -
> Das Unglück von Überlingen", der am heutigen Mittwoch in der ARD läuft.
Bild: Till Endemann über seinen TV-Film: "Eine leider real gewordene Tragödie…
taz: Herr Endemann, warum haben Sie die Geschichte des Flugzeugunglücks von
Überlingen nicht in einem Dokumentarfilm verarbeitet? Sie haben ja
Dokumentarfilm studiert.
Till Endemann: Weil ich im Laufe der Recherchen eine Haltung entwickelt
habe, aus der heraus mir die Spielfilmform als die in diesem Fall
geeignetste erschien.
Wie sieht diese Haltung aus?
Am Anfang standen zwei Katastrophen mit einem ziemlich direkten
Zusammenhang, der fast schicksalhaft erscheint. Für mich ging es aber
darum, zu erklären, wie es dazu kommen konnte.
Der Crash über dem Bodensee als erste Katastrophe und der Mord am
mitverantwortlichen Fluglotsen als zweite?
Ja, genau. Beides hätte verhindert werden können. Deswegen gefällt mir das
Wort "Schicksal" in diesem Zusammenhang nicht. Der Film sieht genau hin, wo
Fehler gemacht wurden, aber verurteilt die Verantwortlichen nicht im
Schwarz-Weiß-Modus. Es war ein großer Anspruch an mich selbst, jede Figur
in ihrem Dilemma verstehbar zu machen. Der Film ist eine leider real
gewordene Tragödie aus unserer Zeit.
Wie politisch ist Ihr Film?
Er erzählt aus einer Zeit, in der wir für uns in der westlichen Welt ein
sehr gutes Wertesystem erarbeitet haben, für das es sich unbedingt
einzustehen lohnt. Um das Zusammenleben so vieler Menschen möglich zu
machen, tritt eine direkte Mitmenschlichkeit jedoch leider oft sehr weit in
den Hintergrund. Durch die Figur des Nordosseten mit seinen eher
archaischen Moralvorstellungen werden diese Mängel aufgedeckt. Es ging mir
nie darum, speziell eine Flugsicherungsfirma zu verurteilen, sondern
deutlich zu machen, dass Mitmenschlichkeit, wahrhaftige Anteilnahme unser
höchstes Gut ist. Die Angehörigen der Opfer solcher Katastrophen hätten
nichts lieber als echte Gefühle, die jedoch im juristischen Gerangel und
Feilschen um Geld keinen Platz finden.
Worin hat für Sie der Reiz der Fiktionalisierung realer Ereignisse in
diesem Fall bestanden?
Ich würde weniger von Reiz sprechen als von Notwendigkeit. Für einen
Dokumentarfilm sind die Leerstellen zu groß, vieles ist einfach nicht
überliefert bzw. es gibt kein Bildmaterial. Und außerdem ging es mir ja
darum, die Ereignisse und die Emotionalität dahinter begreiflich zu machen.
Was mir aber ganz wichtig ist: Ich bin der Letzte, der der Meinung wäre,
dass jedes reale Unglück, jede Tragödie verfilmt werden müsste. Unseren
Film rechtfertigt, dass wir eine Haltung einnehmen, die niemals
effekthascherisch ist, und dass wir allen Figuren mit Respekt begegnen.
Fliegen Sie eigentlich gerne?
Nicht mehr so gerne wie vor den Recherchen für den Film.
Warum?
Weil ich mich mich mit den Fehlerquellen im Zusammenspiel von Mensch und
Technik beschäftigt habe und mich deswegen nicht mehr so gern in die Hände
anderer begebe.
Woran arbeiten Sie gerade?
Ich drehe ab 10. August den Kinofilm "Vater Morgana" mit Christian Ulmen
und Michael Gwisdek. Der spielt einen Vater, der nie für seinen Sohn da
war, und als er an Alzheimer erkrankt, versucht, die Absolution zu
bekommen.
Wieder ein Beziehungsfilm.
Wieder ein Beziehungsfilm.
Weil Sie menschliche Beziehungen am meisten interessieren?
Ja. Das sind die Filme, die ich mir selbst am liebsten ansehe, und ich
versuche eigentlich grundsätzlich Filme zu machen, die ich mir selber gerne
ansehen würde.
Was genau interessiert Sie an Beziehungen im Film?
Dass ich mich selber in den Figuren und ihrem Miteinander spiegeln kann.
Die Zwischenmenschlichkeit ist eine wahnsinnig große Aufgabe für jeden
Menschen mit vielen Lücken und Tücken, auf der Suche nach Identität und
Liebe, auf der Flucht vor dem Tod. Und davon zu erzählen, im Kleinen das
Große zu suchen, ist für mich als Filmemacher reizvoll.
29 Jul 2009
## AUTOREN
David Denk
David Denk
## TAGS
Gedenken
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