# taz.de -- Machtkampf im Iran: Ahmadinedschad ist geschwächt | |
> Der Druck auf Irans Präsident Ahmadinedschad wächst: Mit einer Personalie | |
> hat er Revolutionsführer Chamenei brüskiert. Erzkonservative drohen mit | |
> Absetzung. | |
Bild: Ideologischer Streit über die Rolle der Geistlichkeit: Ahmadinedschad un… | |
Es wird eng um den iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad. | |
Berauscht von seinem angeblichen Sieg bei der Wahl vom 12. Juni, hatte er | |
offenbar vergessen, dass er seine Wiederwahl einzig dem Revolutionsführer | |
Ali Chamenei verdankt. Chamenei war es, der ihm in seiner vierjährigen | |
Amtszeit immer wieder den Rücken stärkte, und er war es auch, ohne dessen | |
Billigung der große Wahlbetrug nicht möglich gewesen wäre. | |
Ahmadinedschad schien aber zu glauben, er habe tatsächlich die Zustimmung | |
von mehr als 24 Millionen Wählern bekommen und könne nun nach Belieben | |
schalten und walten. So ernannte er als erste Maßnahme zur Neubildung | |
seines Kabinetts den in konservativen Kreisen höchst umstrittenen Esfandiar | |
Rahim Maschaie zu seinem ersten Vizepräsidenten. Grund genug für die | |
Konservativen, auf die Barrikaden zu gehen. Der Präsident solle die | |
Ernennung widerrufen, wurde er aufgefordert. Doch der ignorierte die | |
Proteste. Selbst als Revolutionsführer Ali Chamenei persönlich einschritt | |
und die Absetzung des Vizepräsidenten befahl, zögerte Ahmadinedschad | |
weitere fünf Tage, bis er nachgab. "Ihre Anweisung wurde gemäß Artikel 57 | |
der Verfassung ausgeführt", schrieb er, womit er andeutete, dass er zu der | |
Entscheidung gezwungen wurde. Damit nicht genug. Wenige Stunden danach | |
ernannte er denselben Maschaie zu seinem ersten Berater und Bürochef und | |
feuerte auch den Geheimdienstminister. | |
Es war eine offene Brüskierung des Revolutionsführers, und die kommt | |
Ahmadinedschad teuer zu stehen. Das Gezerre um eine Personalie hat sich zu | |
einem ideologischen Streit über die Rolle der Geistlichkeit in der | |
Islamischen Republik entwickelt. 205 von 290 Parlamentsabgeordneten rügten | |
in einem Schreiben den Regierungschef für sein Zögern, die Anweisung des | |
Revolutionsführers auszuführen. Der konservative Abgeordnete Hamid Resa | |
Katusian erläuterte: "Das Parlament ging bisher davon aus, dass | |
Ahmadinedschad dem Revolutionsführer gehorcht. Doch nun sind an dieser | |
Annahme erhebliche Zweifel aufgekommen." Der Regierungschef müsse sich | |
deutlich positionieren. Es sei der Eindruck entstanden, dass er dabei sei, | |
die "Prinzipientreuen" zu verlassen und andere Wege zu gehen. | |
Am deutlichsten äußerte sich der Verein islamischer Ingenieure, der als | |
erzkonservativ gilt. Er forderte vom Regierungschef "unbedingten Gehorsam" | |
und warnte ihn, dass es ihm ähnlich ergehen könne wie Mohammad Mossadegh | |
und Abolhassan Banisadr. Ministerpräsident Mossadegh hatte sich Anfang der | |
50er-Jahre mit dem Geistlichen Ajatollah Kaschani überworfen und musste | |
deshalb erhebliche Stimmenverluste hinnehmen. Banisadr, der erste | |
Staatspräsident der Islamischen Republik, geriet mit Ajatollah Chomeini in | |
Konflikt und wurde abgesetzt. Ahmadinedschad solle sich nicht täuschen über | |
seinen Wahlsieg, schrieb der Verein. | |
Der ideologische Konflikt schwelt seit Langem. Schon längst ist der | |
Verdacht entstanden, Ahmadinedschad strebe mithilfe der militärischen und | |
paramilitärischen Kräfte einen islamischen Staat ohne die Geistlichkeit an. | |
Die erheblichen Privilegien, die er den Revolutionswächtern und Bassidschi | |
zukommen ließ, bestätigen die Vermutung. Heute sind die Revolutionswächter | |
nicht nur militärisch, sondern auch politisch und ökonomisch die Nummer | |
eins im Staat. Jetzt will man es vom Regierungschef genau wissen. Die | |
jüngsten Ereignisse haben seine Position erheblich geschwächt, er wird | |
große Mühe haben, sich durchzusetzen. | |
Aber auch Chamenei ist bei dem Konflikt, trotz zahlreicher | |
Loyalitätsbekundungen, nicht ganz ungeschoren davongekommen. Seine jüngste | |
Verordnung, eines der Gefängnisse zu schließen, zeugt von dem Versuch, | |
wieder die Position des über alles erhabenen Landesvaters einzunehmen. Dem | |
wollte Ahmadinedschad nicht nachstehen und wies den Justizchef Haschemi | |
Schahrudi an, alle bei den Demonstrationen der letzten Wochen | |
Festgenommenen bis zum 7. August, dem Geburtstag des verborgenen Imam | |
Mahdi, freizulassen. Sie sollten "die Süße der Milde und Liebe des Glaubens | |
schmecken", schrieb Ahmadinedschad. | |
Doch diese Milde reichte offenbar nicht für den Antrag von | |
Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi, für den heutigen Tag eine | |
Trauerfeier zu genehmigen zum Gedenken an die Demonstranten, die auf | |
offener Straße oder in den Gefängnissen gestorben sind. Sollte es bei dem | |
Verbot bleiben, werden, wie geplant, heute Abend allein in Teheran | |
Millionen Kerzen angezündet. | |
"Der Kampf um die Reformen geht weiter", erklärte Mussawi. "Ein Land mit 70 | |
Millionen Menschen kann nicht zum Gefängnis werden. Je mehr Menschen sie | |
festnehmen, desto stärker wird die Bewegung." | |
30 Jul 2009 | |
## AUTOREN | |
Bahman Nirumand | |
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