# taz.de -- Kinderlose Männer: "Männer rutschen aus dem Blick" | |
> Mehr Männer als Frauen sind kinderlos. Die Politik ignoriert das, weil | |
> sie keinen Mumm hat, die Männerrolle ernsthaft zu verändern, meint | |
> Väterexperte Ralf Ruhl. | |
Bild: Die Männerrolle wird nicht in Frage gestellt. | |
taz: Immer weniger Frauen bekommen Kinder, meldete kürzlich das | |
statistische Bundesamt. Die Zahl der kinderlosen Männer, die laut DIW sogar | |
noch höher liegt, hat es dagegen nicht erhoben. Ist das mehr als ein | |
Statistik-Problem? | |
Ralf Ruhl: Das ist politisch gewollt. Wenn die Politik diese Zahlen hätte | |
haben wollen, hätte sie das Amt anweisen können. Das ist das Gegenteil von | |
Gender Mainstreaming. | |
Wer hat da so finstere Absichten? | |
Die familienpolitische Debatte in Deutschland ist immer noch eine | |
Frauendebatte. Frauen wollen Daten über Frauen erheben. Und die Männer in | |
der Politik sind froh, wenn das Verhalten von Männern nicht in Frage | |
gestellt wird. Es ist ein unseliges Zusammentreffen von traditionellem | |
Feminismus und konservativer Männlichkeit. | |
Feminstinnen ignorieren männliche Defizite? Na sowas. | |
Doch, die traditionelle Frauenpolitik adressiert die Männer einfach nicht. | |
Stattdessen verteidigen sich Frauen, die eher "männlich" leben, also | |
Karriere anstreben und sich über den Beruf identifizieren, nun gegenüber | |
den Erwartungen, sie hätten doch auch Mütter zu sein. Die Männer rutschen | |
auch ihnen dabei aus dem Blick. | |
Was würde es bringen, die männliche Kinderlosigkeit zu thematisieren? | |
Es würde auffallen, dass heutzutage zwar Frauen in traditionelle | |
Männerrollen agieren und Karriere machen. Aber umgekehrt ist nichts | |
passiert. Es gibt kein positives Rollenmodell für den Hausmann. Bildlich | |
gesprochen: Frauen tragen Hosen aber Männer tragen keine Röcke. Wenn immer | |
mehr Menschen in dieser eingeschränkten Weise "männlich" leben, haben | |
weniger Menschen Interesse an Kindern. Das könnte Familienpolitik | |
auffangen, indem sie die Elternschaft beider Geschlechter stärker | |
unterstützt. | |
Es gibt die Vätermonate. | |
Zwei Monate sind schön, ändern aber nichts am grundsätzlichen Abbau des | |
Sozialstaats. Die Leute haben immer weniger feste Jobs. Kinder brauchen | |
aber Stabilität. Wenn die Politik den mobilen flexiblen Menschen haben | |
will, bekommt sie weniger Kinder. Es sind ja nicht umsonst die meisten | |
kinderlosen Männer unter den FDP-Anhängern zu finden. Diesen Zusammenhang | |
leugnet die Politik. | |
Gibt es auch ein Gefühl, dass man als Mann ja viel Zeit hat und deshalb den | |
Kinderwunsch noch weiter aufschiebt als Frauen? | |
Ja, aber das ist eine Illusion. Studien zeigen ja, dass Männer ab 45 in der | |
Regel auch nicht mehr Vater werden. Wenn die Besuch von Familien mit | |
Kindern bekommen und dann mal mit den 2-Jährigen im Garten toben, merken | |
sie, wie es im Kreuz zieht und wie anstrengend das ist. Dann denken sie | |
oft: Ach, eigentlich leben wir doch so auch ganz schön. Der Kinderwunsch | |
vergeht dann quasi. | |
Frauen wird der Kinderwunsch gesellschaftlich sehr nahe gelegt, Männern | |
eher nicht so direkt. Ist es deshalb nicht plausibel, dass Männer öfter | |
kinderlos sind als Frauen? | |
Ich glaube, dass individuelle Faktoren wichtiger sind. Die einschlägigen | |
Studien sagen: Männer mit einer glücklichen Kindheit und einer guten | |
Beziehung zum Vater, der sie geschützt hat, entwickeln öfter einen | |
Kinderwunsch. Der zweite Faktor ist, dass man Kinder im Umfeld unmittelbar | |
erlebt. Kinder werben ganz von allein für sich. | |
Wenn man nun davon ausgeht, dass die Politik nicht in der Lage ist, ein | |
Arbeitnehmerparadies zu schaffen - was könnte sie denn tun, damit Männer | |
ihre Kinderwünsche realisieren können? | |
Sie müsste sich mehr an Kindern orientieren. Also möglich machen, dass | |
Arbeit eher auch mal zu Hause stattfinden kann. Das A und O ist natürlich | |
eine gute Kinderbetreuung. Ich kann weit weg arbeiten, wenn ich weiß, mein | |
Kind ist gut betreut. Mit Betonung auf gut. In Verwahranstalten mit | |
unterbezahlten und wenig qualifizierten BetreuerInnen möchte ich mein Kind | |
nicht lassen. | |
31 Jul 2009 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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