# taz.de -- Sondermüll: Deponie stinkt Lübecker an | |
> Um künftig noch mehr Abfälle zu lagern, wird die Sondermülldeponie | |
> Ihlenberg großzügig erweitert. Die angrenzende Stadt Lübeck wusste von | |
> dem Ausbau nichts. Jetzt schlagen Umweltschützer und Politiker Alarm. | |
Bild: Dreckiges Geschäft: Die auf dem Ihlenberg gelegene Sondermülldeponie so… | |
Die umstrittene Sondermülldeponie Ihlenberg an der westmecklenburgischen | |
Grenze erhitzt erneut die Gemüter von Umweltschützern und Politikern. Sie | |
kritisieren, dass die rund 113 Hektar große Anlage um 50 Hektar erweitert | |
werden soll. Bis zu 32 Millionen Kubikmeter Müll könnten damit auf der | |
Deponiefläche gelagert werden, sagt Günter Wosnitza, Mitglied des | |
Deponie-Beirates. | |
Allerdings habe die Ihlenberger Abfallentsorgungsgesellschaft (IAG) weder | |
die angrenzende Stadt Lübeck noch die Bürgerinitiativen über die Maßnahmen | |
informiert. Erst bei einem Rundgang über das Deponiegelände vor wenigen | |
Tagen stellten der Beirat und Vertreter der Lübecker Grünen fest, dass das | |
Gelände erweitert wird. "Dafür liegt keine Genehmigung vor", sagt Wosnitza. | |
In einem Planfeststellungsverfahren hätten demnach alle Beteiligten gehört | |
werden müssen. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung liege ebenfalls nicht | |
vor. | |
Sogar die Stadt Lübeck, die auch Mitglied im Deponiebeirat ist, wurde nicht | |
in die Pläne der IAG eingeweiht. Für Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) wäre | |
dies jedoch "im Sinne einer guten Nachbarschaft" erforderlich gewesen. Das | |
Nutzbarmachen zusätzlicher Flächen durch die Deponie nennt Saxe ein | |
"klammheimliches Verfahren einer wesentlichen Erweiterung". Laut Günter | |
Wosnitza sei Lübeck vor allem über die Wasserversorgung betroffen, da im | |
Umkreis der Deponie ein Wassereinzugsgebiet der Hansestadt liege. | |
Den Vorwurf der Bürgerinitiativen, die Erweiterung des Geländes sei | |
illegal, weist das Wirtschaftsministerium in Schwerin zurück. "Die Deponie | |
tut das, womit sie beauftragt ist: sie lagert Müll", sagt | |
Ministeriumssprecher Gerd Lange. Für die Lagerung von 32 Millionen | |
Kubikmetern Müll gebe es zudem eine laufende Betriebsgenehmigung. | |
Gegenüber den Lübecker Nachrichten bestätigte Deponiechef Gerd-Jürgen | |
Bruckschen die Existenz einer Genehmigung. Bereits 1990 sei der ehemaligen | |
DDR-Deponie erlaubt worden, die Fläche nach Bedarf zu erweitern. Nun | |
müssten die Lagerflächen größer werden, damit auch in den nächsten zehn | |
Jahren Sondermüll deponiert werden könne, sagte Bruckschen. | |
Umweltschützer Günter Wosnitza bezweifelt, dass bei der Genehmigung vor 20 | |
Jahren alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Damals hieß die Anlage noch | |
Deponie Schönberg. Nur die oberirdischen Flächen seien angegeben worden. | |
"Die unterirdischen Teile wurden verschwiegen", sagt Wosnitza. | |
Von diesen Erdbecken, in denen sich zu DDR-Zeiten hoch toxisches | |
Sickerwasser ansammelte, fehle heute jede Spur. "Wahrscheinlich wurden die | |
einfach mit Müll zugeschüttet", sagt Wosnitza. Pikanterweise soll die | |
Deponie genau dort erweitert werden. Entsetzt reagierten die Grünen in | |
Mecklenburg-Vorpommern auf die Pläne der IAG und die Vorwürfe. "Sollte die | |
Deponie ohne die erforderlichen Prüfungen erweitert worden sein, muss der | |
Ausbau sofort gestoppt werden", sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete | |
Harald Terpe. Die jahrzehntelange Geheimniskrämerei der Landesregierung zur | |
Deponie Ihlenberg müsse endlich ein Ende haben. Terpe hofft, sich bei einer | |
Begehung ein Bild von der Situation machen zu können. | |
Ihlenberg könnte in den kommenden Wochen auch noch mit anderen Themen | |
Schlagzeilen machen. Zwei Krebsstudien, die Krankheitsfälle im Zusammenhang | |
mit der Deponie untersucht haben, sollen demnächst veröffentlicht werden. | |
Bereits im Juli 2008 sorgte eine Studie der Universität Greifswald für | |
Aufregung. Damals stellten die Wissenschaftler fest, dass es ein um 80 | |
Prozent erhöhtes Krebsrisiko für die Deponie-Beschäftigten gebe. Viele | |
Lübecker sprachen sich in einer anschließenden Debatte für die Schließung | |
der Anlage aus - jedoch ohne Erfolg. | |
Gegen die Vorwürfe der Bürgerinitiativen geht die IAG mittlerweile sogar | |
gerichtlich vor. In der kommenden Woche verhandelt das Landgericht Hamburg | |
öffentlich über den Vorwurf des Unternehmens, eine Initiative hätte falsche | |
Tatsachen auf ihrer Homepage verbreitet. | |
6 Aug 2009 | |
## AUTOREN | |
Uta Gensichen | |
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