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# taz.de -- Kunst der HipHopper: Rapper entdecken Malerei
> Die Superstars des Hiphop sind bekannt für ihr spielerisches Austesten
> der Märkte. Mode, Sport, Cognac - jetzt ist die Kunst dran.
Bild: Den internationalen Kunstzirkus verzückt: Rapper Pharrell Williams.
Pharrell Williams, Musiker, Produzent und Multigeschäftsmodellentwickler,
hatte sich als Joseph Beuys verkleidet. Er hatte seine Juwelen abgelegt,
die funkelnden Diamanten an den Ohren, am Hals, und sich in einen
unförmigen Mantel gehüllt. Seine stets penibel rasierten Haare verbarg er
unter einem ausgebeulten Hut. Ein beneidenswerter Anblick. Wie der
amerikanische Hiphop-Star grinsend in die Klamottenkiste des Supermarket of
Style griff und zur Art Basel den Bling-Beuys gab, strahlte eine Frechheit
aus, die sich gewaschen hatte. Der internationale Kunstzirkus war verzückt.
Hiphop und die Größenwahnsinnigsten im Musikgeschäft haben es derzeit auf
die Kunstszene abgesehen. Zumindest aber die Hitmaschinen Pharrell
Williams, Jay-Z oder Kanye West, die seit Monaten öfter bei
Ausstellungseröffnungen an Champagnergläsern nippen, als dass sie auf der
Bühne stehen und ins Mikrofon prahlen. Mit dem dauergestressten globalen
Kunst-Jetset schieben sie sich über die Art Basel, Biennalen und White
Cubes dieser Welt, immer in Begleitung geschwätziger Kunstberater oder
Galeristinnen, um mit einem der begehrten und berühmten Künstler ins
Geschäft zu kommen.
Pharrell geht inzwischen sogar noch einen Schritt weiter: Er kauft nicht
nur zeitgenössische Kunst, sondern ist gleich selbst in die Produktion
gegangen. Im Beuys-Kostüm stellte er im Juni zur Art Basel sein
Kollaborationsprojekt mit Takashi Murakami vor. Neben Jeff Koons ist der
Japaner einer der größten Fische im Kunstteich. Eine Murakami-Manga-Arbeit
im Wohnzimmer gilt als ebenso sichere Geldanlage wie ein solider Van Gogh.
"The Simple Things" entpuppt sich als ein popartiges Alien, aus Stahl,
Glasfaser und Acryl, dessen Kopf Takashi Murakami seiner Comicfigur Mr Dob
nachempfand. Pharell Williams wiederum stopft in dessen gefräßiges Maul
Konsumklassiker wie Pepsi, Cupcake, Ketchup, Doritos, Johnsons Baby Lotion,
die er mit 2.600 Edelsteinen überzieht. Williams grätscht hier unbekümmert
über die reine Konsumkultur in die Kunst hinein. Nach einer kritischen
Haltung sucht man vergebens: Seine diamantüberzogenen Produkte hat er nicht
etwa gewählt, um sich ironisch über die amerikanische, vitaminlose
Esskultur auszulassen. Nein, sagt er, man müsse die Leute daran erinnern,
"wie essenziell diese Produkte im Alltag sind, deshalb habe ich sie mit
Diamanten überzogen. Ich liebe Doritos, Pepsi und produziere regelrechte
Endorphine, wenn ich in einen Cupcake beiße."
Das Murakami-Pharrell-Objekt war innerhalb von zwanzig Minuten für 2
Millionen US-Dollar verkauft. So schnell kann selbst Großverdiener Pharrell
Williams keine Hits zu Gold machen, und dieser Akt der anthropophagen
Einverleibung muss für ihn an jenem Morgen in Basel ein wahrer Genuss
gewesen sein. Die unglaublichen Gewinnspannen des Kunstmarktes der
vergangenen Jahre haben für Williams, West und Co. unbestreitbar ihren
Reiz.
Doch vor allem geht es ihnen darum, wie gewohnt die Muskel spielen zu
lassen. Zu beweisen, dass man diese Königsdisziplin weißer Kulturproduktion
mit seinem Geld, Geschmack, Gepose und seiner bekannten Lässigkeit einfach
stürmen und einnehmen kann. Die großen Entrepreneurs des Hiphop sind
bekannt dafür, die Märkte auszutesten, in die sie eintauchen und in denen
sich ein wenig austoben, um nach ein paar Jahren weiterzuziehen: Erst das
eigene Plattenlabel, dann die eigene Modekollektion, das eigene Parfüm, die
eigenen Drinks, und nicht zu vergessen das eigene Basketballteam.
Dass Jay-Z oder Snoop Dogg mit Cognac-Firmen ins Geschäft kommen, ist ein
weiterer genussvoller Bruch mit der Tradition, in der Cognac vor allem ein
edler Belohnungstropfen für die weiße Bankerszene ist. Es geht um die
amüsante Vorstellung, die entsetzten Gesichter konservativer Bildungsbürger
zu sehen, wenn die einen Hiphop-Mogul in Baggy-Jeans vor einem prasselnden
Kaminfeuer mit geschwenktem Cognacglas sitzen sehen. Bei solchen
Aneignungen handelt es sich ja nicht nur um die bloße und plumpe Übernahme
von Statussymbolen der klassischen Oberschicht, es geht auch um deren
Umwertung.
Die Kunst des Hiphop besteht oft in seiner absoluten, grotesken
Übersteigerung aller Aussagen. Alles ist fett. Und fetter. Wir können uns
nicht nur den gleichen Lexus wie ihr leisten, wir kaufen uns gleich zehn
davon. In allen Farben und lassen außerdem noch die Sitze vergolden. Wenn
Outkast-Mitglied André 3000 seine Hornbrille trägt, dann will er nicht
aussehen wie ein Literaturdozent in Oxford, sondern wie dessen perfekte
Edelversion.
Andrés aktuelle Modekollektion, unter anderem beeinflusst von
Kulturkonservativen wie Prinz Charles und dessen Tweeds, platziert er
bewusst nicht etwa in coolen Streetwearshops. Er verkauft sie über die
gediegenen Regale des altehrwürdigen und sehr britischen Luxuskaufhaus
Harrods.
Ölmilliardäre, Carsten Höller, Tilda Swinton
Die immer komplexer und nahtloser zusammengewachsene Amüsierzone aus Mode,
Kunst und Promizirkus ist für dieses In-Superlativen-Agieren geradezu
geschaffen. Statt um Inhalte geht es vor allem um die Kombinationen von
Macht: Louis Vuitton richtet eine Ehrenschau für Murakami aus. Die Prada
Foundation lässt den Künstler Carsten Höller einen kongolesischen Club
entwickeln, für den Kanye West umgehend nach London heizt, um sich mit Kate
Moss und Tilda Swinton fotografieren zu lassen.
Verehrt und gekauft von den Hiphop-Entrepreneurs wird natürlich vor allem
alles, was in der zeitgenössischen Kunst gerade glänzt und mit den
verführerischen Abgründen der Mainstreamkultur spielt. Gemeinsam mit
sammelnden russischen und texanischen Ölmilliardären streiten sich Jay-Z,
Kanye West und Co. um Jeff Koons, John Baldessari, Damien Hirst, oder
Richard Prince. Um sehr maskuline, Post-Post-Pop-Art also, mit sehr grellen
Gesten und Oberflächen, um Fetzen aus der Konsumkultur.
Kanye West, der sich von Murakami das CD-Cover zu seiner Single "Stronger"
und die Hülle zum Album "Graduation" designen ließ, nimmt in einem seiner
aktuellen Videos, "Knock You down", statt des Mikros plötzlich den Pinsel
in die Hand und malt ein leicht bekleidetes Model im unverkennbaren
Rasterstil des großen Chuck Close.
Der Hiphopkünstler als konzentrierter, malender Impressario wäre vor zehn
Jahren in einem Video eher unvorstellbar gewesen. Eine Lachnummer. Das
Malen im Innenraum galt als Beschäftigungstherapie für gelangweilte
Bildungsbürger und verwöhnte Akademiestudenten. Farben gehörten auf die
Häuserwände und nicht auf eine grundierte Leinwand, wie sie Kanye West nun
in seinem aktuellen Video ganz selbstverständlich bemalt.
Bei West, dem notorischen Trenddieb, ist das Gebärden als Kunstprofi reines
Imagekalkül. So er sich dabei geschickt anstellt, dürfte das
Mainstream-Publikum in Zukunft glauben, er habe die zeitgenössische Kunst
in den Hiphop geholt.
Und wenn sich dann demnächst noch ein Teenager mit Glas-Brilli im Ohr
Poster von Warhol oder Baldessari ins Zimmer hängt, weil Idol Kanye West in
seinem Blog gesagt hat, er sammle Warhol und Baldessari, weil die am
coolsten seien, dann käme vielleicht sogar noch ein bisschen Aufklärung und
Bildung mit ins Spiel.
7 Aug 2009
## AUTOREN
Julia Grosse
Julia Grosse
## TAGS
HipHop
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