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# taz.de -- Neues Wahlplakat von Seyfried: Ströbele erstürmt den Finanz-Matsch
> Auch das diesjährige Plakat des Grünen-Direktkandidaten stammt von
> Comiczeichner Seyfried. Was will es uns sagen?
Ströbele sieht alt aus. Schwer gezeichnet. Kaum wiederzuerkennen nach nur
vier Jahren. Vielleicht liegt es daran, dass er diesmal nicht frontal,
sondern von der Seite portraitiert ist. Die Nase wirkt hakiger, die Falten
sind unübersehbar.
Christian Ströbele ist vor kurzem 70 geworden. Nun bewirbt er sich zum
dritten Mal um das Direktmandat im Bundestagwahlkreis
Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg (Ost). Und zum dritten Mal bringt
er einen ganz besonderer Farbtupfer in den Wahlkampf: die von Gerhard
Seyfried, dem Ahnherrn des deutschen Freakcomics gezeichneten, popbunten
Plakate.
2002 entwarf Seyfried ein erstes Heldenportrait. Ströbele holte daraufhin
nicht nur das erste Dirketmandat für die Grünen überhaupt. Auch das Plakat
wurde ein Erfolg. Es wurde vielfach geklaut und sogar verkauft. 2005
präsentierte Seyfried den Politiker als seriösen Kreuzberger auf seinem
Fahrrad, mit Biomilch auf dem Sattel. Am Freitag wurde das aktuelle Poster
vorgestellt.
Es ist eine konsequente Variation der ersten beiden Ausgaben. Ströbele
steht selbstverständlich wieder im Mittelpunkt. Diesmal erstürmt er als
kämpferische Jeanne dArc unter dem Banner "Entwaffnet die Finanzmärkte"
einen Müllhaufen aus Bankenzertifikaten, Autobahnplänen und Geldscheinen.
"Venceremos!", verkündet sein wild wehender, roter Schal. Das kann man
übertrieben dicke finden. Aber so ist das ganze Plakat. Bei jedem anderen
Politiker wäre es schlichtweg peinlich. Bei Ströbele darf man darauf
hoffen, dass er es nicht ganz ernst meint.
Zweites Element ist das bunte Wählervolk, das wie auf den Vorgängerplakaten
hinter dem Kiezhelden plaziert wurde. Auch wenn nicht ganz nachvollziehbar
ist, warum die Menge ihrem Helden ausgerechnet in diesen Misthaufen folgen
soll, ist unübersehbar, dass sie gebenüber 2005 deutlich wuchs. Immerhin
holte der Grünen-Kandidat bei der letzten Wahl 41 Prozent der Erststimmen.
Wie auf all seinen Wimmelbildern hat Seyfried auch hier ein Kaleidoskop
seiner Typen untergebracht. Der Gorilla - Ströbele unterstützt ein
Affenprojekt in Uganda - hat es zum dritten Mal aufs Poster geschafft. Eine
alte Dame im lila Kleid ist - wie Ströbele selbst - deutlich gealtert und
in der Menge etwas zurückgefallen. Klarer Aufsteiger ist der olle Karl
Marx. Beim letzten Mal stand er noch etwas ratlos in der zweiten Reihe.
Jetzt schwebt er Tee schlürfend und mit einer Zigarre auf Wolke 7 über
allem. Sind linke Männer mit zunehmenden Alter leicht entrückt?
Eindeutiger sind da die Details im Hintergrund. Die blöde Gentrification
wird genauso verspottet wie eine mögliche schwarz-grüne Koalition. Und dass
unter dem "Gegen Internet-Sperre und Vorratsdatenspeicherung"-Transparent
ausgerechnet ein Pirat hinter Ströbele herjubelt, muss als Kampfansage an
die Newcomerpartei gelesen werden, die bei der Europawahl in seinem
Wahlkreis ordentlich absahnte.
Nachdenklich stimmt am neuen Plakat eigentlich nur eins: Erstmals fehlt die
Oberbaumbrücke, das Symbol des Wahlkreises. Kündigt der 70-Jährige damit
schon seinen mittelfristigen Abgang an? Wird er in dem Modder vor ihm
versinken? Kann er wenigstens seine weiße Hose retten? Antworten wird
frühestens das nächste Plakat liefern - wenn es denn eins gibt, im Jahr
2013. Gereon Asmuth
8 Aug 2009
## AUTOREN
Gereon Asmuth
Gereon Asmuth
## TAGS
Schwerpunkt Christian Ströbele
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