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# taz.de -- CDU und SPD streiten über den Strafvollzug: Busemann schließt kle…
> Zehn Gefängnissen in Niedersachsen droht das Aus - das spare Geld und
> verbessere die Haftbedingungen, sagt der CDU-Justizminister. Die SPD
> sieht darin die Vorarbeiten zur Privatisierung.
Bild: Vier Quadratmeter pro Mann: Zelle in der Justizvollzugsanstalt Hannover.
Das Städtchen Königslutter ist stolz auf seinen Kaiserdom, das
Duckstein-Bier und die tadellos geführte Justizvollzugsanstalt. Das
schmucke Gebäude war einst ein Schloss, dann Gericht; jetzt beherbergt es
33 Gefangene im offenen Vollzug. Doch der JVA droht die Schließung, wie
neun weiteren Anstalten im Land.
Das Gefängnissterben ist der "notwendigen Neuordnung des Justizvollzugs"
geschuldet, wie Justizminister Berd Busemann (CDU) sagt. Die Opposition
nennt es "Irrsinn" und eine "vorgeschobene Rechtfertigung", um in
Bremervörde Niedersachsens ersten Private-Partnership-Knast aus dem Boden
zu stampfen - ein Beton-Monstrum für 300 Gefangene. Kosten: 270 Millionen
Euro.
Letztlich rechne sich das in jeder Beziehung, erläutert
Justiz-Pressesprecher Georg Weßling. "Wir sparen Bau- und Personalkosten,
bauen im offenen Vollzug Überkapazitäten ab, verbessern Sicherheit und
Haftbedingungen." Die kleinen JVAs hätten oft keine Therapieplätze, kein
Freizeitangebot, keine Ausbildungs- und Arbeitsstätten - und allesamt hohen
Sanierungsbedarf. Der belaufe sich "allein in Königslutter auf 170.000
Euro".
Das wiederum ist erstaunlich, wurde die JVA doch erst 2007 für 385.000 Euro
in Schuss gebracht. Das Gefängnis sei "in einem Topzustand", sagt Marco
Brunotte, justizpolitischer Sprecher der SPD im Landtag. Er hat die Anstalt
im Februar besichtigt, zusammen mit Dieter Münzebrock, Leiter der JVA
Wolfenbüttel, dem die Außenstelle Königslutter untersteht.
Auch Münzebrock kann die Argumentation des Ministeriums nicht
nachvollziehen. Alle Freigänger verfügten über einen Arbeitsplatz,
Freizeit, und Sport werde von ihnen selbst organisiert. "Meine Leute
arbeiten hier gut, einschließlich der Suchtberatung. Ich sehe keinen Grund
für eine Schließung", sagt er.
Den sucht man auch in anderen bedrohten JVAs vergeblich. Zum Beispiel in
Holzminden, wo der Stadtrat den Erhalt der immer wieder modernisierten
Anstalt gefordert hat. Oder in Osnabrück: Die offene Vollzugsabteilung
wurde vor zwei Jahren für 50.000 Euro aufgemöbelt - in Gemeinschaftsarbeit
von Insassen und Bediensteten. Der Direktor ist "besonders stolz" auf die
"100 Prozent Beschäftigung bei unseren Inhaftierten."
Wer marode Gefängnisse sehen will, muss nicht in die Provinz, sondern in
die JVA Hannover fahren. Dort hatten vergangene Woche 60 Häftlinge
rebelliert. Ein Tross Landtagsabgeordneter, der sich ein Bild der Lage
verschaffte, war entsetzt über bröckelnden Putz, wuchernden Schimmel,
Wassereinbrüche, zerbrochene Möbel und zu wenig Personal. Insgesamt ein
"erbärmlicher Zustand" resümierten die MdLs einschließlich der
CDU-Vertreter. Minister Busemann hatte von all dem nichts bemerkt, als er
kurz zuvor telegen in einem sanierten Gebäudeteil der JVA nächtigte.
Weshalb ihm die Opposition generell eine "verzerrte Wahrnehmung" attestiert
- vor allem, was den Umbau der Vollzugslandschaft angeht. SPD-Mann Brunotte
hält Busemanns hehre Sorge um verbesserte Standards, mehr Sicherheit,
straffere Strukturen und Spareffekte für Augenwischerei. Dass bedeute nur
"realitätsfremde Zentralisierung" und wie das Projekt Bremervörde zeige,
"den Einstieg in eine privatwirtschaftlich betriebene Gefängnislandschaft".
Unterstützt wird Brunotte dabei vom Bund der Strafvollzugsbeamten
Deutschlands (BSBD). Der Vorsitzende Anton Bachl kritisierte Bremervörde
als "vollzuglichen Irrweg" und verwies auf die JVA Hünefeld in Hessen. Dort
arbeiten 120 Angestellte der Firma Seco im Service, aber goldene
Verheißungen wie geringere Kosten oder weniger Ärger seien bis jetzt "nicht
eingetreten".
9 Aug 2009
## AUTOREN
Michael Quasthoff
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Nicht nur, dass vorausschauende Planung anders aussieht: Schwer wiegt der
Verdacht, Niedersachsen könnte seine Gefängnisse demnächst
privatwirtschaftlich betreiben wollen.
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