# taz.de -- Notrufnummer 110: Tod in der Warteschleife | |
> Seit neuestem hat die Polizei ein Band laufen, wenn die 110 überlastet | |
> ist. Die Gewerkschaft klagt, zu viele Anrufer würden zu lange in der | |
> Warteschleife hängen. | |
Bild: Bandansage statt Hilfe - keine Lösung für den Notruf | |
Schon mal die Polizei angerufen und keiner ging ran? Vor einigen Tagen | |
beobachtete Daniel H. wie zwei Drogendealer vor seinem Haus in der | |
Wissmannstraße in Neukölln miteinander Geschäfte machten. Er wählte die | |
Notrufnummer 110. Nach dem dritten Klingelton sprang ein Band an: "Bitte | |
warten! Polizeinotruf Berlin. Zur Zeit sind alle Notrufleitungen belegt, | |
bitte legen Sie nicht auf!" Als nach drei Minuten immer noch kein | |
Mitarbeiter der Notrufzentrale seinen Anruf entgegen nahm, legte Daniel H. | |
auf. Die Drogengeschäfte vor seinen Haus gingen weiter. | |
Ob so etwas häufiger vorkommt, ist umstritten. "Eine minutenlange Wartezeit | |
an normalen Tagen ist ein Einzelfall", sagt Thomas Böttcher, Leiter der | |
Berliner Funkbetriebszentrale. Sieben Sekunden soll es nach Aussage der | |
Polizei durchschnittlich dauern, bis ein Notruf entgegengenommen wird. Eine | |
Wartezeit von mehreren Minuten gebe es vor allem bei traditionellen | |
Spitzenbelastungen wie Sylvester. "Lange Wartezeiten bei der Notrufnummer | |
110 sind kein Einzelfall", behauptet dagegen Eberhard Schönbeck von der | |
Gewerkschaft der Polizei. Sein Argument: "Wenn das nur ein Mal am Tag | |
vorkäme, hätte man die Bandansage erst gar nicht eingerichtet." | |
Die Ansage ist seit 15. Juli zu hören. Mit der Neuerung will die Polizei | |
laut eigener Aussage verhindern, dass Hilfesuchende bei längeren | |
Wartezeiten auflegen, weil sie denken, ihr Anruf würde nicht bearbeitet. | |
Ursache für die Wartezeiten ist nach Ansicht des Gewerkschaftlers die | |
mangelhafte Besetzung der Notrufzentrale. Durchschnittlich 3.679 Anrufe | |
erreichen diese täglich. In der Regel sind sieben Arbeitsplätze fest | |
besetzt. In München dagegen bearbeiten acht Beamte etwa 1.644 Anrufe | |
täglich. "Das in der Notrufzentrale eingesetzte Personal ist jederzeit | |
ausreichend", behauptet dennoch die Pressestelle der Polizei. Einen Grund | |
zur Ausweitung des Personals sieht man nicht. | |
Genau das fordert Björn Jotzo von der FDP. "Eine minutenlange Wartezeit | |
beim Notruf ist inakzeptabel", sagte Jotzo der taz. Dies, so der | |
innenpolitische Sprecher der FDP, gelte auch für die Notrufnummer 112. | |
Bereits vor zwei Jahren hatte die FDP auf zu lange Wartezeiten bei der | |
Notrufnummer der Feuerwehr aufmerksam gemacht und im Abgeordnetenhaus einen | |
Antrag auf Optimierung gestellt. Der Höchstwert lag damals bei 14 Minuten | |
Warteschleife. Der Antrag wurde abgelehnt. | |
Inwiefern sich die Situation heute gebessert hat, lässt sich nicht genau | |
ermitteln. Auf taz-Anfrage bei der Feuerwehr Berlin, teilte diese mit, dass | |
es durchschnittlich zehn Sekunden dauern würde, bis ein Notruf entgegen | |
genommen wird. Ein Höchstwert, so die Berliner Feuerwehr, "ließ sich in der | |
Kürze der Zeit leider nicht ermitteln". Jeden Dienstag wird das | |
computergestützte Notrufsystem der Feuerwehr abgeschaltet, um die Software | |
zu aktualisieren und einen Totalausfall aller Systeme zu üben. Dadurch | |
allerdings verlängert sich laut Gewerkschaft an diesem Tag regelmäßig die | |
Wartezeiten. | |
Die Arbeitnehmervertreter der Polizei fassten diesen Missstand kürzlich | |
unter dem Motto "Dienstag ist ein guter Tag zum Sterben" zusammen. | |
Insgesamt beurteilt Gewerkschaftssprecher Schönbeck die Situation bei den | |
Notrufzentralen Berlins wie folgt: "Notrufe müssen so schnell wie möglich | |
abgearbeitet werden. Das passiert in Berlin nicht." | |
10 Aug 2009 | |
## AUTOREN | |
Nadine Ahr | |
## TAGS | |
Polizei Berlin | |
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