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# taz.de -- Kino-Kriegsfilm: Der Tod ist ständiger Begleiter
> Der Thriller "Tödliches Kommando" von Kathryn Bigelow begleitet
> Bombenentschärfer im Irak. Eine Geschichte nach wahren Begebenheiten.
Bild: Die Soldaten in "Tödliches Kommando" müssen Sprengsätze entschärfen.
Hinter einem Schreibtisch sieht die Welt unkompliziert aus. "Krieg ist eine
einzigartige Erfahrung", erklärt der Militärpsychologe einem jungen
Rekruten. "Das hier muss keine schlechte Zeit für dich sein." Die Realität
des Schlachtfeldes spricht eine andere Sprache. Kathryn Bigelows Irak-Film
"Tödliches Kommando" hält der offiziellen Version vom Krieg als
existenzielle Erfahrung die Unübersichtlichkeit des Gefechts entgegen.
Jeder Krieg verfügt über seine Spezifika: Seine Räumlichkeit bestimmt die
Strategie, die Technologie die Art des Feindkontakts. Das Genre des
Kriegsfilms neigt hingegen zu einer universaleren Perspektive.
Der Kriegsfilm rückt die Soldatenerfahrung in den Mittelpunkt, oftmals ohne
sie in einen räumlichen Bezug zu setzen. Action-Regisseurin Bigelow hatte
stets ein waches Auge für die Arithmetik des Kinos - das Verhältnis von
Körper, Bewegung und Raum. So sicher beherrscht sie die Grundprinzipien des
Action-orienterten Erzählens, dass ihre Art des Filmemachens im Zuge der
fortschreitenden Digitalisierung des Mediums obsolet zu werden drohte.
"Tödliches Kommando" zeigt jetzt, dass Bigelow in den vergangenen sieben
Jahren nichts verlernt hat. Die Kriege jedoch werden inzwischen anders
geführt.
"Tödliches Kommando" verfolgt die Bravo-Einheit während ihrer verbleibenden
38 Tage im Irak. Die Einheit hat den gefährlichsten Job im Militär: das
Entschärfen von selbstgebastelten Sprengsätzen, die irakische Aufständische
am Straßenrand deponiert haben. Knapp die Hälfte aller getöteten
amerikanischen Soldaten sind solchen Bomben zum Opfer gefallen. Eine Arbeit
für Todeskünstler und Adrenalinjunkies - Soldaten wie Seargant Will James,
der gerade neu zum Team gestoßen ist. Seine Ankunft sorgt für Unruhe, weil
er die Einheit durch riskante Alleingänge wiederholt in Gefahr bringt. Für
James ist der Krieg ein ständiger Kick, während seine Partner Eldridge und
Sanborn die Tage bis zu ihrer Rückkehr zählen. Was sie dort erwartet, lässt
Bigelow offen.
Die Familie ist die große Leerstelle in "Tödliches Kommando"; die Einheit
hat diesen Platz komplett eingenommen. Von James erfährt man nur, dass er
zuhause eine Frau und ein Kind hat. Doch wer einmal in einer "Beziehung"
gelebt hat, in der, bei allen persönlichen Differenzen, blindes Vertrauen
buchstäblich über Leben und Tod entscheidet, sieht das zivile Leben
plötzlich in einem anderen Licht. Bigelow beschreibt diese
zwischenmenschliche Dynamik sehr genau.
In seiner losen Struktur weist "Tödliches Kommando" starke Ähnlichkeiten
mit den Arbeiten Frederick Wisemans auf (der die Institution Militär selbst
zweimal dokumentierte). Bigelow tut nicht mehr, als die Männer bei ihrer
Arbeit zu beobachten - und sagt damit auch viel über die Natur moderner
Kriege.
Diese Distanz ermöglicht ihr eine Perspektive, die sich einerseits
politisch nicht vereinnahmen lässt und andererseits den Irrsinn des Krieges
bis in seine kleinsten Funktionseinheiten offenlegt. Einmal beschwert sich
Eldridge bei einer Patrouillenfahrt über den teuren Panzerfuhrpark des
Militärs, der seit Monaten herumsteht. Aber Panzer spielen im Kampf gegen
die Aufständischen keine Rolle mehr.
Der Krieg erstarrt in einer Abfolge von Routinen: Straßenkontrollen,
Bombenentschärfung, Kontakt mit der Zivilbevölkerung, zu deren Hilfe man
ursprünglich entsendet worden war. Ein konkretes Feinbild gibt es nicht;
jeder Iraker könnte ein Feind sein. Ihre freundlichen Gesten werden von den
Soldaten stets misstrauisch beäugt. Hier vor Ort werden die Fehler der
Politik erst evident. Bigelow verliert darüber keine großen Worte,
abgesehen von vereinzelten Kommentaren der Soldaten. Die Probleme liegen
auf der Hand.
Will James ist ein Produkt dieses Krieges; gleichzeitig benötigt der Krieg
Soldaten wie ihn. Bigelow führt in "Tödliches Kommando" eine ganze
Typologie von männlichen Kriegern vor. Ihr Faible für deren Energien zeigt
sich in den Beobachtungen von James: Wenn er in seinem gepanzerten
Schutzanzug die leeren Straßen Bagdads heruntermarschiert, hat er etwas
Martialisches. Beim Entschärfen wird er, von Bigelows fiebriger Kamera
fetischisiert, dann zu einem Chirurgen, nervenstark, präzise.
Krieg ist eine Droge, mit diesem Zitat des amerikanischen Journalisten
Chris Hedges eröffnet "Tödliches Kommando". Hierin liegt auch die Tragik
von Will James: Die einzige existenzielle Erfahrung des Krieges ist seine
tödliche Monotonie. 877 Sprengsätze hat James im Einsatz entschärft, jeder
hätte sein letzter sein können. Wenn er am Ende wieder in den Schutzanzug
steigt und der Countdown seiner Einsatztage erneut bei 365 einsetzt, wird
klar, dass es für ihn keine Rückkehr gibt.
12 Aug 2009
## AUTOREN
Andreas Busche
## TAGS
Jüdisches Museum Berlin
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