# taz.de -- Human Rights Watch zum Mord an Sadulajewa: "Wir dachten, es gäbe e… | |
> Die internationale Staatengemeinschaft verhält sich zu passiv, sagt Tanja | |
> Lokschina von Human Rights Watch. Diese Ignoranz habe auch dem Mord an | |
> Sarema Sadulajewa Vorschub geleistet. | |
Bild: Natascha Estemirowa wird in Grosny noch betrauert, da wird schon die näc… | |
taz: Frau Lokschina, wie war Ihre erste Reaktion, als Sie von dem Mord an | |
der tschetschenischen Menschenrechtsaktivistin Sarema Sadulajewa und ihrem | |
Mann erfahren haben? | |
Tanja Lokschina: Das klingt jetzt vielleicht sehr zynisch, aber nach dem | |
Mord an Natascha Estemirowa haben wir alle gedacht, dass es eine Pause | |
geben würde. Was jetzt passiert ist, hat alle in einen Schockzustand | |
versetzt. | |
Sehen Sie eine Verbindung zwischen den Morden der letzten Zeit? | |
Alle haben im Menschenrechtsbereich gearbeitet, sie haben hunderten | |
Menschen geholfen und waren dementsprechend bekannt. Das wird in | |
Tschetschenien von offizieller Seite nicht akzeptiert. | |
Anders als Natascha Estemirowa hat Sarema Sadulajewa mit Kindern im | |
humanitären Bereich gearbeitet. Warum wurde sie Opfer eines Anschlags und | |
wer steht Ihrer Meinung nach dahinter? | |
Diese Fragen werden wir der russischen Generalstaatsanwaltschaft stellen: | |
Wer steht dahinter und warum wurden die beiden umgebracht. Darauf verlangen | |
wir Antworten. Klar ist eins: Das Risiko für Menschenrechtler, in | |
Tschetschenien zu arbeiten, ist untragbar geworden. Die Situation dort ist | |
vollkommen außer Kontrolle geraten. Solange die Morde an Estemirowa und | |
Sadulajewa und ihrem Mann nicht aufgeklärt und die Täter nicht bestraft | |
sind, können Menschenrechtler in der Region nicht normal arbeiten. | |
Vor wenigen Tagen hat Alexander Tscherkassow, Kaukasusexperte der | |
russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, angekündigt, das Büro in | |
Tschetschenien vorerst nicht wieder zu öffnen. Ist diese Entscheidung | |
richtig? | |
Wenn die Organisation nicht in der Lage ist, die Sicherheit ihrer | |
Mitarbeiter zu garantieren, dann hat die Leitung keine andere Wahl. Für | |
uns, die wir über diese Region arbeiten, ist das natürlich ein herber | |
Schlag. Memorial war unsere wichtigste Informationsquelle. Doch nach dem | |
Mord an Estemirowa konnte die Leitung von Memorial gar nicht anders | |
entscheiden. | |
Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang das Verhalten des Westens? | |
Die Morde der jüngsten Zeit wurden auch durch die totale Passivität der | |
internationalen Staatengemeinschaft möglich. Vor allen diesen Verbrechen, | |
sowohl in Tschetschenien selbst als auch in der Region, haben die Partner | |
Russlands immer die Augen verschlossen. Besonders diese Ignoranz hat mit | |
dazu beigetragen, dass sich die Situation so negativ entwickelt hat. | |
Wie soll der Westen auftreten? | |
Die Situation in Tschetschenien und im gesamten Nordkaukasus muss klar und | |
deutlich angesprochen, die Verbrechen müssen beim Namen genannt werden. Und | |
es sollten ganz klare Forderungen formuliert werden: Zuallererst muss es | |
reale, konkrete und effektive Ermittlungen geben, außerdem dürfen die | |
Mörder nicht straffrei ausgehen. | |
INTERVIEW: BARBARA OERTEL | |
12 Aug 2009 | |
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Sarema Sadulajewa arbeitete für die rein humanitäre Organisation "Retten | |
wir die Generation". Auch ihr Vorgänger wurde bei einer sogenannten | |
Säuberungsaktion ermordet. |