# taz.de -- Kinofilm "Hunger" von Steve McQueen: Scheiße an den Wänden | |
> "Hunger" von Steve McQueen konzentriert sich auf das konkrete | |
> Streikszenario im nordirischen Maze-Gefängnis. Der Regisseur schaut dabei | |
> frappierend genau auf die Körper der Protagonisten. | |
Bild: 17 Minuten dauert diese Einstellung, in der Bobby Sands (Michael Fassbend… | |
"Hunger" spielt im nordirischen Maze-Gefängnis zu Beginn der 80er-Jahre. | |
Die inhaftierten IRA-Mitglieder streiten mit drastischen Mitteln darum, als | |
politische Gefangene anerkannt zu werden. Sie weigern sich, | |
Gefängniskleidung zu tragen, sie schmieren ihre Exkremente an die Wände | |
ihrer Zellen, und als die britische Regierung hart bleibt, beginnen sie | |
einen Hungerstreik, an dessen Ende zehn Männer tot sind. Das erste Opfer | |
ist Bobby Sands. | |
Steve McQueens Kunstwollen tritt in "Hunger" nicht hinter die Erzählung | |
zurück. Im Gegenteil, der Regisseur tilgt fast allen Plot, fast alle | |
Psychologie und auch die historisch-politischen Eckdaten. Die ideologischen | |
Positionen treten so in den Hintergrund zugunsten eines scharfen, | |
hyperrealistischen Blicks auf das, was die Wärter und die Häftlinge | |
einander antun. | |
McQueen schaut frappierend genau auf die Körper und darauf, wie sie | |
reagieren, wenn sie zuschlagen oder wenn sie geschlagen werden. Er schaut | |
auf die Scheiße an den Wänden der Zellen, auf die Maden rund um die Hand | |
eines Schlafenden, auf die blutigen Fingerknöchel des englischen | |
Vollzugsbeamten, auf den Urin am Boden der Korridore, aber auch auf eine | |
Schneeflocke, die vom Himmel fällt, während der Beamte sich eine | |
Zigarettenpause gönnt. Wenn "Hunger" manchmal etwas Manieristisches hat, so | |
wird dies durch die Konkretion des Kamerablicks und durch die Einsichten, | |
die daraus folgen, aufgefangen. | |
In einer ungewöhnlich langen Plansequenz sprechen ein Priester und Bobby | |
Sands miteinander; die erste Einstellung dieses Gesprächs bleibt | |
außergewöhnlich lange ohne Schnitt; man begreift in diesen 17 Minuten, dass | |
hier zwei unversöhnliche Prinzipien miteinander ringen und was das kostet. | |
In einer anderen Szene nehmen die Häftlinge am Besuchstag Schmuggelgut in | |
Empfang. Die Kamera ist unter einem Tisch und beobachtet, wie eine junge | |
Frau etwas aus ihrer Vagina fischt. Ihr Freund greift danach und führt es | |
in seinen Anus ein. Die junge Frau schmunzelt verhalten über diesen | |
Austausch, der ersetzt und erweitert, was an einem anderen Ort der Sex der | |
beiden wäre. | |
"Hunger". Regie: Steve McQueen. Mit Michael Fassbender, Liam Cunningham u. | |
a., Großbritannien/Irland 2008, 91 Min. | |
12 Aug 2009 | |
## AUTOREN | |
Christina Nord | |
## TAGS | |
Nordirland | |
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