# taz.de -- Bionade, die Diskurs-Brause: Mit Bedeutung versetzte Limonade | |
> Es ist verdammt schwer, in Bionade einfach nur das zu sehen, was sie ist: | |
> ein gesundes Erfrischungsgetränk. Stattdessen pilgert nun sogar | |
> Frank-Walter Steinmeier zur Biolimofabrik in der Rhön. | |
Bild: Frank-Walter Steinmeiers neue Autogrammkarte: eine Bionade-Flasche mit bl… | |
Psychologen kennen den „Doublebind“-Effekt: Eine Person strahlt | |
widersprüchliche Botschaften aus. Der Empfänger weiß nicht, welcher der | |
Botschaften er glauben soll – und ist verwirrt. Frauen treiben mit | |
„Doublebind“ das andere Geschlecht in den Wahnsinn: Knallrot geschminkte | |
Lippen beispielsweise, getragen von selbstbewussten Frauen, lösen bei | |
Männern Lust aus – und zugleich Angst, abgewiesen zu werden. Der Mann ist | |
verstört. Ein bisschen so ist es auch mit Bionade: Die ist gesund und | |
schmeckt gut, deshalb will man sie haben. Aber gleichzeitig hat man keine | |
Lust, das ganze Drumherum, den ganzen Bionade-Biedermeier-Quatsch, | |
mitzukaufen. | |
Dabei hatte alles einmal so einfach angefangen. Der Brauereimeister einer | |
maroden Brauerei träumt von „Fanta ohne Chemie“, forscht acht Jahre lang �… | |
und entdeckt eine Methode, aus Wasser und Malz Limonade zu brauen. Über | |
Umwege geraten die Flaschen in Werber- und Journalistenhände. Der „Hard to | |
get“-Faktor steigert die Begehrlichkeit, Bionade wird zum Untergrundstar. | |
In fünf Jahren verhundertfachen sich die Verkaufszahlen, die Brauerei ist | |
mehr als gerettet. Dabei hatten sie eigentlich gar kein Szenegetränk | |
schaffen wollen, sagt Geschäftsführer Peter Kowalsky. Sondern einfach eine | |
gesunde Limo für alle. Und die wird zum Symbol des neuen, reinen, grünen | |
Gewissens; Biobauern aus der Region bauen Bioholunder an, man bezieht | |
Ökostrom, unterstützt das Biosphärenreservat Rhön und 24 andere Projekte. | |
Doch die Stimmung kippt, spätestens nachdem das Zeitmagazin den Lebensstil | |
des gentrifizierten Berliner Stadtteils Prenzlauer Berg im Herbst 2007 als | |
„Bionade-Biedermeier“ bezeichnet. Im Social Network Facebook ist das Symbol | |
für den Prenzlauer Berg im Test „Welcher Berliner Bezirk bist du?“ eine | |
Bionade-Flasche. Seitdem würde man Bionade gern flüsternd bestellen, die | |
Flasche in eine braune Papiertüte hüllen. | |
Dafür kann die Brause natürlich nichts. Auslöser der Häme sind anbiedernde | |
Werbestrategien („Das offizielle Getränk einer besseren Welt“ – „Jede | |
Revolution beginnt mit einem leichten Prickeln“) und eine radikale | |
Preispolitik. Im Juli vergangenen Jahres hatte Bionade als Reaktion auf | |
Nachahmerbrausen den Preis der 0,33-Liter-Flasche um 20 Cent auf 79 Cent | |
angehoben. „Wir sind der Meinung, dass Bionade das wert sein muss“, hatte | |
Kowalsky damals gesagt. | |
Mit der Preiserhöhung wolle man sich von Nachahmern abheben. Doch der Plan | |
geht nicht auf: Der Absatz von Bionade soll sich nahezu halbiert haben, | |
sagen Marktkenner. In Umfragen beschreiben Stammkäufer den Aufschlag als | |
unverhältnismäßig und raffgierig. | |
„Bionade hat die Akzeptanz der Verbraucher verloren“, sagt Günter Birnbaum | |
vom Nürnberger Marktforschungsinstitut GfK. In der vergangenen Woche | |
berichtete schließlich die Wirtschaftswoche von Gerüchten über eine | |
Millionenbeteiligung der ehemaligen Eigentümer des Arzneimittelherstellers | |
Hexal. Ende Juli meldete die Lebensmittelzeitung, 51 Prozent der | |
Bionadeanteile stünden zum Verkauf. Interessenten seien möglicherweise die | |
Krombacher Brauerei, Pepsi und der Coca-Cola-Konzern. Dessen früheres | |
Übernahmeangebot hatte die Familie abgelehnt. Der Geschäftsführer | |
dementiert die Gerüchte: Sich von Bionade zu trennen, „käme einem Verkauf | |
der Seele des Unternehmens gleich“. | |
Dabei sind die Anteile, um die es geht, gar nicht im Besitz der Familie. | |
Sie gehören dem Getränkehersteller RhönSprudel, der ebenfalls dementiert. | |
Würde RhönSprudel verkaufen, wäre die junge Wirtschaftskoalition zwischen | |
hessischer und bayerischer Rhön Geschichte. Der Verkauf an Coca-Cola gliche | |
einem Verrat – wie Bowies „Heroes“ im Werbespot eines | |
Telekommunikationsriesen. | |
Doch nun, nachdem der Zug der Diskursbrause abgefahren ist, beginnt das | |
Bionadepilgern der Politiker. Vor der Europawahl besuchte die | |
Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) den Standort. Die Brause | |
sei ein „Glücksfall für die Region“, sagt Kastner, ein Beweis, dass auch … | |
ländlichen Bereich weltweit erfolgreich operierende Unternehmen entstehen | |
könnten. Erfolgreich für sie war das nicht: 9,74 Prozent erreichte die SPD | |
bei der Europawahl in Rhön-Grabfeld. | |
Anfang August kam SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier – um die Limo | |
für seinen Deutschlandplan zu instrumentalisieren. Irgendwie muss das ja | |
klappen mit den vier Millionen neuen Arbeitsplätzen bis 2020. In Bionade | |
sieht Steinmeier ein Vorbild, ein Unternehmen, das beharrlich an seinem | |
Ziel festhält: „Innovative Unternehmen, wie wir sie in Deutschland | |
brauchen.“ Vielleicht hat er die Wirtschaftsmeldungen nicht so genau | |
verfolgt, die Bionade wurde im Diskurs längst verschoben – an ihm vorbei. | |
„Holunder, meine rote Bionade“, schwärmt Steinmeier, „ist Kult, der glob… | |
Erfolg einer regionalen Idee.“ | |
Von der Bionadisierung der Welt zur Politisierung der Brause. Dabei | |
verbirgt sich hinter dem Wahnsinn schlicht: Durst, plopp, lecker. | |
14 Aug 2009 | |
## AUTOREN | |
Jana Petersen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Brause-Unternehmen geschluckt: Dr. Oetker kauft Bionade | |
Der Lebensmittelmulti Oetker-Gruppe hat die Mehrheit am | |
Bio-Brause-Hersteller Bionade gekauft und ebnet den Weg zur | |
Internationalisierung der Marke. Gutes Image adé? |