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# taz.de -- Berliner Präparator für Tarantino-Film: Im Reich der platzenden T…
> Der Berliner Präparator Ingo Kopmann hat für Regisseur Quentin Tarantino
> ganz spezielle Tauben gebastelt. In dem jetzt anlaufenden Film
> "Inglourious Basterds" fliegen sie Daniel Brühl und Kollegen kunstvoll um
> die Ohren.
Bild: In einer Szene des Films 'Inglourious Basterds' befehligt Lt. Aldo Raine …
Der kleine, unscheinbare Laden liegt in einer Seitenstraße in
Charlottenburg. Ein verstaubter Dachs drückt seine graue Nase an die matte
Fensterscheibe, einige Wiesel liegen lieblos umher, ein in die Jahre
gekommener Wolf wartet auf seine Besitzer. An den Wänden hängen fette
Fische, die aussehen wie vom Sperrmüll des Naturkundemuseums. In der Tat
deutet nichts darauf hin, dass man gerade die Werkstatt des zweifachen
Vize-Europameisters der Tierpräparatoren betreten hat.
Prunk und Protz liegen Ingo Kopmann fern. Graues T-Shirt, Jeans, Berliner
Schnauze. So fühlt der 50-Jährige sich wohl. Im Chaos seiner winzigen,
liebevoll schmuddeligen Werkstatt, die Regale gefüllt mit allerlei
Heimwerkerbedarf, Farbdosen, Kaisernatron und Waschbenzin. Mitten im Raum
surrt leise eine riesige alte Tiefkühltruhe - eine von insgesamt sieben.
Sie ist vollgestopft mit Papageien, Tauben, Katzen, Waschbären. Auch ein
130 Kilo schwerer Keiler ist darunter: "Ohne Knochen, nur Kopf und Fell.
Ordentlich gefaltet passt der inne Plastiktüte." Behände leert Kopmann eine
Tüte aus, zwei tiefgefrorene asiatische Wickelbären poltern mit spastisch
verdrehten Läufen auf die hölzernen Fußbodendielen: "Bis morgen sind die
aufgetaut, dann kann ich sie präparieren."
Kopmann kauft verendete Tiere von Zoos, Jägern, Züchtern und Privatleuten
an. Auf Vorrat. Man weiß ja nie, was als Nächstes gebraucht wird - für
einen Film, Werbung oder als Deko. "Beim Film sind Hunde und Katzen
besonders beliebt", sagt Kopmann. "Erschossen, erhängt, plattgefahren oder
ohne Kopf. Alles kein Problem. Kriegen wir hin." Bei Tarantinos
Spezialwunsch musste der Präparator allerdings schon ein bisschen tüfteln:
"Er wollte eben Tauben, die er in die Luft sprengen kann und wo nur Federn
rausfliegen." Knifflig war das wegen der "Statik": Normalerweise halten
Skelett und ausgehärteter PU-Schaum die Form der präparierten Dummys.
Beides verwandelt sich bei einer Sprengung jedoch in zig Mini-Projektile.
Nicht unbedingt angenehm für die umstehenden Schauspieler. In diesem Falle
Daniel Brühl, der als Scharfschützenkönig Frederik Zoller aus einem Turm
heraus französische Soldaten niederballert.
Doch der Berliner Präparator nahm die Herausforderung an. Er bastelte ein
festes Innenleben aus Federn, Wolle und Garn, zog das graue
Taubenmäntelchen drüber, mit Nadel und Zwirn zunähen und kleine Öffnung für
die Sprengladung lassen. Fertig. Acht Exemplare hatte Tarantino geordert:
erst fünf, dann noch mal drei. "Die wurden am Set bei wechselnden
Kameraeinstellungen gesprengt", erzählt Kopmann - unter den gestrengen
Profiaugen Tarantinos.
Der Berliner Präparator hat schon mit vielen Großen der Filmbranche
zusammengearbeitet. Er zählt die Namen eher beiläufig auf: Rainer Werner
Fassbinder, Roman Polanski, Jean-Jacques Annaud, Bryan Singer, Leander
Haußmann und jetzt eben Tarantino. "Das Schöne bei denen ist, dass die
einfach ihre Arbeit verdammt professionell machen. Die sagen mir ganz
exakt, was sie sich vorstellen, und fragen mich dann, inwieweit das mit
Dummys realisierbar ist." Kopmann schätzt den gegenseitigen Respekt, die
Wertschätzung für die Arbeit des anderen. Bei kleineren Fernsehproduktionen
hat er schon manchen Regisseur erlebt, der sich wie ein Möchtegern-Gott
aufführte und Tobsuchtsanfälle bekam, wenn der Präparator ihm sagte, dass
etwas schlicht nicht umsetzbar sei.
Am liebsten arbeitet Kopmann für amerikanische Produktionen, die in letzter
Zeit recht häufig zu Drehs in die Babelsberger Studios nach Potsdam kamen,
etwa auch Bryan Singer mit "Operation Walküre", die Stauffenberg-Verfilmung
mit Tom Cruise in der Hauptrolle. Zwei Dinge sind es, die Kopmann an den
Amerikanern mag: "Erstens: Geld spielt überhaupt keine Rolle. Im Gegensatz
zu deutschen Produktionen, wo auf jeden Pfennig geguckt wird." Die acht
Tauben haben Tarantino gut tausend Euro gekostet. Peanuts. Aber bei einer
deutschen Produktion wäre die Szene wahrscheinlich nur mit zwei, drei
Taubenversuchen gedreht worden - zumal, wenn es sich um ein Detail am Rande
handelt.
Und das ist eben das Zweite, das Kopmann an amerikanischen Regisseuren
schätzt: "Die haben so eine Liebe zum Detail. Wenn ich zum Beispiel ein
angeschossenes Tier präpariere, dann wird beim Dreh gern mal ein Close-Up
von der Wunde gemacht, also voll drauf." Da mache das Präparieren natürlich
besonders Spaß, weil man sich ein bisschen mehr austoben könne und das
kunstvoll-blutig Gestaltete, die reingesteckte Arbeit im Bild später dann
auch richtig gewürdigt werde.
Denn das, was Kopmann und sein Kollege in mühevoller Kleinarbeit fertigen,
ist mitunter nur für einen Augenblick im Film zu sehen. Tagelang haben sie
etwa einen kapitalen Dammhirsch für Urs Eggers Fernsehfilm "An der Grenze"
präpariert. Er sollte in einer Selbstschussanlage der DDR verenden,
durchsiebt von Kugeln, aus zig Löchern blutend, plus blutiger Schaum aus
den Nüstern. Im Film war das Tier am Ende eine Sekunde und dann noch mal
eine halbe zu sehen. "Aber sah gut aus", sagt Ingo Kopmann und grinst dabei
zufrieden.
Ähnlich das Schicksal der Tarantino-Taube. Ihr Auftritt ist im Film-Film,
in dem Goebbelsschen Propagandastreifen, der am Ende beim großen Showdown
in Shoshanna Dreyfus (Melanie Laurent) Kino über die Leinwand flackert.
Eine Rolle, so klein, dass sich selbst die Leute von Universal Pictures
Germany am Ende dann nicht mehr erinnern daran konnten, ob die Taube den
Umschnitt, den Tarantino seinem Film nach der Cannes-Premiere im Mai noch
mal verpasst hat, überlebt hat.
Schauen Sie also selbst, ob sie Kopmanns explodierende Taube in
"Inglourious Basterds" entdecken. Im Zweifelsfall unscheinbar. Aber absolut
professionell.
19 Aug 2009
## AUTOREN
Karin Wollschläger
## TAGS
Mongolei
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