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# taz.de -- Staatskapitalismus: Tauziehen um Zech-Subventionen
> Unternehmer investieren, der Staat trägt das Risiko - nach dieser Devise
> hat Bremen die Galopprennbahn subventioniert. Und auch das Atlantic-Hotel
Bild: Bei den Pferderennen geht es immer auch um Geld - Wetten auf Staatskosten
Der Bremer Senat will heute einen Schlussstrich ziehen unter die
jahrzehntelange Subvention für die Galopprennbahn. Rund 100.000 Euro kostet
das Vergnügen die Bremer Steuerzahler bisher - für jeden Renntag.
Eine vollständige Auflistung der staatlichen Hilfen gibt es nicht, die
laufenden Zuschüsse seit 1979 und die direkten und indirekten
Investitionshilfen zusammen machen eine Summe zwischen 30 und 50 Millionen
Euro aus. Steuereinnahmen kann man kaum dagegenrechnen, da die Steuern auf
die Wettumsätze als "Förderung der Pferdezucht" an die Rennvereine
zurückgegeben werden.
Der Senat würde das Rennbahn-Gelände zur Verfügung stellen, wenn der
private Rennverein die Galopprennen ohne staatliche Subvention auf der
inzwischen vollkommen modernisierten Rennbahn fortführen würde. Mit dem
Rennverein ist das so ausgehandelt - zu einer einvernehmlichen Auflösung
des alten Vertrages kommt es aber aktuell nicht, weil die Betreiber des
Zech-Hotels an der Rennbahn nicht mitziehen.
Warum nicht? Zu dieser Frage war im Weser-Kurier am vergangenen Freitag ein
bemerkenswerter Text zu lesen. "Der Weser-Kurier hat mit den
Hotel-Investoren Kurt Zech und Joachim Linnemann gesprochen", heißt es da
im Vorspann, und dann erklären die beiden Unternehmer, sie hätten für das
Hotel gültige Verträge mit dem Senat. Der rot-grüne Senat versuche, die
Hotel-Investoren "in Geiselhaft für seine Rennbahnpolitik zu nehmen. Das
hat erpresserische Momente." Für das Hotel seien 15 Millionen Euro
investiert worden, "die Politik der Großen Koalition hat uns dazu
ermuntert." Wenn der neue Senat "nach Belieben an Verträgen herumdoktern"
wolle, gefährde das "die Glaubwürdigkeit des Wirtschaftsstandortes Bremen".
Was sind das für Verträge, dürfte sich der neugierige Leser fragen. Die
Details, die die Unternehmer nicht nennen, wären durchaus interessant
gewesen. Denn der Bremer Senat hat über eine seiner GmbHs in dem
Atlantic-Hotel zwei Läden angemietet und für jährlich 39 Tage eine
940-Quadratmeter-Etage - bis 2077 ohne Kündigungsklausel und ohne Rücksicht
darauf, ob vor dem Hotel noch Galopprennen stattfinden oder nicht. Der Wert
des Mietvertrages wurde auf 2,3 Millionen Euro beziffert.
Für diese Form der Mietverträge gibt es keine Begründung. "Aus der
Verpachtung des Innenraums … werden Einnahmen erzielt", redete sich der
Senat damals heraus. Es wurde aber nie einen Versuch gemacht, das Recht,
diese 940-Quadratmeter-Etage an 30 Tagen pro Jahr zu nutzen, zu Geld zu
machen.
Das sei "als Subvention gedacht" gewesen, plauderte Wirtschaftsstaatsrat
Heiner Heseler in der ihm eigenen Offenheit in der Wirtschaftsdeputation
vergangene Woche aus. In dem Text im Weser-Kurier hat der Investor Joachim
Linnemann wohl diesen Sachverhalt gemeint, als er diplomatisch formulierte:
"Die Politik der Großen Koalition hat uns dazu ermuntert."
Die "Ermunterung" ging noch weiter: Trotz eines klaren Votums der
Wirtschaftsfördergesellschaft, dass die Hotelbetreiber-GmbH als eine
Strohfrau-Firma und Zechbau nicht als kleines oder mittleres Unternehmen
(KMU) einzuschätzen sei, gewährte der Senat 776.540 Euro
KMU-Investitionshilfe.
Die "rund 2,296 Millionen Euro" aus dem Mietvertrag darf man getrost zu der
Investitionshilfe hinzuaddieren. "Die Finanzierung erfolgt so, dass ein
einmaliger Investitionskostenzuschuss in Höhe von 750.000 Euro an den
Investor gezahlt wird", heißt es in einem Senatspapier von 2004. Der Rest
der Miete, erstaunlicherweise als "weitere Investitionskosten in Höhe von
1,5 Millionen Euro" bezeichnet, sollten "über eine jährliche Mietzahlung in
den nächsten 25 Jahren abgegolten" werden.
Die Wettumsätze würden steigen, verkündete der damalige Wirtschaftssenator
Jörg Kastendiek (CDU), die Besucherzahlen der Rennbahn auch. Die Rennbahn
in der Vahr sei auf bestem Wege, "führende Bahn in Norddeutschland" zu
werden. Man träumte sogar von einer "Pferdeklinik in Mahndorf". Alles
Unsinn - die Wettumsätze sanken, die Zuschauerzahlen auch.
Ein anonym geführtes Interview, in dem es keinerlei kritische Nachfragen zu
einem kritischen Sachverhalt gibt - das ist schon bemerkenswert. Der Text,
den der Weser-Kurier am letzten Freitag unter der Überschrift "Interview"
abdruckt, würde einem Anzeigenblatt Geld in die Kasse spülen, wenn daneben
eine große Werbung für das Atlantic-Hotel an der Rennbahn stehen würde. Es
macht den Eindruck, als sei eine PR-Mitteilung der beiden Unternehmer in
die Form eines Interviews gegossen worden - so unseriös, dass kein
Journalist dafür die Verantwortung übernehmen wollte.
Es geht um einen Fall von Subvention, dessen Details ans Licht der
Öffentlichkeit zu zerren die beiden Unternehmer sich offenbar verbeten
haben: Warum hat der Senat es nicht dem Hotelbetreiber überlassen, seine
Räume zu vermieten? Warum ein Mietvertrag bis zum Jahre 2077 ohne
Kündigungsklausel?
Die Fragen erübrigen sich natürlich, wenn die zugesagten 2,3 Millionen Euro
als Subvention gedacht gewesen waren und nur als "Anmietung" deklariert
wurden, weil das sonst rechtswidrig wäre. Dann würde sich allerdings auch
der moralische Impetus erübrigen, mit dem die Begünstigten im Weser-Kurier
vortragen dürfen, die Korrektur solcher "Verträge" sei "ein gefährlicher
Weg für die Glaubwürdigkeit des Wirtschaftsstandortes Bremen".
Es geht nur darum, ein kleines Stück des Subventionitis-Sumpfes vergangener
Jahre trockenzulegen.
23 Aug 2009
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Pferdesport
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