Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Lebensmittel: Brüchige Idylle
> Rügenwalder Mühle ist Deutschlands größte Wurstfabrik. Die Firma pflegt
> das Bild eines Handwerksbetriebes, bezieht ihr Fleisch aber aus
> Massentierhaltung.
Bild: Greenpeace glaubt dem idyllischen Bild von Rügenwalder nicht recht - und…
Es ist ein ländliches Idyll, in dem sich ein Teil der Belegschaft der
Wurstfabrik Rügenwalder Mühle im niedersächsischen Bad Zwischenahn da
versammelt hat: Die Wiese so saftig grün, wie sie saftig-grüner nicht sein
kann, gelbe Tupfer von Löwenzahn, Gräser, die sich sanft im Wind wiegen, im
Hintergrund eine backsteinerne Mühle. Christian Rauffus steht da, der Chef
von Rügenwalder, sein Marketingleiter, der Vertriebschef, ein
Fleischer-Lehrling und Bootsmann, der Hund vom Chef. Muss schon schön sein,
Teil einer Wurstfabrik zu sein. So familiär und nett. Dann sieht man einen
rothaarigen Bauernjungen vom "Hof Anne Preut" mit einem Ferkelchen auf dem
Arm. Da kommt das Fleisch also her, wie niedlich!
Doch die Idylle trügt. Die Mühle gibt es nicht, die Wiese gibt es nur auf
der Internetseite des Unternehmens. Mag sein, dass der Chef-Hund Bootsmann
heißt, sehr wahrscheinlich, dass es auch die Mitarbeiter gibt. Darüber
hinaus aber ist wohl ziemlich vieles von dem, was Rügenwalder Mühle gerne
über sich verbreitet, Teil eines gut gepflegten Mythos.
Die Rubrik "Keine Anzeige" des Greenpeace-Magazins brachte es ans Licht,
Recherchen der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch gehen in die selbe
Richtung. Es ist nicht verboten, was Rügenwalder Mühle betreibt, aber es
dürfte haarscharf an der Grenze zur Verbrauchertäuschung liegen.
Das Magazin verballhornt auf seiner letzten Seite immer die Werbeanzeige
eines bekannten Unternehmens. Im Heft 4/09 war Rügenwalder aus dem
niedersächsischen Bad Zwischenahn an der Reihe. Laut Marktforschern mit 148
Millionen Euro Jahresumsatz Deutschlands umsatzstärkste Wurstmacherei. Seit
dem Frühjahr wirbt das Unternehmen mit dem TV-Multi Jörg Pilawa. Der lobt,
in ein Leberwurstbrot beißend, Rügenwalder verzichte jetzt auf
Geschmacksverstärker, auf Farbstoffe, auf Gluten und Lactose. Viermal ohne
also, was gut klingt, fast wie Natur pur. Das Greenpeace-Magazin machte
allerdings ein "viermal mit" daraus: Die Wurst nämlich enthalte "Fleisch
aus Massentierhaltung", Pökelsalz Natriumnitrit (E 250) und Zucker,
außerdem sei Gensoja im Tierfutter.
Alles nicht verboten, aber doch einigermaßen weit entfernt von dem Bild,
das Rügenwalders Marketingstrategen von ihrer Wurstfabrik zeichnen. Chef
Rauffus setzt auf Tradition und schwelgt auf der Internetseite von den
Rezepten der Vorfahren, die diese sogar über Flucht und Vertreibung nach
dem Zweiten Weltkrieg aus Pommern bis nach Zwischenahn retteten. Man
blättert durchs fiktive ledergebundene Familienalbum, sieht die -
vermutlich von der Großmutter - handgeschriebenen Zutatenlisten und denkt
sich: Schön, dass es noch so einen netten Metzger gibt, der auf sein
handwerkliches Können setzt. Und, ja, "wir sind Fleischer, keine Chemiker",
wird Betriebsleiter Thomas Wittkowski zitiert, auch er habe, heißt es, "den
Fleischerberuf von der Pike auf gelernt". Chef Rauffus ergänzt und spricht:
"Wurst machen ist Charaktersache." Dann bekennt er sich als Tierfreund:
"Auch wenn man in großer Stückzahl Tiere hält, sollte sicher gestellt sein,
dass sie die Zeit, die sie auf dieser Welt leben, anständig behandelt
werden."
Der Vorwurf Massentierhaltung wiegt da schwer. Aber er ist belegbar - sogar
mit Hilfe von Rügenwalder Mühle. Der Bauernjunge mit dem Ferkel vom "Hof
Anne Preut" auf der Webseite steht für eine Transparenz, die alsbald ins
Leere führt: Der an der Herkunft seiner Wurstwaren interessierte Kunde kann
im Internet unter www.ruegenwalder.de nämlich nachschauen, woher die Ferkel
stammen. Für einen zu definierenden Lieferzeitraum erscheint eine
Deutschlandkarte mit vielen roten Fähnchen. Sie markieren die Orte mit
Schweinebauern, die an Rügenwalder geliefert haben. Am Ortsschild ist dann
aber Schluss, man will nicht zu viel verraten - "aus Datenschutzgründen".
Für die Region Südoldenburg kommt man denn auch tatsächlich nicht weiter,
denn dort sind sehr viele Mastbetriebe. Unmöglich, zufällig den zu finden,
der sein Fleisch an einen der acht großen Schlachtbetriebe liefert, von
denen Rügenwalder das Fleisch bezieht. Ruft man beim "Hof Anne Preut" an,
erfährt man von der gleichnamigen Besitzerin wenigstens, dass die Familie
von ihren Schweinen lebe. Wie viele sie in ihrem Stall hat, will sie aber
nicht verraten: "Einige." Auf die Frage, ob man sich den Hof mal ansehen
dürfe, sagt sie: "Nein." Man ist verschwiegen in der Agrarindustrie.
Aber es gibt ja Ostdeutschland. Auch von da kommt Fleisch in die Wurst, und
da ist alles sehr viel einfacher: An einigen der auf der Lieferantenkarte
eingezeichneten Orte gibt es nur jeweils einen Mastbetrieb - darunter sind
laut Greenpeace-Recherchen Großbetriebe mit bis zu 20.000 Ferkeln und
15.000 Mastschweinen. Sie gehören zu den größten Agrarindustriellen der
Branche, zum Teil haben sie wegen Umweltauflagen ihre niederländische
Heimat gen Ostdeutschland verlassen.
Zur Herkunft des Fleisches will sich bei Rügenwalder Mühle niemand äußern;
zur Werbekampagne mit Pilawa schickt eine Münchner PR-Agentur wenigstens
eine alte Pressemitteilung mit. Da rühmt Chef Rauffus die Kampagne als
Zeichen von Transparenz und Sicherheit für den Verbraucher, der könne
seither noch unbedenklicher zugreifen. Foodwatch allerdings sagt, dass
ohnehin die meisten Hersteller von Supermarkt-Kochschinken auf Farbstoffe
und Geschmacksverstärker verzichteten. Und auch der Verzicht auf Allergene
wie Lactose und Gluten suggeriere mehr, als er tatsächlich bedeute.
Rügenwalder Mühle sei eine "ganz normale Wurstfabrik".
31 Aug 2009
## AUTOREN
Felix Zimmermann
Felix Zimmermann
## TAGS
Fleisch
## ARTIKEL ZUM THEMA
Veggie für alle: Kampf gegen Wurstmühlen
Der Chef der Rügenwalder Mühle hat eine „Zukunft ohne Fleisch“ prophezeit.
Und damit viele Landwirte und Schweinemäster vergrätzt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.