# taz.de -- Berliner Wohnungsmarkt: Bruchbuden in der Statistik | |
> Laut Mieterverein gibt es nur halb so viele freie Wohnungen wie vom Senat | |
> behauptet. Die anderen seien in viel zu schlechtem Zustand, um sie | |
> vermieten zu können | |
Bild: So schauts aus: die Wohnung ist zwar baufällig, gilt aber als Leerstand | |
Nicht mehr als 100.000 Wohnungen stehen in Berlin leer, wie vom Senat | |
behauptet, sondern nur 50.000. Zu diesem Schluss kommt der Mieterverein. Er | |
legte dazu am Mittwoch die Ergebnisse einer Umfrage vor. Im April hatte er | |
aufgerufen, leer stehende Wohnungen zu melden und Gründe für den Leerstand | |
zu nennen. "Der Großteil ist nicht vermietbar - nicht, weil es keine | |
Nachfrage gibt, sondern weil der Zustand zu schlecht ist", sagte | |
Vorsitzender Franz-Georg Rips. Er fordert von Stadtentwicklungssenatorin | |
Ingeborg Junge-Reyer (SPD), eine Mangel-Lage anzuerkennen. Für Monatsende | |
steht ein Treffen an. | |
Der Verein hatte nach eigener Darstellung schon lange von Junge-Reyer | |
gefordert, ihre Zahlen zu überprüfen. Die beruhen auf Angaben des | |
Stromversorgers Vattenfall. Der notiert als Indiz für Leerstand all jene | |
Stromzähler in Wohnungen, für die es keinen Vertrag gibt. Laut Rips lehnte | |
Junge-Reyer eine wissenschaftlich-methodische Untersuchung aus | |
Kostengründen ab. "Es ist absolut unerträglich, dass man über die Anzahl | |
der in Berlin gehaltenen Mastschweine gesicherte statistische Werte hat, | |
bei essenziellen Wohnungsmarktdaten aber im Trüben fischt", sagt | |
Vereins-Hauptgeschäftsführer Hartmann Vetter. | |
Der Mieterverein hatte deshalb - "als Nothilfe", so Rips - einen Fragebogen | |
via Internet und Mitgliederzeitung in Umlauf gebracht und sich gut 1.000 | |
Rückmeldungen erhofft. Tatsächlich liefen dem Verein zufolge Angaben zu | |
fast 1.400 Wohnungen von etwa 800 Personen ein. Auf den gesamten Leerstand | |
hochgerechnet ergibt sich für den Mieterverein, dass maximal 50.000 | |
wirklich bezugsfähige Wohnungen auf dem Markt sind. | |
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bestreitet das. Eine Sprecherin | |
räumte aber ein, dass auch die Verwaltung selbst davon ausgehe, dass von | |
den offiziell 108.000 leerstehenden Wohnungen 25.000 bis 35.000 "relevante | |
Mängel" haben. | |
Eine allgemeine Wohnungsnot sieht der SPD-Abgeordnete und Wohnungspolitiker | |
Michael Arndt zwar nicht. "In Teilen aber haben wir angespannte Märkte, auf | |
die wir als Politik reagieren müssen", sagte Arndt der taz. Als Beispiel | |
nannte er Baugruppen für sozial Schwächere. "Wir gehen das an, aber nicht | |
mit der Keule einer dirigistischen Wohnungswirtschaft." | |
Arndt kann auch die Forderung des Mietervereins nachvollziehen, die | |
Zweckentfremdungsverordnung wieder einzuführen. Die sollte verhindern, dass | |
Mietwohnungen anderweitig genutzt werden - etwa als Ferienwohnung -, wurde | |
aber aufgehoben. "Es kann der Punkt kommen, an dem wir diese Entscheidung | |
rückgängig machen müssen", meint der SPD-Abgeordnete. Zudem ist für ihn | |
klar, dass Berlin keine weiteren Wohnungen aus seinem Besitz verkaufen | |
darf, um ausreichend Einfluss auf den Mietmarkt zu behalten. Derzeit halten | |
landeseigene Unternehmen etwa 260.000 Wohnungen. Das entspricht rund 15 | |
Prozent der 1,7 Millionen Berliner Mietwohnungen. | |
Ein Verkauf ist inzwischen auch bei den Grünen kein Thema mehr. Nach | |
anderslautenden Überlegungen im Wahlprogramm von 2006 sei es inzwischen | |
Position der Fraktion, den landeseigenen Bestand zu halten, sagt ihr | |
wohnungspolitischer Sprecher Andreas Otto. Seine Fraktion hatte vergeblich | |
eine Bundesratsinitiative zum Mietrecht beantragt. Sie sollte dafür sorgen, | |
dass Mieten auch bei Neuvermietungen höchstens um 15 Prozent steigen | |
dürfen. | |
2 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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