# taz.de -- Hintergrund GoogleBooks: Die Schlacht ums Urheberrecht | |
> Der Internetkonzern Google hat Millionen Werke eingescannt, um sie zu | |
> vermarkten. Deutsche Autoren und Verlage wehren sich dagegen. Dienstag | |
> läuft die Einspruchsfrist beim US-Gericht aus. | |
Bild: Deutsche Bücher im Volltext lesbar bei Google. | |
FREIBURG taz | Google ist nicht nur eine Suchmaschine, sondern inzwischen | |
ein gewaltiger Konzern, der auf vielen Feldern des Internets Geschäfte | |
macht. Eine der aufregendsten Ideen: Google ist dabei, mehr als 15 | |
Millionen Büchern einzuscannen, um sie im Internet verfügbar zu machen. | |
Allerdings hat das US-Unternehmen vorher nicht die Verlage und Autoren | |
gefragt. Deshalb wird jetzt vor Gericht gestritten. Ein Prozess, der über | |
den Zugang zum Wissen der Welt entscheidet. Am Dienstag laufen wichtige | |
Fristen ab. | |
Eigentlich ist die Vorstellung wunderbar. Wer kurz etwas in einem Buch | |
nachschauen will, muss es nicht aufwändig bestellen und kaufen, sondern | |
kann dies online im Internet erledigen. Um vergriffene Bücher lesen zu | |
können, muss man nicht mehr in die Bibliothek, sondern geht zu | |
[1][books.google.de]. Die Idee, Bücher zu digitalisieren, haben zwar auch | |
andere Unternehmen und gemeinnützige Organisationen, aber niemand ist | |
soweit wie Google. Das US-Unternehmen hat seit 2004 in Zusammenarbeit mit | |
überwiegend amerikanischen Bibliotheken bereits mehr als sieben Millionen | |
Bücher eingescannt. Darunter sind auch rund 100.000 deutsch-sprachige | |
Bücher. | |
Dabei fing Google ganz harmlos an und berief sich auf den "fair use" | |
(angemessenen Gebrauch), der nach nach US-Recht zulässig ist. Man habe nur | |
den Bibliotheken geholfen, ihre Bestände zu digitalisieren, damit Studenten | |
und Wissenschaftler von zu Hause aus Zugriff auf die Bücher der eigenen und | |
befreundeter Büchereien nehmen können. Im Gegenzug wollte Google zunächst | |
lediglich kleine Ausschnitte (snippets) aus den Büchern in der | |
Google-Suchmaschine anzeigen. | |
US-Autoren und -Verleger hielten aber auch das schon für unzulässig, und | |
klagten gegen Google. Mit einer Sammelklage (class-action) prozessierten | |
sie für alle Verlage und Autoren weltweit. Ein komplizierter Prozess, der | |
Millionen Dollar kostet. | |
Deshalb haben sich Google und die Kläger zusammengesetzt, um einen | |
Vergleichsvorschlag auszuarbeiten, das so genannte Google-settlement. Dem | |
Vorschlag zufolge würde Google für jedes bisher eingescannte Buch 60 Dollar | |
(41 Euro) Entschädigung zahlen. Insgesamt stellt Google 125 Mio. Dollar für | |
Entschädigungen, Prozesskosten und die Abwicklung des Vergleichs in | |
Aussicht. | |
Doch das Settlement schaut vor allem nach vorn. Künftig wollen Google, | |
US-Verleger und -Autoren gemeinsam große Einnahmen aus der Vermarktung von | |
Büchern im Internet erzielen. So könne der Kunde sich in Zukunft einzelne | |
Bücher über Google gegen Bezahlung herunterladen oder ein Abo für ganze | |
Bibliotheken erwerben. 63 Prozent der Erlöse, so der Vorschlag, würde an | |
Verlage und Autoren gehen, der Rest bliebe bei Google. Google würde dabei | |
Abschied nehmen von seinem bisherigen Gratis-Image. | |
Bei lieferbaren Büchern müssten Verlage/Autoren der Google-Vermarktung | |
jeweils zustimmen, bei vergriffenen Werken könnten sie der Google-Nutzung | |
nur widersprechen. Vor allem letzteres ist umstritten, weil hier die | |
Interessen von Autoren, die sich nicht kümmern oder nicht mehr kümmern | |
können, einfach übergangen werden. An solchen "verwaisten" Büchern würde | |
Google allein verdienen. | |
Wer bei diesem Vergleich nicht mitmachen will, hat noch bis Dienstag, den | |
8. September, Zeit, sich zu melden. Dann läuft eine bereits mehrfach | |
verlängerte Frist aus. Deutsche Verleger- und Autorenverbände empfehlen | |
diesen Weg nicht. Denn dann verzichtet man auf 60 Dollar pro Buch und | |
müsste allein in den USA gegen Google klagen. | |
Noch ist aber auch nicht sicher, ob der Vergleich überhaupt zustande kommt. | |
Das zuständige US-Bundesgericht in New York muss nämlich noch prüfen, ob | |
der Vergleich "fair, angemessen und vernünftig" ist. Hierzu wird es am 7. | |
Oktober eine Verhandlung (fairness hearing) geben. Viele mächtige | |
Google-Konkurrenten haben schon Widerspruch erhoben. So fürchtet der | |
Online-Händler Amazon um sein aufkommendes Geschäft mit elektronischen | |
Büchern, wenn sich Google.books mit seinen eingescannten Büchern im | |
Handstreich zum größten Buchhändler der Welt macht. | |
Widersprochen haben auch der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die | |
Bundesregierung. Sie bemängeln, der Vergleich verstoße gegen internationale | |
Verträge zum Urheberrecht. Danach müsse ein Urheber zwingend vorher gefragt | |
werden, bevor jemand sein Werk nutzt. Justizministerin Brigitte Zypries | |
(SPD) will erreichen, dass der Vergleich nur für US-Bücher, nicht für | |
deutsche Werke gilt. Auch für solche Einwände endet am Dienstag die Frist. | |
Sollte der Vergleich aber doch weltweit wirksam werden, müssen die | |
deutschen Autoren überlegen, wie sie mit ihm umgehen. Derzeit werden zwei | |
Strategien vertreten. Der Buchhandel schlägt eine harte Linie vor: Alle | |
Autoren und Verlage sollen gemeinsam gegenüber Google auftreten und der | |
Nutzung vergriffener Bücher widersprechen. Dies ist im Rahmen des | |
Vergleichs durchaus möglich, Google müsste dann mit den Verlagen neu | |
verhandeln. Ob dabei materiell bessere Erlöse erzielt werden können als im | |
Settlement vorgesehen, weiß zwar niemand. Aber zumindest wollen die Verlage | |
das Prinzip durchsetzen, dass Google vorher fragen muss und nicht, dass die | |
Verlage bzw. Autoren Google hinterherlaufen müssen. Die Verhandlungen mit | |
Google (und anderen Firmen) soll die in München ansässige VG Wort führen, | |
eine Verwertungsgesellschaft, die im Auftrag von Verlagen und Autoren zum | |
Beispiel Pressespiegel abrechnet. | |
Fachautoren aus der Wissenschaft haben jetzt allerdings dazu aufgerufen, | |
sich nicht hinter der VG Wort zu scharen, sondern das Google-Settlement | |
sofort zu nutzen. Sonst bestehe die Gefahr, dass wissenschaftliche Werke | |
auf unbestimmte Zeit dem Zugriff der Öffentlichkeit entzogen werden, heißt | |
es in einem Aufruf des Aktionsbündnisses "Urheberrecht für Bildung und | |
Wissenschaft", dem vor allem Organisationen aus dem Umfeld der Hochschulen | |
angehören. Hintergrund: Wissenschaftler wollen vor allem sichtbar sein und | |
sind weniger darauf angewiesen, mit ihren Veröffentlichungen Geld zu | |
verdienen als zum Beispiel Roman-Autoren. Bis zum 15. September müssen | |
Verlage und Autoren widersprechen, wenn sie nicht wollen, dass die VG Wort | |
für sie verhandelt. | |
Offiziell betreffen die derzeit laufenden Verhandlungen nur die | |
Online-Nutzung von Büchern auf dem US-Markt. Google sagt, es könne anhand | |
der IP-Adresse des Computers sehen, ob der Nutzer in Amerika oder in Europa | |
sitze. Aufgrund des Vergleichs könnten nur US-Nutzer die eingescannten | |
Bücher in Gänze sehen. Deutsche Nutzer, die nicht tricksen, sehen nur das | |
deutsche Angebot von books.google.de. Bücher, die dort in großen | |
Ausschnitten oder in voller Länge sichtbar sind, stehen dort entweder mit | |
Einverständnis des Verlags oder sind nicht mehr urheberrechtlich geschützt, | |
wie der Faust von Goethe. | |
Justizministerin Zypries gibt auf die Unterscheidung der Märkte nicht viel. | |
"Das Internet kennt bekanntlich keine Grenze", begründete sie ihr | |
Engagement in einem US-Gerichtsverfahren. Mit einigen Tricks könne man | |
seinen Standort verschleiern und dann doch aus Deutschland auf US-Angebote | |
zugreifen. Außerdem werden die in den USA eingescannten Bücher auch zur | |
Beantwortung von Google-Suchanfragen aus Deutschland genutzt. Insofern habe | |
der aktuelle Streit doch Auswirkungen auf die ganze Welt. | |
Zyries will vor allem verhindern, dass Google sich mit seinem frechen | |
Vorpreschen einen Vorteil und eine marktbeherrschende Stellung sichert. Für | |
die Ministerin geht es dabei auch ums Prinzip: "Wer nach dem Motto 'erst | |
tun, dann fragen' agiert, darf nicht belohnt werden". | |
7 Sep 2009 | |
## LINKS | |
[1] http://books.google.de/ | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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