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# taz.de -- Kolumne Die Charts: Danke, Rot-Grün, für Mesut Özil!
> Die Charts heute mit Özil, Cohn-Bendit, Sweet, Lückemeier und Thomas
> Pynchon.
Fußball: Nach dem 2:0 über Südafrika ist die Begeisterung unserer
wichtigsten Fußballmenschen über den deutschen Nationalspieler Mesut Özil
(Werder Bremen) flächendeckend. Die Allianz reicht von Beckenbauer ("Der
Junge kann Fußball spielen") über Ballack bis zu Daniel Cohn-Bendit.
Allerdings steht für den Chef der Grünen im EU-Parlament nicht im
Vordergrund, dass Deutschland "endlich" wieder einen "Künstler" (FAZ) und
einen "Zehner" (SZ u. v. a.) hat sowie neue Systemoptionen über das 4-4-2
hinaus. Cohn-Bendit begeistert etwas anderes. "Den Özil hat Deutschland
Rot-Grün zu verdanken", sagt er.
Für Nachgeborene: Eine rot-grüne Regierung (1998-2005) hatte seinerzeit das
Gesetz erlassen, nachdem in Deutschland geborene Ausländerkinder zusätzlich
und befristet die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, um sich zwischen 18
und 23 für eine der beiden Staatsbürgerschaften entscheiden zu können und
müssen. Mesut Özil ist der Enkel eines nach Deutschland eingewanderten
Türken, also dritte Generation. Er wurde 1988 in Gelsenkirchen geboren und
ist dort aufgewachsen. Er legte nach Angaben des DFB 2007 die türkische
Staatsbürgerschaft ab und entschied sich zudem Anfang diesen Jahres
endgültig für die deutsche Fußballnationalmannschaft. Für Cohn-Bendit
entspricht es "der Realität des Fußballs", wenn Einwandererkinder - wie in
Frankreich - nicht nur auf den Fußballplätzen der Städte, sondern auch im
Nationalteam den Ton angeben.
Nun sind andere türkischstämmige Immigranten wie die etwas älteren Brüder
Altintop auch (in Gelsenkirchen) mit doppelter Staatsbürgerschaft
aufgewachsen. Die hatten sich noch für die türkische Nationalmannschaft
entschieden. "Erst hat Rot-Grün das ermöglicht, und dann braucht das Zeit",
sagt Cohn-Bendit. "In 20 Jahren sieht das noch ganz anders aus."
Der Fußballexperte hatte schon zu Zeiten des deutschen Niedergangs in den
90ern darauf hingewiesen, dass wegen verfehlter Einwanderungspolitik einige
der größten Talente in Deutschland nicht für die Nationalmannschaft in
Frage kommen. Und er hat stets darauf gesetzt, dass der erste
türkisch-deutsche Nationalmannschaftsheld eine neue Brücke zwischen den
Parallelgesellschaften und -kulturen schlagen wird.
Dazu müsste Özil allerdings bei der WM und darüber hinaus Stammspieler im
DFB-Team sein. Ob er das schafft, wird man auch nach dem
WM-Qualifikationsspiel am Mittwoch gegen Aserbaidschan noch nicht sagen
können. Aber zunächst, sagt Cohn-Bendit, gelte folgende Logik: "Wenn heute
ganz Deutschland vor Özil kniet, so heißt das, dass ganz Deutschland vor
Rot-Grün kniet." Da solle Roland Koch mal drüber nachdenken.
Die Charts im September:
Konzert: The Sweet an einem Strand in Kalifornien. Sie sagten: "Thank you".
Es klang wie: "Fuck you." Aber dann kamen echte Klassiker solide
runtergeschrubbt. "Action", "Fox on the Run". U. v. a. Schön. Wer über
altgewordene Pophelden höhnt, soll sich mal selbst anschauen. Kolumne:
Peter Lückemeier schrieb von 1993 bis letzten Sonntag die
"Herzblatt"-Kolumne in der FAS. Nun hat er damit aufgehört. Sehr schade.
Literatur: Los-Angeles-Privatdetektiv Doc Sportello aus Thomas Pynchons
kalifornischem Post-Hippie-Roman "Inherent Vice" dürfte die literarische
Figur des Jahres sein. Sagt ein Chick: "Ask you something, Doc?" Antwortet
Doc: "Long as it aint the capital of South Dakota, sure." Gegen Doc ist
selbst The Big Lebowski ein Anfängerdude. Wer hätte gedacht, dass Pynchon
im letzten Versuch so ein Ding raushaut? Ganz große Unterhaltungskunst.
8 Sep 2009
## AUTOREN
Peter Unfried
## TAGS
EMtaz Meinung
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