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# taz.de -- Waffen für den "Hinterhof": Südamerika rüstet auf
> Brasilien rüstet nach, Kolumbien kooperiert mit den USA und Venezuela
> bekommt einen Milliardenkredit für russische Waffen. Gibt es ein neues
> Wettrüsten?
Bild: Eine Militärparade von venezolanischen Soladaten in der Hauptstadt Carac…
Seit Monaten streiten die Südamerikaner über Aufrüstung und
Sicherheitspolitik. Am Dienstag nun schaltete sich die US-Außenministerin
Hillary Clinton persönlich in die Debatte ein. "Besorgt" sei sie über
Venezuelas Waffenkäufe, äußerte die US-Außenministerin nach einer
Unterredung mit Uruguays Präsident Tabaré Vázquez in Washington.
Von Venezuela erwarte sie Transparenz über den Zweck der Waffenkäufe sowie
die Garantie, dass die Waffen nicht an Aufständische oder Drogenhändler
"umgeleitet" würden: "Wir hoffen, bald eine Änderung des Verhaltens und der
Haltung seitens der venezolanischen Regierung zu sehen."
Am Sonntag hatte Präsident Hugo Chávez verkündet, er habe aus Moskau ein
Darlehen über rund 1,5 Milliarden Euro mitgebracht zur Finanzierung von 92
russischen Panzern des Typs T-72, Raketenabwehrsystemen und Raketenwerfern.
Der Kauf der russischen Waffen, mit denen man die Ölfelder schützen wolle,
sei eine Reaktion auf die Entscheidung Kolumbiens, US-Truppen Zugang zu
sieben Militärbasen zu gewähren, heißt es in Caracas.
Das US-kolumbianische Abkommen, das demnächst unterzeichnet werden soll,
ist in ganz Südamerika heftig umstritten. Dass es sich nicht nur - wie
meist behauptet - gegen Drogenmafia und linke Guerilleros richtet,
bestätigte der US-Politologe Zbigniew Brzezinski letzte Woche in Genf. Man
wolle Kolumbien auch gegen "Destabilisierungsversuche aus Venezuela" zur
Seite stehen, sagte der vormalige Sicherheitsberater von Expräsident Jimmy
Carter.
Brasiliens Außenminister Celso Amorim wiederum nimmt besonders an einer
Passage des Vertragsentwurfs Anstoß, wonach Washington und Bogotá die
"Demokratie und Freiheit" fördern wollen. In der Lesart Brasílias könnten
so künftig Interventionen in Nachbarländern gerechtfertigt werden.
Brasilien hatte erst letzte Woche durch seine "strategische" Rüstungs- und
Atompartnerschaft mit Frankreich Aufsehen erregt: Brasilien will 36
"Rafale"-Jagdflugzeuge des französischen Herstellers Dassault kaufen, die
bis zu 5 Milliarden Euro kosten sollen.
Bereits 2008 hatten beide Länder eine Vereinbarung über 50 Hubschrauber,
eine Werft und einen Marinestützpunkt abgeschlossen. Dazu gehören der Kauf
von vier konventionellen U-Booten und die Entwicklung eines Atom-U-Boots
mit französischer Technik. Die Kosten sollen sich auf 8,5 Milliarden Euro
belaufen. Auch beim geplanten Bau von zwei Dutzend AKWs in den nächsten 25
Jahren setzt Lula nun auf französisches Know-how.
Dem Präsidenten zufolge will Brasilien mit den Jets seine Ressourcen im
Amazonasgebiet schützen, mit den U-Booten die umfangreichen, neu entdeckten
Ölvorkommen vor der Atlantikküste. Dass die Entscheidung für die teuren
Dassault-Jets gefallen sei, erklärte er mit der Bereitschaft Frankreichs,
Brasilien beim Technologietransfer entgegenzukommen.
Auch wenn dieser Vertrag noch nicht unterschriftsreif ist, dürften die
Versprechungen der Konkurrenz aus Schweden und des USA wenig fruchten. Mit
der von Militärexperten unisono als überfällig erklärten Modernisierung
seiner Streitkräfte und Rüstungsindustrie verfolgt Brasília
wirtschaftliche, vor allem jedoch politische Ziele: Die Regierung Lula, die
sich von ihren Vorgängern vor allem durch eine selbstbewusste Außenpolitik
unterscheidet, will Brasiliens Status als Regionalmacht und Anwärter auf
einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat untermauern.
Ein regionaler Vergleich der Militärausgaben zeigt: Mit 24,6 Milliarden
Dollar lag Brasilien 2008 an der Spitze, wobei dieser Betrag 1,6 Prozent
des Bruttoinlandsprodukts ausmachte. In Venezuela lag der entsprechende
Anteil bei 1,1 Prozent, in Kolumbien hingegen bei 5,7 Prozent. Im letzten
Jahrzehnt erhielt das Bürgerkriegsland gut 6 Milliarden Dollar Militärhilfe
aus den USA - angeblich gegen Drogenhändler und Guerilleros. Bei den
Pro-Kopf-Ausgaben führte Chile deutlich mit 212 Dollar - vor Kolumbien (72
Dollar) und Brasilien (50 Dollar).
Ihre privilegierte Rolle haben die chilenischen Militärs einem Gesetz aus
der Pinochet-Diktatur zu verdanken, durch das ihnen automatisch 10 Prozent
der Einnahmen aus dem Hauptexportprodukt Kupfer zugeschanzt werden. Doch
damit soll es bald vorbei sein: Letzte Woche hat die sozialdemokratische
Präsidentin Michelle Bachelet einen entsprechenden Gesetzesentwurf
eingebracht.
Den von Hillary Clinton und auch von der kolumbianischen Regierung gern
gebrauchten Begriff des Wettrüstens hält der britische Militärexperte
Robert Munks dennoch für übertrieben. Von bilateralen Animositäten, etwa
zwischen Chile und Peru oder Bolivien und Paraguay, gehe keine Kriegsgefahr
aus.
Auch die Andenregion sei weniger explosiv als vielfach befürchtet, schrieb
er in einem Beitrag für die BBC: "Washington weiß, sobald es Brasiliens
Anspruch auf die regionale Führungsrolle akzeptiert, wird viel von Chávez
Donnern verschwinden". Dennoch werde die Militarisierung Lateinamerikas
ohne viel Aufhebens vorangetrieben, vor allem von Washington und Moskau.
Von den Präsidenten, gerade auch den linken, sind pazifistische Töne kaum
zu hören. Am häufigsten verweist der rechtsliberale Alan García aus Peru
auf die "absurden", kontinuierlich wachsenden Militärausgaben in
Südamerika. Und der uruguayische Sozialdemokrat Vázquez erinnerte
vorgestern daran, dass dort die Kluft zwischen Arm und Reich tiefer ist als
sonst wo auf der Welt und schlussfolgerte: "Die Aufrüstung ist
unangebracht, wir lehnen sie ab."
17 Sep 2009
## AUTOREN
Gerhard Dilger
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