# taz.de -- Neue Nachhaltigkeit in der Design-Uni: Jute und Plastik | |
> Designhochschulen in Deutschland waren einmal Vorreiter in nachhaltigem | |
> Entwerfen. Dann geriet Ökodesign in Vergessenheit. Nun erfährt das Thema | |
> eine Renaissance. | |
Bild: Ein Öko-Notebook aus Taiwan: Teile der Hülle bestehen aus Bambus. | |
BERLIN taz | Kugelförmig angeordnet, bilden leuchtende Windrädchen eine | |
Straßenlaterne. Sie spendet Licht, je windiger, desto heller. Oder eine | |
porzellanweiße Schale aus elegant zerbeulten und aneinander geleimten | |
Plastikbechern - zwei Projekte von Studenten des Fachbereichs Sustainable | |
Design der [1][Design Academy Eindhoven]. Entworfen werden hier Dinge, die | |
nicht nur nützlich und schön, sondern auch nachhaltig sind. | |
Schon beim Entwurf werde ihr gesamter Lebenszyklus bedacht, sagt Ursula | |
Tischner, Professorin an der Design Academy. Das bedeutet, dass Material-, | |
Wasser- und Flächeneinsatz oder Abfälle und Arbeitsbedingungen bei der | |
Herstellung und Entsorgung genauso mit berücksichtigt werden wie der | |
Einfluss des Produktes auf das Nutzerverhalten während seines Gebrauchs. | |
Ökologisches Design erfahre derzeit eine neue Aufmerksamkeit, sagt | |
Tischner, die das Thema schon während ihres Studiums Ende der 80er-Jahre | |
umgetrieben hat. Die beiden großen Krisen der Zeit - die Finanz- und die | |
Klimakrise - könnten "auch durch die nachhaltige Gestaltung von Produkten, | |
Dienstleistungen, Infrastrukturen und Lebensstilen" überwunden werden, sagt | |
Tischner. | |
Zwar gibt es in Deutschland erst eine einzige Professur für ökologisches | |
Design, an der [2][Kölner Designhochschule KISD] - doch die anderen | |
Hochschulen holen langsam auf. "Das Thema ökologisches Design durchdringt | |
immer mehr unseren Studiengang", sagt Anke Bernotat von der | |
[3][Folkwang-Hochschule für Gestaltung] in Essen. Auch Hochschulen in | |
Berlin, Halle, Kassel und Offenbach verfolgten eine nachhaltige Vorstellung | |
vom Entwerfen, sagt Ökodesign-Vordenkerin Tischner. Unter anderem zusammen | |
mit dem [4][Wuppertal Institut für Klima, Energie und Umwelt] und der | |
[5][Hochschule Luzern] veranstaltet die Folkwang-Hochschule Ende September | |
die erste Summerschool für nachhaltiges Gestalten, [6]["Design Walks - | |
Value through less"] im Nikolauskloster Jüchen in Nordrhein-Westfalen. | |
Ansonsten ökologischer Umtriebe wenig verdächtige Unternehmen wie die | |
Bayer-Tochter BayerMaterialScience und Airbus schreiben an Hochschulen | |
Preise für nachhaltiges Verpackungs- und Transportdesign aus, und in | |
Amsterdam treffen sich angehende Modedesigner zu Workshops in "Green | |
Fashion". Die müsse, sagt Mitorganisatorin Tischner, nicht nur | |
umweltfreundlich, sondern auch "cool" sein. Ein erhobener Zeigefinger und | |
Jute-statt-Plastik-Strategien eigneten sich nicht, um breite Zielgruppen | |
anzusprechen. In ihrem Workshop, den sie mit Studenten durchführt, gehe es | |
darum, "eine zielgruppengerechte Ästhetik mit Nachhaltigkeit zu verbinden." | |
So eine Veranstaltung sei ein "guter Einstieg für die Studenten, um sich | |
das Thema bewusst zu machen", sagt Nina Gellersen, die auf der Summerschool | |
in Jüchen ein Projekt betreuen wird. Denn das Vorwissen der Studenten sei | |
oft gering und gehe über Alltagskenntnisse über Mülltrennen oder den | |
Klimawandel nicht hinaus. Gellersen lehrt Produktdesign an der Hochschule | |
für Design und Kunst in Luzern und stößt mit ihrem Themenschwerpunkt | |
Nachhaltigkeit vor allem bei älteren Studenten auf Interesse, die ein | |
Masterprogramm absolvieren. | |
"Die jungen Bachelor-Studenten wollen erst mal ein tolles Design | |
entwerfen", sagt sie, "später hinterfragen sie dann eher ihr Tun und ihre | |
gesellschaftliche Verantwortung", so Gellersen, die selbstkritisch anmerkt, | |
die Designer seien schließlich nicht ganz unschuldig daran, "dass es so | |
viel Zeugs gibt". Gerade in den Niedriglohnländern wie zum Beispiel China | |
würden kurzlebige und billige Produkte nicht nur hergestellt, sondern | |
zunehmend auch selbst entworfen. "Da müssen wir uns in Europa schon | |
überlegen, wie wir uns positionieren." | |
Manuel Dreesmann, Student an der Bremer Hochschule für Künste, zum Beispiel | |
hat beim oben erwähnten Design-Wettbewerb [7][Vision Works] den ersten | |
Preis gewonnen. Seine Idee: Um Verpackung und Transport einzusparen, werden | |
etwa Erdbeeren in Blumenkästen angebaut, die an Stahlseilen zwischen | |
doppeltverglasten Fenstern an Hochhausfassaden hoch- und herunterfahren. | |
Ein Paternoster mit leckerem Inhalt. Nicht nur das kniffelige Verfahren von | |
Düngung, Wässerung und Ernte der Fassadenfrüchte hat Dreesmann erdacht, | |
sondern auch Blumenkästen und Aufzug. Genau wie in Essen wird auch in | |
Luzern angestrebt, Nachhaltigkeit durch alle Lehrveranstaltungen zu ziehen | |
und nicht in eigene Seminare zu verlagern. | |
Über den Erfolg dieser Bemühungen machen sich die Hochschullehrerinnen | |
allerdings wenig Illusionen. "Fast jede Designakademie führt auf ihrer | |
Website den Begriff Nachhaltigkeit auf", sagt Gellersen. Doch inwieweit das | |
im Curriculum dann wirklich implementiert ist, sei eine andere Frage. Noch | |
sei die Relevanz von ökologischem Design nicht bei allen Dozenten | |
angekommen. "Da geht es oft noch um Emotionen und Lifestyle." In Luzern | |
bemüht man sich hingegen, jedes Produktgestaltungs-Projekt auf seine | |
Umweltfreundlichkeit abzuklopfen. | |
Gellersens Kollegin Tischner bescheinigt Deutschland, "sich zu sehr auf | |
seinem noch guten Image in Umwelttechnologien" auszuruhen. "Es muss | |
aufpassen, dass es nicht von den asiatischen Ländern und den USA überholt | |
wird", sagt sie. "Die deutsche Designszene ist noch immer erschreckend | |
ignorant in dem Bereich." Auf dem Arbeitsmarkt schaden sie ihren | |
Absolventen damit bislang offenbar nicht. Zwar sei es immer gut, effizient | |
mit Materialien und Energie umgehen zu können. "Ich habe aber noch nicht | |
gehört, dass Arbeitgeber konkret nach Kompetenzen im Bereich Nachhaltigkeit | |
fragen", sagt Bernotat. | |
Ursula Tischner hingegen verbucht in ihrem eigenen Kölner Designbüro | |
Econcept immer mehr Nachfragen von Designbüros, die Weiterbildungen für | |
ökologisches Design für ihre Mitarbeiter buchen möchten. Zurzeit wirkten | |
politische Aktivitäten wie der "New Green Deal" zusammen mit ökologisch | |
denkenden Konsumenten, die immer stärker entsprechende Produkte forderten. | |
"Die Chancen für nachhaltiges Design sind heute größer als jemals zuvor", | |
sagt Tischner. | |
18 Sep 2009 | |
## LINKS | |
[1] http://www.designacademy.nl | |
[2] http://kisd.de/ | |
[3] http://www.folkwang-hochschule.de/home/gestaltung/ | |
[4] http://www.wupperinst.org/ | |
[5] http://www.hslu.ch/design-kunst.htm | |
[6] http://www.designwalks.org/ | |
[7] http://www.visionworksaward.com/ | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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