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# taz.de -- Wahlkampf: Der schillernde Kandidat
> Thomas Wüppesahl war Grünen-Bundestagsabgeordneter, Polizist und
> Gefängnisinsasse. Jetzt will er Bürgermeister von Geesthacht werden -
> wenn man ihn lässt.
Bild: Wüppesahl in Bürgermeisterpose vor dem Geesthachter Rathaus - vorerst i…
Während draußen vor der Bergedorfer St. Petri und Pauli-Kirche Rentner in
der Sonne sitzen, Amarenabecher löffeln und Eiskaffee trinken, wartet
Thomas Wüppesahl im Café Greco ungeduldig auf seinen Anwalt. Der heißt
Ernst Medecke und steht draußen vor der Tür, denn im Café weiß niemand von
dem Termin um 14 Uhr, bei dem Thomas Wüppesahl seine Kandidatur zum
Bürgermeister im nahe gelegenen Geesthacht bekanntgeben will. "Wir haben
nur eine Reservierung für 20 Personen", sagt eine junge Kellnerin.
20 Personen sind es dann doch nicht geworden, die sich anhören wollen, was
Thomas Wüppesahl nun vorhat. Er war in den 80er-Jahren
Bundestagsabgeordneter - zuerst für die Grünen, danach als Parteiloser. Er
hat die Vereinigung Kritischer Polizisten gegründet. Er saß aber auch im
Gefängnis: wegen "Verabredung zu einem Verbrechen". 2005 sah es das Gericht
als erwiesen an, dass Wüppesahl einen Geldtransporter überfallen, den
Wachmann durch einen Genickschuss töten und ihm mit einem Fleischerbeil die
Hand abhacken wollte, um an den Geldkoffer zu gelangen.
Wüppesahl selbst sagte immer, dass er mit dem Überfallplan nur seinen
Kollegen Andreas Schellen als vermeintlichen "V-Mann" enttarnen wollte.
Schellen war einmal sein Trauzeuge gewesen. Das Gericht glaubte Wüppesahl
nicht, er wurde zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
Seit 2007 ist er auf Bewährung wieder draußen, und jetzt will er
Bürgermeister werden. Antreten will er gegen den bislang einzigen
Kandidaten, den parteilosen Volker Manow. Seine Chancen schätzt er als gut
ein, weil Manow ein Pro-Atom-Kandidat sei, und die Bürger bestimmt jemanden
wählten, der dagegen ist, dass das Atomkraftwerk in Geesthacht-Krümmel
wieder in Betrieb genommen wird. Damit auch keiner vergisst, wofür
Wüppesahl steht, trägt er einen gelben Anti-Atom-Button am Revers, ein
Farbklecks auf dem blauen Jackett.
Während er da so sitzt, vor seinem Selters im leicht gedimmten Hinterraum
des Cafés, verzieht er keine Miene. Kleine Probleme räumt er beiseite wie
die riesige Speisekarte auf dem Marmortisch. Er habe zwar kein Geld, aber
auch keine Sorgen, wie er seinen Wahlkampf finanzieren solle. Nichts könne
ihn stoppen: "Ich werde einen Wahlkampf produzieren, wie ihn Geesthacht
noch nicht erlebt hat." Die nötigen 155 Unterschriften zur Kandidatur,
sammele er "locker an einem Tag".
Ein Problem gibt es dann doch: Wüppesahl darf bislang gar nicht
kandidieren, denn Paragraf 45 des Strafgesetzbuches besagt, dass
Verurteilte fünf Jahre lang kein öffentliches Amt bekleiden dürfen.
Eigentlich dürfte Wüppesahl erst 2012 Bürgermeister werden, darum hat er
ein Gnadengesuch an die hamburgische Justizbehörde gestellt. Als er das
erwähnt, muss er dann doch mal grinsen: "Ich will Sie ja nicht mit der Nase
draufstoßen. Aber der Justizsenator ist inzwischen auch grün."
21 Sep 2009
## AUTOREN
Jonas Jansen
## TAGS
Polizeigewalt
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