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# taz.de -- Portrait Präsident FC Barcelona: Gutmensch und Separatist
> Barca-Präsident Joan Laporta propagiert die Loslösung Kataloniens von
> Spanien. Offenbar will er seine politische Karriere auf dem
> extremistischen katalanischen Flügel vorbereiten.
Bild: Joan Laporta, gesehen auf an einer Separatisten-Demonstration am 11.09.20…
BARCELONA taz | An der Plaça Francesc Macià fließt der Verkehr vierspurig
durch Barcelona. Auf die Idee, dort mitten auf der Straße auszusteigen,
waren vor Joan Laporta noch nicht viele gekommen. Der Präsident des FC
Barcelona aber sprang an der Ampel aus seinem japanischen Dienstwagen, riss
von außen die Fahrertür auf und schrie inmitten von Autos seinen Chauffeur
an: "Raus! Raus! Du steigst sofort aus!" Dann setzte er sich selbst ans
Steuer. Der Chauffeur hatte ein wenig zu abrupt gebremst für Laportas
Geschmack.
Eine Anekdote, wiegelte Laporta ab. Tatsächlich gaben solche Vorfälle einem
charismatischen Präsidenten nur ein wenig Farbe. Joan Laporta, jugendliche
47 Jahre alt und Anwalt, etablierte seit seiner Wahl 2003 den FC Barcelona
als Modell des Guten in der Fußballwelt. In seinem Mandat gewann Barça mit
edelmutigem Fußball zweimal die Champions League. Als einziger Profiklub
verweigert man die Trikotbrust Sponsoren und wirbt stattdessen gratis für
Unicef.
Doch mit derselben Systematik und Courage, mit der Laporta den Klub in die
erfolgreichste Zeit führte, macht er sich selbst regelmäßig zur größten
Belastung seines Projekts. Während Barça, das an diesem Dienstag in der
Champions League auf Dynamo Kiew trifft, sportlich weiter mit graziöser
Autorität aufspielt, stürzte Laporta den Klub mit 170.000 Mitgliedern
ebenso zielsicher in eine Sinnkrise.
Am 11. September, dem katalanischen Nationalfeiertag, ging Laporta bei
einer Demonstration für die Unabhängigkeit Kataloniens in der ersten Reihe,
die Faust in der Luft. "Hast du den Verstand verloren?", schrie ihn der
Ministerpräsident der Region Kantabrien, Miguel Ángel Revilla, beim
Ligaspiel in Santander an: "Du bringst den Klub in die Politik." "Ihr
Spanier", brüllte Laporta da zurück, "ihr zermalmt Katalonien!"
Spätestens seit der Unterdrückung der Katalanen in der Franco-Diktatur hat
sich Barça immer als Vertreter des Katalanentums definiert, als Nationalelf
einer Nation ohne Staat. Doch galt es als heiliges Gebot, dass sich
Klubvertreter nie politisch äußern, schon alleine weil Barças Publikum
politisch divers ist. Nur 19 Prozent der Katalanen etwa sympathisieren nach
Umfragen mit einer Loslösung von Spanien. Gerade Laporta hatte es wie kein
anderer verstanden, in einem kuriosen Spagat Barça als Heimat der Katalanen
und gleichzeitig Liebling des globalen Publikums zu etablieren. Er hielt
sich prinzipiell an die politische Schweigepflicht.
Allenfalls ließ er verstohlen die spanische Flagge vom Trainingsgelände
entfernen, nur um dann gleich wieder nach Bosnien oder Kamerun
aufzubrechen, um Barça als humanitäre Kraft einzubringen. Nun aber endet
sein Mandat 2010, ein Präsident darf nach zwei Amtszeiten nicht wieder
gewählt werden, und Laporta will offenbar seine politische Karriere auf dem
extremistischen katalanischen Flügel vorbereiten.
Mit seiner plötzlichen Separatistenshow hat er das tolerante Image und den
sozialen Frieden des Klubs zerstört. Vor allem Barças Millionen spanische
Fans sind brüskiert. Die Bars in der Stadt ließen sie nicht einmal mehr die
Poster für die Barça-Weihnachtslotterie aufhängen, meldet der Fanklub
Zamora aus dem Westen Spaniens. Sie seien nun "Scheiß-Katalanen".
Nicht zum ersten Mal setzte Laporta für sich selbst die ethnischen Maßstäbe
aus, die er Barça gab. So billigte er, dass Barças Generaldirektor vier
Präsidiumsmitglieder von Detektiven ausspionieren ließ. Die vier wollen
Laportas Kandidaten für seine Nachfolge nicht mittragen. Andere
Merkwürdigkeiten sind nie untersucht worden. Warum etwa bezahlte Barça 25
Millionen Euro Ablöse für zwei Brasilianer, Henrique und Keirrison, die
ganz offensichtlich nicht Barças Niveau haben und auch nie für Barça
spielten, sondern sofort ausgeliehen wurden, Henrique zunächst vergangenes
Jahr an Bayer Leverkusen. Ein Sinn für Barça ist in den Transfers nicht zu
erkennen - es sei denn, jemand im Klub wollte sich Geld abzweigen. Laporta
hat die Transfers bewilligt.
Und trotz alledem ist Laporta ein wegweisender Präsident. Er traf visionäre
Entscheidungen, wie den unerfahrenen Pep Guardiola zum Trainer zu machen.
Außerdem schaffte er es, die Hooligans aus dem Stadion zu verbannen. Nun
läuft er Gefahr, dass sein Wirken von Kontroversen übertüncht wird. Er
möchte sie gerne Anekdoten nennen. "Ach, diese Vorfälle wie der mit dem
Chauffeur", sagte er. "Am Ende sind wir doch zusammen ins Stadion gefahren.
Er auf dem Beifahrersitz, ich am Steuer."
29 Sep 2009
## AUTOREN
Ronald Reng
## TAGS
Fußball
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