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# taz.de -- Diskriminierung: Glaube kann kein Kriterium sein
> Hamburger Arbeitsgericht verurteilt die kirchliche Stiftung Alsterdorf
> zur Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen religiöser Diskriminierung.
> Grundsatzfrage bleibt weiter ungeklärt.
Bild: Als Aushilfe ist alles anders - so das Gesetz.
Die Rechtssache Stiftung Alsterdorf hätte der Präzedenzfall für ganz
Deutschland werden können - denn die Einschaltung des Europäischen
Gerichtshof (EUGH) wegen Diskriminierung lag förmlich in der Luft. Doch
dann verurteilte die Hamburger Arbeitsrichterin Susanne Loßmann die
Stiftung doch noch im Alleingang zwecks Abschreckung zur Zahlung von fünf
Monatsgehältern an Christine Hansen* wegen Diskriminierung.
Arbeitsrechtsanwalt Klaus Bertelsmann ist ein wenig enttäuscht. "Leider ist
die viel wichtigere Problematik nicht entschieden worden."
Christine Hansen hatte im Herbst vorigen Jahres bei der kirchlichen
Einrichtung für geistig und körperlich behinderte Menschen im Hamburger
Stadtteil Alsterdorf einen Aushilfsjob als Betreuerin angenommen.
"Lediglich Hilfe zur Selbsthilfe", wie sie selbst sagt. Die Behinderten
schätzten Christina Hansen bereits nach kurzer Zeit sehr. Nach einigen
Monaten bekam die evangelische Einrichtung heraus, dass Hansen der
"Neuapostolischen Kirche" angehört. Es wurde ihr ein Ultimatum gesetzt:
entweder aus der "Sekte auszutreten" oder sich einen neuen Job zu suchen.
Die Stiftung begründete ihr Vorgehen mit der immer noch aktuellen
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Demnach dürfen Kirchen auch
von Mitarbeitern "verkündungsferner Tätigkeiten", wie es im Kirchendeutsch
heißt, eine Kirchenmitgliedschaft verlangen - also auch von der
Küchenhilfe, dem Hausmeister oder dem Gärtner. "Auch das
Bundesverfassungsgericht hat schon falsche Entscheidungen getroffen", sagte
hingegen Hansens Arbeitsrechtsanwalt, Klaus Bertelsmann während des
Verfahrens.
Die Stiftung Alsterdorf sieht das anders. "Der Europäische Gerichtshof kann
doch nicht in das Verfassungsrecht eines Landes eingreifen und deutsche
Gerichte anweisen", entrüstete sich Anwalt Christoph Duvigneau,
spezialisiert auf Vertretungen von Kirchen im Arbeitsrecht. Ihm zufolge
befände sich zudem ein ähnlich lautender Passus im neuen Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das aufgrund der EU-Richtlinie gegen
Diskriminierung erlassen worden ist.
Doch dieser Passus läuft gerade eben dieser EU-Richtlinie zuwider, der
deutsche Gesetzgeber habe an diesem Punkt "absichtlich nicht die
EU-Richtlinie erfüllt", entgegnet Bertelsmann. Daher verstoße das deutsche
Antidiskriminierungsgesetz gegen EU-Recht und sei somit rechtswidrig. "Dass
der Papst männlich und katholisch sein muss, ist klar, auch andere
verkündungsnahe Tätigkeiten, mit denen die Tendenz der Kirche nach außen
vertreten wird", sagt Bertelsmann. "Bei einer Heilerziehungshelferin wie
unserer Mandantin könne dies jedoch nicht verlangt werden", kontert der
Anwalt.
Dieser Rechtsauffassung zeigte sich Richterin Loßmann anfangs durchaus
aufgeschlossen. Sie wollte eigentlich dem Antrag Bertelsmann nachkommen und
den Fall dem EUGH vorlegen, der prüfen sollte, ob die Bundesrepublik gegen
EU-Recht verstoße. Doch während der Urteilsberatung machte Loßmann eine
unerwartete Entdeckung. Nach einer hausinternen Dienstvereinbarung der
Stiftung Alsterdorf gilt das Kirchendiktat nicht für Aushilfen.
Bereits aus diesem Grund sei Christine Hansen diskriminiert worden. Anwalt
Bertelsmann bedauert, dass die eigentliche und viel wichtigere Problematik
für unbefristete Arbeitsverhältnisse wie zum Beispiel bei den Trägern
Diakonie oder Caritas nicht entschieden worden sei. Es bleibe daher zu
hoffen, so Bertelsmann, dass sich bald Betroffene gegen solche
Diskriminierung zur Wehr setzen. "Sonst bleibt eine Vielzahl von
Arbeitsplätzen aus vermeintlich religiösen Grünen abgeschottet."
30 Sep 2009
## AUTOREN
Kai von Appen
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