# taz.de -- Prozess um CIA-Kidnapping: Wegen Entführung in den Knast | |
> Im Verfahren gegen eine Truppe von CIA-Leuten und Italiens Geheimdienst | |
> fordert der Staatsanwalt in Mailand hohe Haftstrafen. Entführt wurde der | |
> Fundamentalist Abu Omar. | |
Bild: Der Gerichtssaal während des Prozesses gegen Pollari. | |
ROM taz | 13 Jahre Haft für den früheren italienischen Geheimdienstchef | |
Nicolò Pollari, 13 Jahre auch für den seinerzeitigen CIA-Chef in Italien | |
Jeff Castelli: Die Staatsanwaltschaft in Mailand fordert harte Strafen im | |
Prozess wegen der Entführung des islamischen Fundamentalisten Abu Omar. | |
Abu Omar war am 17. Februar 2003 auf dem Weg zu der Mailänder Moschee, in | |
der er als Imam predigte, im Rahmen des globalen US-"Kriegs gegen den | |
Terror" von einem CIA-Kommando bei helllichtem Tag auf offener Straße in | |
einen Kleintransporter gezerrt worden. Die Häscher vom Geheimdienst | |
schafften ihn umgehend zur US-Luftwaffenbasis Aviano. | |
Von dort startete dann einer der Kidnapping-Flüge, die als "extraordinary | |
renditions" bekannt sind: Über die deutsche Basis Ramstein ging es nach | |
Kairo. Dort wurde Abu Omar den ägyptischen Behörden übergeben, die ihn mehr | |
als vier Jahre in Haft hielten und folterten. | |
Doch bei der Entführung schaute eine Augenzeugin zu. Und die ermittelnden | |
Staatsanwälte hatten es nicht allzu schwer; der Trupp von insgesamt 26 | |
CIA-Agenten, die an der Entführung beteiligt waren, benahm sich recht | |
sorglos. Mittels der Daten des Handy-Verkehrs in der Zone der Entführung | |
konnten die Ermittler umfassende Bewegungsprotokolle erstellen und auch die | |
Hotels identifizieren, in denen die Häscher abgestiegen waren. | |
Das Bild, das Staatsanwalt Armando Spataro jetzt am Ende des vor zwei | |
Jahren begonnenen Prozesses in seinem Plädoyer vor dem Gericht in Mailand | |
zeichnete, ist aber nicht das einer rein US-amerikanischen Aktion. Spataro | |
stützt sich auf die Aussagen eines - mittlerweile verstorbenen - Offiziers | |
des italienischen Geheimdienstes Sismi. Der erklärte, Sismi-Chef Nicolò | |
Pollari habe von Anfang an bei der Aktion mitgewirkt. So befand sich am | |
Tatort ein italienischer Geheimdienstler, um die CIA-Leute zu unterstützen. | |
Spataro bezeichnete Pollari deshalb als "Hauptregisseur". | |
Wegen der "barbarischen und brutalen Methoden, die im Kampf gegen den | |
Terrorismus benutzt wurden", sei die hohe Strafe für ihn und den damaligen | |
CIA-Statthalter Castelli angebracht. Doch auch die Mitangeklagten kommen | |
nicht viel besser weg: Für 25 CIA-Agenten und einen weiteren Sismi-Mann | |
liegen die Strafanträge zwischen 10 und 12 Jahren. Allerdings dürfte eine | |
Verurteilung wenigstens für die US-Bürger folgenlos bleiben, da keiner von | |
ihnen sich dem italienischen Gericht stellte. | |
Ungeklärt blieb in dem Prozess die Rolle, die Italiens Regierung bei der | |
Entführung spielte. Spataro erklärte: "Vielleicht wurden die | |
Regierungsstellen nicht über die Absprachen informiert, die Pollari | |
getroffen hatte", er jedenfalls habe "keinen Beweis" dafür gefunden. | |
Reichlich Beweise gibt es jedoch dafür, dass der Prozess den wechselnden | |
Regierungen, die "mit betretenem Schweigen" reagiert hätten, mehr als | |
peinlich ist. 2003, im Jahr der Entführung, war Silvio Berlusconi an der | |
Macht. Als 2007 der Prozess begann, hieß der Ministerpräsident dagegen | |
Romano Prodi. | |
Doch auch die Mitte-links-Regierung unter Prodi versagte den Ermittlern | |
jegliche Unterstützung, versuchte stattdessen, das Verfahren abzuwürgen, | |
indem sie alle mit dem Entführungsfall zusammenhängenden Aktivitäten des | |
italienischen Geheimdienstes zu Staatsgeheimnissen erklärte. Diese | |
Rechtsposition wurde vom Verfassungsgericht abgesegnet. Doch die Mailänder | |
Staatsanwälte zeigen sich unbeeindruckt: Schließlich gelte, so Spataro, | |
dass auch die Geheimhaltung eine kriminelle Handlung nicht ungeschehen | |
mache. | |
2 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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