# taz.de -- Sozialdemokratie gewinnt: Griechen wählen antizyklisch | |
> Die linke Volkspartei Pasok gewinnt eine klare Mehrheit bei den | |
> vorgezogenen Wahlen in Griechenland. Sie muss nun die wenigen Spielräume | |
> nutzen, die ihr in der Krise bleiben. | |
Bild: Anhänger der Pasok feiern. | |
BERLIN taz | Die vorgezogenen Parlamentswahlen in Griechenland haben dem | |
Land eine neue Regierung gebracht. Klarer als erwartet gewann die linke | |
Volkspartei Pasok, deren Vorsitzender Giorgos Papandreou neuer | |
Ministerpräsident wird. Der große Verlierer ist die konservative Nea | |
Dimokratia (ND), die seit 2004 mit Kostas Karamanlis an der Spitze regiert | |
hatte. | |
Die Pasok erreichte 43,9 Prozent der Stimmen. Im griechischen Parlament | |
("Vouli") verfügt sie nun mit 160 von 300 Sitzen über eine absolute | |
Mehrheit, weil das griechische Wahlrecht der stärksten Partei einen Bonus | |
von 40 Sitzen gewährt. Die ND blieb mit 33,5 Prozent um mehr als 8 Prozent | |
hinter ihrem Ergebnis von 2007 zurück und hat in der Vouli nur noch 91 | |
Sitze. | |
Die Pasok hätte die absolute Mehrheit nur verfehlen können, wenn die | |
kleineren Parteien besser abgeschnitten hätten. Doch die orthodoxen | |
Kommunisten der KKE banden mit 7,5 Prozent wieder nur ihre traditionellen | |
Wähler, die linkssozialistische Syriza blieb bei 4,6 Prozent hängen. Und | |
die grüne Partei, die in Umfragen des Sommers noch bei 5 Prozent gelegen | |
hatte, scheiterte an der Dreiprozenthürde, weil Pasok ihnen mit einem | |
grünen Umweltprogramm die Wähler abgejagt hat. | |
Die Angst vor den Folgen der Wirtschaftskrise, die das politische Klima in | |
Griechenland prägen, hat also die meisten Wähler der Linken und der Mitte | |
zur Pasok getrieben. Das spiegelt sich auch in der regionalen | |
Stimmenverteilung. Der Sieg der Pasok ist flächendeckend: Sie konnte die ND | |
in 50 von 56 Provinzen schlagen, von Epirus bis Kreta, und selbst in | |
konservativen Hochburgen wie Thrazien und Ostmazedonien. | |
Mit den vorgezogenen Neuwahlen hat sich die alte Regierung also das eigene | |
Grab geschaufelt. Der Versuch von Karamanlis, sich angesichts schwieriger | |
Zeiten als der bessere Krisenmanager darzustellen, musste aus zwei Gründen | |
scheitern. Zum einen versäumte es die ND-Regierung fünf Jahre lang, eine | |
überzeugende Wirtschaftspolitik zu entwickeln. Zum anderen setzten selbst | |
mittelständische Wechselwähler auf die Pasok, von der sie eine sozial | |
verträglichere Krisenpolitik erwarten. | |
Solche Erwartungen werden allerdings bald ihren Crashtest erleben. Schon | |
heute steht fest, dass einer Regierung Papandreou für eine | |
Konjunkturförderung nach westeuropäischem Muster kein Spielraum verbleibt. | |
Das Haushaltsdefizit für 2008 liegt bereits bei 8 Prozent des | |
Bruttoinlandsprodukts, Ende dieses Jahres wird es wegen sinkender | |
Steuereinnahmen auf über 10 Prozent klettern. Da die Wirtschaft in diesem | |
Jahr erstmals schrumpfen wird (um etwa ein Prozent), rechnen die Experten | |
bis Jahresende mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit von 8,9 auf | |
mindestens 11 Prozent, bis Ende 2010 sogar auf weit über 15 Prozent. Und | |
bei den staatlichen Krankenkassen und Rentenversicherungen läuft ein | |
Defizit auf, das bereits aus Steuergeldern finanziert werden muss. | |
Angesichts dieser Kassenlage ist der Plan Papandreous, den Staatshaushalt | |
durch erhöhte Einnahmen zu konsolidieren, auf Sand gebaut. Selbst wenn die | |
Regierung den angekündigten Kampf gegen Korruption und Steuerhinterziehung | |
ernsthaft aufnehmen sollte, wird sie das Staatsdefizit nur begrenzen | |
können. Für soziale Wohltaten, die man von ihnen erwartet, reicht das | |
hinten und vorne nicht. | |
Die ersten hundert Tage der neuen Regierung werden also ein böses Erwachen | |
bringen. Denn auch das Manna aus den EU-Töpfen, das den Griechen seit | |
vielen Jahren hilft, sich über die sinkende Konkurrenzfähigkeit ihrer | |
Wirtschaft hinwegzulügen, wird demnächst ausbleiben. | |
5 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Niels Kadritzke | |
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