# taz.de -- Kommentar Unicef-Bericht: Systematisch vergessene Kinder | |
> Abermillionen Kinder existieren offiziell gar nicht, weil sie ohne | |
> Papiere aufwachsen. Das Problem ist lösbar. | |
Unzählige Kinder auf der Welt leben im schlimmsten Elend, und viele | |
überleben das nicht. Verwahrlosung, Versklavung, Verstümmelung, | |
Misshandlung, Tod durch vermeidbare Krankheiten: All diese Missstände | |
werden regelmäßig international beklagt, ohne dass ein probates Mittel | |
dagegen gefunden worden wäre. Jetzt macht das UN-Kinderhilfswerk Unicef auf | |
das größte Hindernis aufmerksam, das einem effektiven Kinderschutz im Wege | |
steht: Abermillionen Kinder existieren offiziell gar nicht, weil ihre | |
Geburt nie registriert wird und sie ohne Papiere und rechtlichen Status | |
aufwachsen. In weiten Teilen von Afrika und Asien bilden diese unsichtbaren | |
Kinder die Mehrheit ihrer Altersgruppe. | |
Solange es ihnen gut geht, mag das kein Problem sein; aber sobald sie vor | |
ihren Nächsten oder auch vor Seuchen Schutz brauchen, rutschen sie durch | |
alle sozialen und juristischen Netze. Wenn sie groß werden, können sie nur | |
unter großen Schwierigkeiten ihre Rechte als vollwertige Bürger geltend | |
machen. Die beste Kinderschutzgesetzgebung der Welt ist das Papier nicht | |
wert, auf dem sie steht, wenn die Kinder keine Papiere haben, auf denen sie | |
stehen. | |
Die Gründe sind vielfältig. Viele Menschen in sehr armen Ländern leben weit | |
weg von Verwaltungs- und Gesundheitszentren und sind bei der Geburt auf | |
sich gestellt. Andere erleben die Staatsmacht als Bedrohung und halten sich | |
zum Selbstschutz fern. Manche Regierungen halten missliebige | |
Bevölkerungsteile in offiziellen Zahlen bewusst klein, um ihre eigenen | |
Anhänger zu bevorzugen. | |
Jenseits dieser politischen Fragen ist das Problem allerdings lösbar. Fast | |
alle Länder auf der Welt haben mittlerweile umfassende Impfprogramme für | |
Kleinkinder und den Anspruch auf allgemeine Grundschulbildung. Bei diesen | |
Gelegenheiten kann die Anerkennung jedes Bürgers durch den Staat | |
mitorganisiert werden. Das setzt funktionierende und vernetzte staatliche | |
Strukturen voraus. Unmöglich ist dies nicht. | |
Internationale Konventionen zum Schutz der Kinder, von Regierungen | |
ratifiziert und in Gesetze übertragen, gibt es genug. Aber sie reichen | |
nicht aus. Die hehren Worte müssen in der Wirklichkeit ankommen. Alle | |
Menschen von Geburt an als Bürger anzuerkennen und ihre Existenz sichtbar | |
zu machen, löst die Probleme nicht. Aber es ist der erste Schritt auf dem | |
Weg zu einer Lösung. | |
7 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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registriert und existieren offiziell nicht. |