| # taz.de -- "Elles" im Centre Pompidou: Die Kunst der anderen | |
| > Das Centre Pompidou in Paris zeigt 500 Werke von 200 Künstlerinnen aus | |
| > dem Sammlungsbestand. | |
| Bild: Besucher im Georges Pompidou Center in Paris wechseln die Ausstellungsrä… | |
| Aus einem kleinen Lautsprecher in der Wand tönt unablässig eine altmodische | |
| Telefonklingel; jemand tippt auf einer Schreibmaschine, ohne sich darum zu | |
| kümmern; ein Kleinkind rumort im Hintergrund. Von anderswo schwappt | |
| verspielte Elektroloungemusik von Pippilotti Rist her, die Anette Messagers | |
| Tonaufnahme eine kinematografische Qualität verleiht. Gegenüber ist | |
| Stakkato-Geklapper zu hören: Hinter Glasvitrinen, in denen Anna | |
| Castelli-Ferrieris leuchtende Plastikschalen präsentiert werden, stellt die | |
| junge Martha Rosler Küchengeräte vor, indem sie sie lärmend aufeinander | |
| schlägt. | |
| Dichte Inszenierungen wie diese machen die Ausstellung "elles", die noch | |
| bis zum 24. Mai 2010 im Pariser Centre Pompidou zu sehen ist, zum | |
| gelungenen Ereignis. Camille Morineau hat über 500 Werke von mehr als 200 | |
| Künstlerinnen aus der eigenen Sammlung in sieben Gruppen zusammen getragen. | |
| "Ein Zimmer für sich allein" nennt sie das Ausstellungskapitel, in dem | |
| Werke aus den 70er-Jahren neuen Raumarbeiten gegenübergestellt werden, um | |
| die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen künstlerischer Produktion zu | |
| untersuchen. Der Titel zitiert Virginia Woolf, deren gleichnamiger Text | |
| einen wichtigen Bezugsrahmen für die feministische Kunst der 70er-Jahre | |
| bildete. Voraussetzungen der schöpferischen Arbeit seien Mut, | |
| wirtschaftliche Unabhängigkeit und "ein Zimmer für sich allein", schreibt | |
| sie 1929. | |
| Die Sammlung des Centre Pompidou setzt bei Werken aus dieser Zeit ein. Im | |
| fünften Stock des Gebäudes wurden in der Abteilung für Moderne Kunst neun | |
| verstreute Räume für "elles" eingerichtet. Die Schnitzeljagd lohnt sich, | |
| das Museum verfügt über hervorragende Möbelkreationen der Pionierinnen | |
| Eileen Gray und Charlotte Perriand. Deren Stahlrohrliege, entworfen 1928 im | |
| Büro von Le Corbusier, gehört heute zu den Design-Klassikern. In einem | |
| anderen Saal erinnern Porträts gesellschaftlicher Randfiguren New Yorks, | |
| darunter Aufnahmen von Transvestiten und Hermaphroditen der Fotografinnen | |
| Diane Arbus und Lisette Model, an Virginia Woolfs Forderung, "Beziehungen | |
| zur Welt der Wirklichkeit und nicht zur Welt der Männer und Frauen" zu | |
| leben, "denn der wahre Künstler ist zweigeschlechtig". | |
| Aus den Texten im Katalog wird deutlich, wie schwierig die Überwindung der | |
| Geschlechter-Repräsentation noch heute ist. Denn im Grunde existiert nur | |
| ein Genus: das Weibliche. Das Allgemeine ist männlich. So gibt es das | |
| Universelle auf der einen und das Merkmal "weiblich" auf der anderen Seite. | |
| Tatsächlich scheint es nicht erwähnenswert, hebt Camille Morineau hervor, | |
| dass im nahe gelegenen Louvre und Musée dOrsay ausschließlich Arbeiten | |
| männlicher Künstler gezeigt werden. Deswegen war es ihr besonders wichtig, | |
| der Bestandsaufnahme der eigenen Sammlungsgeschichte einen spritzigen Titel | |
| zu geben - ein typisches Beispiel für den Eiertanz um die Gender-Falle: | |
| Denn Frauen müssen als Frauen das Wort erheben, um nicht wie Frauen | |
| behandelt zu werden. | |
| Die inhaltliche und mediale Vielschichtigkeit der breit aufgestellten | |
| Sammlung des Centre Pompidou zeigt jedoch, dass Künstlerinnen in allen | |
| Sparten auf höchstem Niveau agieren: Ist das Kapitel "Genitalpanik" den | |
| Aktivistinnen ab 1960 gewidmet, hat doch die Mehrheit der ausgestellten | |
| Künstlerinnen sich eigene Interessensschwerpunkte und individuelle | |
| Ausdrucksmittel erschlossen. | |
| Auf der vierten Etage des Museums, die "elles" vorbehalten ist, lassen sich | |
| eindringliche Fotografien von Susan Meiselas entdecken, die seit dem Ende | |
| der Siebzigerjahre die Revolution in Nicaragua und den Bürgerkrieg in El | |
| Salvador dokumentierte. Die ungewöhnliche Stille in diesen Bildern, die | |
| abscheuliche Gräuel thematisieren, reflektiert ihre kritische Haltung dem | |
| eigenen Beruf der Fotojournalistin gegenüber. Auch die kompakten, manchmal | |
| surrealen Zeichnungen von Sandra Vasquez de la Hora, entstanden zwischen | |
| 2003 und 2007, haben dieses Abwesende im Anwesenden: Auf kleinformatigen | |
| Blättern sitzen gesichtslose Körper zwischen Tier, Mensch und Objekt. | |
| Der Abschnitt "Eccentric Abstraction" widmet sich dem Innovationsfeld | |
| zwischen so gegensätzlichen Künstlerinnen wie Hanne Darboven und Louise | |
| Bourgeois; ein weiteres Kapitel geht ausführlich auf die narrativen | |
| Ausprägungen der jüngeren Videokunst ein. Gegen Ende dieser Ausstellung, | |
| die mit einem Besuch kaum zu bewältigen ist, lässt Delphine Reist in ihrem | |
| Video "Averse" einen reinigenden "Platzregen" niedergehen: In einem kargen | |
| Raum fallen nach und nach alle Neonröhren aus deckenseitigen | |
| Beleuchtungskörpern. Klirrend zerschellen sie am Boden. Die letzte macht | |
| das Licht aus. | |
| Bis 24. Mai 2010, [1][Centre Pompidou], Paris | |
| 11 Oct 2009 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.centrepompidou.fr/ | |
| ## AUTOREN | |
| Gloria Zein | |
| ## TAGS | |
| Moderne | |
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