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# taz.de -- Die Kommentierungen zu Obamas Friedensnobelpreis: Linke Lust am Sch…
> Die Miesepeter fühlen sich bestätigt: Barack Obama ist ein Schönredner,
> der nichts zustande bringt. Wenn sie sich da bloß nicht schon wieder
> täuschen.
Sogar in der legendären US-Comedy-Show "Saturday Night Live" machen sie
sich jetzt schon über Barack Obama lustig. "Man hat mir vorgeworfen, ich
würde die USA in eine Art Sowjetunion oder Nazideutschland verwandeln",
sagt da ein Fake-Obama in einer Fake-Ansprache in die Fernsehkamera, "man
hat mich sogar mit Stalin und Hitler verglichen." Dann fügt er hinzu: "Aber
ich frage Sie: Was habe ich denn bisher getan? Nichts! Gar nichts hab ich
getan." Und dann die Pointe: "Ich meine, ich habe vier Monate gebraucht, um
einen Hund auszuwählen!"
Mit ihrem TV-Sketch über den US-Präsidenten, der auf Youtube
hunderttausendfach angeklickt wird, greifen die Comedymacher ein derzeit
weit verbreitetes Gefühl auf: Dieser Präsident ist ein Großredner, aber ein
Zauderer. Ein Schönsprecher und Nichtstuer. Da passte die Verleihung des
Friedensnobelpreises an den US-Präsidenten natürlich prima ins Bild. "Total
lächerlich" sei das, konnte man da in deutschen und amerikanischen
Zeitungen lesen. Ein Preis an einen, der gute Absichten hat, aber noch
nichts Preiswürdiges getan hat. An einen, dem nichts gelingen will.
Schlimmer noch: An einen, dem der Afghanistankrieg, den er von seinem
Vorgänger geerbt hat, unter der Hand eskaliert.
Ohne Zweifel kann man die Frage stellen, was Barack Obama in den ersten
neun Monaten seiner Amtszeit zuwege gebracht hat und ob die Sache mit dem
Friedensnobelpreis so eine gute Idee war. Aber diese Kritik, die sich zu
einer kritischen Stimmung verdichtet, hat Obertöne. Sie klingt verdammt
stark nach einer Fortsetzung der Miesepeterei, die den Aufstieg Obamas von
Beginn an begleitete.
Erinnern wir uns: Zuerst hieß es, dass mit Sicherheit niemals in den USA
ein linksliberaler Schwarzer zum Präsidenten gewählt werden würde. Als der
dann tatsächlich gewählt wurde, verunsicherte das diese Art von Kritikern
natürlich keineswegs - sie waren sich dann ebenso sicher, dass Obamas Wahl
nichts ändern würde, schließlich sind die USA, wie sie sind, das wisse man
ja. Und jetzt, neun Monate nach Amtsantritt, ist eben zu hören: Seht ihr,
wir haben es ja immer schon gesagt, das wird nichts.
Fortsetzung der Miesepeterei
Das ist Miesmacherei. Es gibt eine regelrechte Lust, Obama scheitern zu
sehen, damit das depressive Bewusstsein nicht erschüttert wird. Offen
gesagt: Natürlich kann auch Obama scheitern. Ja, er hat in den vergangenen
neun Monaten ein paar Mal gezaudert, vielleicht hat er das Momentum seiner
triumphalen Wahl nicht ausreichend genutzt. Aber gibt es wirklich Grund für
das auftrumpfende Genörgel der Schwarzmaler?
Dass er nichts zuwege gebracht hat, ist schlicht nicht wahr. Seine
Regierung hat immerhin ein 787-Milliarden-Dollar-Programm zur
Konjunkturstabilisierung durch beide Häuser des Kongresses gebracht. Mag
sein, dass das angesichts des massiven Wirtschaftscrashs noch immer zu
wenig ist, aber man soll auch die Relationen sehen. In Deutschland führte
schon ein 50-Milliarden-Euro-Paket zu Panikattacken, dass die Staatsschuld
jetzt künftige Generationen auffrisst. Wenn wir jetzt
vorsichtig-zuversichtlich sagen können, dass der Welt offenkundig eine
zweite Große Depression erspart bleibt, dann muss man auch dazusagen: Die
Welt war knapp vor dem Abgrund. Davon weggeführt haben sie nicht zuletzt
die massiven Konjunkturprogramme der Obama-Regierung. Angesichts dessen ist
es schon einigermaßen abstrus, zu behaupten, sie habe gar nichts erreicht.
Gesundheit wird gemacht
Obama hat auch sein Versprechen wahr gemacht, im ersten Jahr einen Gutteil
seiner Energie darauf zu verwenden, eine allgemeine Gesundheitsversicherung
für alle Amerikaner durchzusetzen. Taktisch hat er wohl ein paar Fehler
gemacht, zeitweise die Oberhoheit über die Debatte verloren. Aber die
Bilanz wird am Ende gezogen.
Wenn es am Silvesterabend 2009 eine Krankenversicherung für (fast) alle
Amerikaner gibt, wird niemand in den USA mehr sagen können, dieser
Präsident bringe nichts zustande. Alle demokratischen Präsidenten der
vergangenen fünfzig Jahre sind an diesem Ziel gescheitert, noch nie war
einer dem Ziel so nahe wie Obama. Nach dem Votum des Finanzausschusses des
Senats für einen der Reformvorschläge am Dienstag meint etwa selbst
Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, der Obama zwischenzeitlich heftig
von links kritisierte: "Es sieht so aus, als würde Geschichte geschrieben."
Und vergessen wir auch nicht: Obama hat es mit einer randalierenden
konservativen Opposition zu tun, die aus vollen Rohren auf ihn schießt und
mit ekelhaften Lügenkampagnen gegen seine Reformpläne mobil macht.
Angesichts dieser wütenden Kampagne der Republikaner macht Obama taktische
Zugeständnisse. Man kann das "Realpolitik" nennen. Aber natürlich gibt es
auch die Linie, wie Krugman das formuliert, "an der Realismus in Schwäche
umschlägt". Er schreibt, viele Progressive hätten "das wachsende Gefühl,
dass sich die Obama-Regierung auf der falschen Seite dieser Grenze
befindet".
Bis jetzt hält er Kurs
Obamas Stärke war, dass er von einer regelrechten Volksbewegung ins Weiße
Haus getragen wurde. Er muss mit moderaten Republikanern Kompromisse
eingehen, aber es gibt auch rechte Demokraten, die er nicht automatisch auf
seiner Seite hat. In einem solchen Setting läuft er stets Gefahr, seine
Stärke zu verspielen, indem er seine Basis enttäuscht oder frustriert. Aber
bis jetzt hält er Kurs.
Und noch etwas: Im modischen Obama-Bashing gibt es auch einen
antiintellektuellen Reflex. Motto: Schönredner und Vieldenker sind halt
keine Tatmenschen. Aber wer würde behaupten, dass etwa Obamas historische
Kairoer Rede "nichts verändert" hat? Indem er den amerikanischen
Progressiven wieder eine Sprache gegeben hat, hat er die Vorherrschaft der
Konservativen in seinem Land gebrochen. Und seine Vision für eine
atomwaffenfreie Welt und sein Wille zur Abrüstung, für die er mit dem
Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, wirklich nichts?
Weltveränderung fängt mit reden an. Und wenn einer für ein Problem die
richtigen Worte findet, dann kann das schon sehr viel verändern.
16 Oct 2009
## AUTOREN
Robert Misik
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