| # taz.de -- Der Artrock der Grizzly Bears: Seltsames Verlangen nach Soul | |
| > Vierstimmig singen und sehnen: Im Hamburger Club Grünspan begann die Tour | |
| > des New Yorker Quartetts Grizzly Bear. | |
| Bild: Art-Rock, gepaart mit dem seltsamen Verlangen nach Doo Wop und Soul - das… | |
| Vor vier Jahren, als die komplizierte Kunstmusik von Grizzly Bear noch | |
| etwas hilflos mit "Anti-Folk" oder "New Weird America" charakterisiert | |
| wurde, verloren sich keine 30 Leute auf ihrem Konzert in Hamburg. Dass es | |
| diesmal anders werden würde, war ausgemachte Sache. Im Frühjahr hat die New | |
| Yorker Band mit "Veckatimest" eines der Alben des Jahres vorgelegt, dann | |
| folgte ein wegweisender Auftritt in der Talkshow von David Letterman, und | |
| es ging mit Radiohead auf große US-Tour. Der geräumige Hamburger Club | |
| Grünspan ist zum Auftakt ihrer Deutschlandtournee jedenfalls ausverkauft. | |
| Viel studentisches Volk tummelt sich da. | |
| Auf der Bühne findet sich allerlei rockverneinendes Equipment wie ein | |
| elektrisches Hackbrett. Flankiert wird die Bühne von sechs unterschiedlich | |
| hohen Lichtgalgen, von denen mehrere nackte Glühbirnen in einer Art | |
| Einmachglas baumeln. Eine Parodie auf die extravagant-bombastischen | |
| Bühnenbilder von Depeche-Mode-Designer Anton Corbijn? Oder der leise | |
| Protest gegen die Einführung von Energiesparlampen? Ist das überhaupt ein | |
| Thema in New Yorks kreativ hoch gelobter Kunstpopszene? | |
| Zwei ihrer hellsten Sterne - Grizzly Bear und St. Vincent - haben sich nun | |
| zum Banddoppel zusammengetan, wobei die fünf oder sechs Stücke der | |
| ätherischen Klangweltenbauerin St. Vincent leider im Chaos ihres | |
| Maschinenparks untergehen. Nie findet die traumwandlerische Stimme der | |
| schwarz gelockten Sängerin Annie Erin Clark den Steigbügel ihrer | |
| Rhythmusmaschine. Das ändert sich nur, als zum steinerweichend schönen | |
| Finale "The Party" Grizzly-Bear-Gitarrist Daniel Rossen die Bühne betritt. | |
| Der Mann, der einen veritablen jungen Paul Simon abgeben würde, lenkt den | |
| St.-Vincent-Auftritt sanft und bescheiden aus der Krise. | |
| Während der Umbaupause verhackstückt ein DJ aufs Großartigste Power-Soul | |
| mit dubbigen Hallfahnen. Dem freundlich unterkühlten hanseatischen Publikum | |
| ists schnuppe. | |
| Es wartet sehnsüchtig auf die singende Grizzly-Bear-Doppelspitze Ed Droste | |
| und Daniel Rossen. Der fiebrige Auftaktsong "Southern Point" eröffnet ihr | |
| Set - ein Stück, das trotz seiner an Folk gemahnenden Gitarrenlicks etwa | |
| ebenso viele Teile hat wie ein Genesis-Song. War es am Ende gar nicht | |
| ironisch gemeint, als Grizzly Bear auf einem frühen Album "Owner of a | |
| Lonely Heart" der englischen Prog-Rock-Band Yes coverten? | |
| Eines der wichtigsten Bühnenaccessoires von Grizzly Bear an diesem Abend | |
| sind Minikopfhörer. Immer wieder halten sich die vier Musiker, neben Rossen | |
| und Droste der Bassist Chris Taylor und der Schlagzeuger Chris Bear, | |
| angestrengt dreinblickend die Kopfhörer ans Ohr. Denn das Wichtigste bei | |
| Grizzly Bear ist der perfektionistische mehrstimmige Gesang. | |
| Während die Hits des neuen Albums diszipliniert, aber auch etwas | |
| unspektakulär abgefeuert werden, das supertrampige "Two Weeks" etwa, der | |
| verhinderte Motown-Klassiker "Cheerleader" oder das folkige "While You Wait | |
| For The Others", wird klar: Spannend an Grizzly Bear ist die Mischung aus | |
| ihrer Art-Rock-Motivation und das unerklärliche Verlangen nach | |
| Soul-Absolution. Lasst Vierstimmigkeit um mich sein, so das Credo dieser | |
| Kopfhörerband, die sich - das wird an diesem Abend offensichtlich - im | |
| Studio wohler fühlt denn auf einer Bühne. | |
| Nach nur 70 Minuten ist Schluss, die Zugaberufe werden mit nur einem | |
| Coversong belohnt, der Grizzly-Bear-Version einer | |
| Früh-60er-Phil-Spector-Ballade, "He Hit Me (And it Felt Like A Kiss)". All | |
| der freundliche Applaus nutzt nichts, die Studenten gehen ohne Murren nach | |
| Haus. Sie wurden Zeugen eines derzeit wohl einmaligen Pop-Ansatzes: | |
| Art-Rock, gepaart mit dem seltsamen Verlangen nach Doo Wop und Soul - das | |
| gibt es derzeit so schön nur von Grizzly Bear. | |
| 12 Nov 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| Eric Leimann | |
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| Debütalbum | |
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