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# taz.de -- Baugruppen und Gentrifizierung: "Wir möchten in Dialog kommen"
> Das Hausprojekt von Peter M. in Friedrichshain steht zwischen ehemals
> besetzten Häusern. Das Verhältnis zu den Nachbarn ist angespannt: "Wir
> werden als Synonym der Gentrifizierung angesehen".
Bild: Ausgebranntes Auto in Berlin
taz: Herr M., Sie haben in Friedrichhain mit einer Baugruppe ein Haus
gebaut. Wie ist das Verhältnis zu den unmittelbaren Nachbarn?
Peter M.: Das Verhältnis ist kalt. Wir werden ausgegrenzt. Die Erwachsenen
reden nicht miteinander. Es gibt nur Kontakt über den Kindergarten, den
unsere Kinder besuchen. Wir würden gern mit unseren Nachbarn über die
Probleme reden - auch auf neutralem Boden mit Mediator. Aber das lehnen sie
ab.
Was sind das für Probleme?
Die Häuser in der Nachbarschaft wurden Anfang der 90er-Jahre besetzt und
sind jetzt in selbst verwaltetem Besitz. Das Grundstück, das unsere
Baugruppe 2008 gekauft hat, befand sich in einer Baulücke zwischen zwei
dieser ehemals besetzten Häuser. Die Bewohner hatten die Brache als Garten
zwischengenutzt und dafür Pacht gezahlt. Als das Grundstück zum Verkauf
anstand, haben sie mitgeboten, konnten den geforderten Preis aber nicht
bezahlen.
Die Enttäuschung kann man verstehen.
Durchaus. Aber wenn wir nicht gekommen wären, hätten andere gebaut.
Vielleicht sogar ein Inverstor. Mit Baubeginn setzten Sabotageaktionen ein.
Vom wem diese ausgegangen sind, wissen wir nicht.
Um was für Sabotage handelte es sich?
Vom Bagger wurden die Bremsschläuche durchgeschnitten. Fensterscheiben
wurden eingeschlagen, Kabel geklaut. Dann wurde es ruhiger. Mit unserem
Einzug gab es Schmierereien, die Eingangstür wurde mit Farbe überschüttet,
Müll wurde aufs Grundstück geschmissen, erneut wurden Scheiben zerstört. Es
gab auch Beschimpfungen und Körperverletzungen.
Was ist passiert?
Ich möchte das nicht hochspielen. Vergangenes Silvester, als wir uns von
unserer Dachterrasse das Feuerwerk angeschaut haben, sind wir mit Raketen
beschossen worden. Mehrere Leute wurden getroffen. Eine Frau hat es ganz
dicht am Auge erwischt. Sie musste ins Krankenhaus, das Augenlid war
angerissen. Zum Glück war es nichts Schlimmeres. Die Frau war aber stark
traumatisiert. Wir haben jedes Mal die Polizei eingeschaltet, aber die
Ermittlungen haben zu nichts geführt.
Haben Sie ein Gegenkonzept?
Nach wie vor haben wir das Ziel, mit unseren Nachbarn in Dialog zu kommen.
Wir bedienen das Feinbild doch gar nicht, das alle Neubauten Carlofts sind,
die von stinkreichen Leuten aus Westdeutschland bewohnt werden. Über die
Hälfte der Leute aus unserer Baugruppe, auch ich, haben schon vorher im
Kiez gewohnt. Wahrscheinlich liegen wir und unsere Nachbarn politisch gar
nicht so weit auseinander. Wir haben ein ökologisches Haus gebaut mit einer
Grauwassernutzung und einem hohen Energiestandard.
Abgesehen von der Enttäuschung über den Verlust des Gartens - haben Sie
noch eine andere Erklärung für die Anfeindungen?
Es geht gar nicht um uns. Ähnlich wie Automobile angezündet werden, werden
Häuser wie unseres verteufelt, weil sie als Synonym für Gentrifizierung
angesehen werden.
Was halten Sie dagegen?
Die ganze Stadt besteht aus Eigentum. Wenn wir als Mittelstandsbürger am
Stadtrand ein Haus gebaut hätten, würde kein Hahn danach krähen. Aber es
gibt nun mal eine Bewegung von Familien wie uns, die in der Stadt leben
wollen. Ich halte es für einen ganz normalen Prozess, dass man sein Geld,
statt es für Miete zu vergeuden, in seine Altersversicherung investiert.
Man braucht dafür ein bisschen Startkapital oder einen Kredit unter der
Voraussetzung, dass man ein geregeltes Arbeitsverhältnis hat. Aber mit
Luxus hat das, wie wir leben, nichts zu tun.
Ist die Debatte über Gentrifizierung überflüssig?
Überhaupt nicht. Problematisch ist, dass Leute, die in ehemals besetzten
Häusern eine andere Lebensform praktizieren und diese auch toleriert haben
möchten und die dafür sogar öffentliche Mittel in Anspruch genommen haben,
sich hinstellen und sagen: Ihr dürft hier nicht wohnen. Ihr passt hier
nicht her.
INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE
20 Nov 2009
## AUTOREN
Plutonia Plarre
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