# taz.de -- Frank Schirrmachers neuester Krisenreport: Das Digitakel aus Frankf… | |
> Was ist denn da los? Der Herausgeber der "FAZ" verliert die Kontrolle | |
> übers Denken, um sie dann - puh - doch wieder zurückzugewinnen. | |
> Nachzuverfolgen in seinem Buch "Payback". | |
Bild: Hat er etwa den Anschluss verpasst? FAZ-Mastermind Frank Schirrmacher. | |
Was mich angeht, so muss ich bekennen, dass ich den geistigen Anforderungen | |
unserer Zeit nicht mehr gewachsen bin." Kann das Buch eines Feuilletonchefs | |
koketter beginnen? Der Philosoph der digital Überforderten ist kein | |
Geringerer als FAZ-Herausgeber und Feuilletonleiter Frank Schirrmacher | |
selbst. Der behauptet aktuell, sein "Kopf kommt nicht mehr mit" ("Payback", | |
Blessing 2009). Armer Kopf, digital datengeflutet und mobil | |
dauerkommuniziert. Ferngesteuerter Mensch, bist schon Maschine? "Es ist | |
also schwieriger geworden, ein Buch zu lesen, weil unser Gehirn sich unter | |
dem Druck digitaler Informationsfluten umzubauen beginnt." | |
Auf "Methusalemkomplex" und Überfremdungsangst folgt also jetzt seine | |
genüsslich vorgetragene Beschreibung einer digitalen Zersetzung von Alltag | |
und Gesellschaft. Vom Printmedienstandpunkt aus scheint das nicht völlig | |
unbegründet: Nach Gewinneinbrüchen schrumpfte das FAZ-Feuilleton | |
beträchtlich und orientiert sich wieder stärker in Richtung Tradition. | |
Keine Zeit für Experimente. Die letzte radikale Entscheidung, das | |
Fernsehprogramm zugunsten von Texten aus der Zeitung zu werfen, wurde | |
schnell korrigiert. | |
Schrumpfende Feuilletons entlasten aber keineswegs ihre Macher. "Wir sind | |
in ständiger Alarmbereitschaft", schreibt Schirrmacher. "Ich lebe ständig | |
mit dem Gefühl, eine Information zu versäumen oder zu vergessen, und es | |
gibt kein Risiko-Management, das mir hilft." Trotz ausbleibender Hilfe sei | |
er aber "noch nicht bereit, den Bankrott zu erklären". | |
Sonst hätte er jetzt auch gleich auf sein neues Buch verzichten können. So | |
empfiehlt er aber dort Albrecht Müllers Nachdenkseiten ("im besten Sinne | |
alteuropäische Diskurse") und digitakelt über Twitter: "140 Zeichen Text | |
können durch eine Art soziale Infektion potenziell globale Lemming-Effekte | |
auslösen." Die vielen "Informationskaskaden produzieren Konformismus" und - | |
wohl wahr - "Herdeneffekte", die das Gegenteil von individueller | |
Aufmerksamkeit sind. Man stelle sich im weiteren Verlauf der Ausführungen | |
den 1959 in Wiesbaden geborenen Kulturkritiker vor, wie er mit Denkerstirn | |
auf dem Potsdamer Landsitz zu seiner Rebecca spricht: "Es ist schwer, | |
dagegen Widerstandskraft aufzubringen, wenn die Aufmerksamkeit bereits | |
aufgefressen worden ist." | |
Aufgefressen wird, wer dieses Traktat Zeile für Zeile liest. "Kein Mensch | |
kann mehr daran zweifeln, dass wir in eine neue Ära eingetreten sind, aber | |
die Zweifel, wohin sie uns führt, wachsen täglich." Die Welt gehört den | |
Zweiflern. Und so wurde sein 240-seitiges Werk auf FSC-zertifiziertem | |
Papier der Marke Munkem Premium gedruckt. Ein E-Book hätte es auch getan. | |
21 Nov 2009 | |
## AUTOREN | |
Andreas Fanizadeh | |
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