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# taz.de -- Kommentar Chemieunfall in Frankreich: Auf einem Vulkan
> So lange alles gut ging, war die Chemiefarbik als Arbeitgeber hoch
> willkommen. Keiner wollte die gefährliche Anlage in Frage stellen.
> Hinterher sind alle klüger.
Bild: Ehemalige AZF-Arbeiter zeigen schon bei Prozessbeginn, im Februar 2009, d…
In Toulouse war AZF ein geschätzter Arbeitgeber wie andere auch. Gewiss,
die Produktion von Düngemitteln verbreitet keine angenehme Düfte, aber 500
Arbeitsplätze riechen nie schlecht. Erst am schrecklichen 21. September
2001, als ein ganzes Quartier durch eine riesige Explosion bei AZF vom
Erdboden verschwand, wurden sich die Bewohner bewußt, dass sie auf einem
Vulkan gelebt haben.
Als die Werkanlage vor 80 Jahren gleich neben einer Pulverfabrik gebaut
wurde, stand sie noch abseits der Wohnquartiere. Mit der Stadt selber wuchs
seither zugleich auch das Vertrauen in die Sicherheit dieser Industrie. Die
Risiken der Chemie waren zwar bekannt, aber man beruhigte sich mit
Feuerwehrübungen.
Toulouse war gewiss nicht der einzige Ort, der sich den wirtschaftlichen
Aufschwung nicht durch Katastrophenwarnungen vermiesen lassen wollte.
Welcher Politiker wollte es da riskieren, die Anwesenheit einer so
genannten Seveso-Industrieanlage (EU-Richtlinie, benannt nach dem
Chemieunglück im norditalienischen Seveso 1976) in Frage zu stellen?
Weil doch geschah, was nie hätte geschehen dürfen, suchen die Betroffenen
und Geschädigten nach Schuldigen oder Sündenböcken. Da es sich zudem um die
größte Industriekatastrophe in der französischen Geschichte handelt, wurde
eine exemplarische Strafe für die Verantwortlichen erwartet. Diesem
Bedürfnis wollten und konnten die Richter von Toulouse nun nicht zur
Zufriedenheit entsprechen.
Der bloße Tadel für die AZF-Firmenleitung wegen offensichtlichen
Organisationsfehlern und angeblichen Versuchen, die Justiz hinters Licht zu
führen, erscheint den Nebenklägern jetzt wie ein Affront. Der
Gerichtspräsident versuchte vergeblich den über den Freispruch verbitterten
Familien der Opfer zu erklären, dass es der Justiz nicht reiche zu sagen,
was wahr sein könnte - sie brauche Beweise.
Es war auch nicht ihre Aufgabe, im Nachhinein zu entscheiden, ob die
AZF-Fabrik zu Recht dort stand, wo sie einst erstellt worden war. Nachher
sind alle immer klüger - sogar die Journalisten.
20 Nov 2009
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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Urteil zu AZF-Katastrophe in Frankreich: Chemieunfall mit 31 Toten ungesühnt
Ein französisches Gericht vermag keine Schuld für die Explosion der
AZF-Fabrik nahe Toulouse am 21. September 2001 festzustellen. Die
Angeklagten wurden freigesprochen.
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