# taz.de -- Gebetsraumprozess: Schulgebet muss wieder vor Gericht | |
> Die CDU freut sich, dass der Senat in die nächste Instanz geht: Der Staat | |
> dürfe nicht die Ausübung der Religion für Schüler organisieren. FDP | |
> fordert Rot-Rot dagegen auf, nicht den "Prozesshuber" zu geben. | |
Die Entscheidung von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD), Berufung gegen | |
das sogenannte Gebetsraum-Urteil einzulegen, hat zu gegensätzlichen | |
Reaktionen geführt. Der Senator solle nicht "den Prozesshuber geben", meint | |
etwa Mieke Senftleben, bildungspolitische Sprecherin der FDP im | |
Abgeordnetenhaus. Zöllner solle stattdessen das Urteil, das muslimischen | |
SchülerInnen das Beten in der Schule gestattet, akzeptieren. Ganz anders | |
sieht das ihr CDU-Kollege Sascha Steuer: Es sei nötig, dass eine | |
Grundsatzentscheidung falle, die "nicht so umstritten ist wie das erste | |
Urteil", so Steuer. | |
Das im September vom Berliner Verwaltungsgericht beschlossene Urteil hatte | |
einem muslimischen Schüler eines Gymnasiums in Mitte das Recht | |
zugesprochen, während der Schulzeit zu beten. Das müsse allerdings | |
außerhalb der Unterrichtszeit geschehen, so das Gericht. Der Schule wurde | |
aufgetragen, dafür zu sorgen, dass dies nicht zu "unzumutbaren | |
Beeinträchtigungen des Schulbetriebs" führe. Dies war vielfach als | |
grundsätzliche Verpflichtung der Schulen zur Einrichtung von Gebetsräumen | |
interpretiert worden. | |
Zöllner will nun gegen das Urteil angehen, um "die Sache zweifelsfrei zu | |
klären". Dazu fühle er sich den Schulen gegenüber verpflichtet, so Zöllner, | |
denn: "Ich gehe davon aus, dass wir in sehr vielen Schulen dieses Problem | |
haben." Die Schulen dürften deshalb damit nicht allein gelassen werden. | |
Bei den Grünen stößt die Entscheidung des Senators auf Zustimmung: Das | |
Urteil des Verwaltungsgerichts habe zu "großer Verunsicherung" in den | |
Schulen geführt, so die migrationspolitische Sprecherin der Grünen im | |
Abgeordnetenhaus, Canan Bayram. Es sei deshalb wichtig, "Klarheit zu | |
schaffen", so Bayram. Grundsätzlich hielten die Grünen es für die Schulen | |
nicht zumutbar, Gebetsräume zur Verfügung zu stellen - auch, weil damit der | |
Druck gläubiger SchülerInnen auf andere muslimische MitschülerInnen steigen | |
könne, am Gebet teilzunehmen. | |
Laut der Antwort von Bildungsstaatssekretärin Claudia Zinke auf eine | |
parlamentarische Anfrage des Grünen-Bildungspolitikers Özcan Multu gibt es | |
derzeit an zwei weiteren Berliner Schulen Anfragen von SchülerInnen nach | |
der Einrichtung von Gebetsräumen. | |
Es lägen ihm keine Hinweise darauf vor, dass das Verrichten von Gebeten | |
oder das Einrichten von Gebetsräumen ein dringendes Problem an vielen | |
Schulen sei, sagt auch Peter Sinram, Sprecher der Berliner Gewerkschaft | |
Erziehung und Wissenschaft (GEW). Dennoch begrüßt auch die GEW Zöllners | |
Entscheidung einer weiteren gerichtlichen Klärung. Es müsse Rechtsklarheit | |
darüber hergestellt werden, inwieweit sich Schulen auf die individuellen | |
Rechte der Schüler auf freie Religionsausübung einzustellen hätten, so | |
Sinram. | |
Für CDU-Mann Steuer steht fest: Es könne nicht Aufgabe des Staats sein, die | |
Religionsausübung der Schüler zu organisieren. Die Liberale Mieke | |
Senftleben sieht dagegen den Staat in der Verantwortung, "für ein | |
ausgeglichenes Miteinander der Religionsgemeinschaften zu sorgen". Dies sei | |
nicht durch Prozesse zu erreichen: "Respekt und Toleranz gegenüber | |
Andersgläubigen erwirkt man durch Aufklärung, nicht durch Dramatisierung | |
und Stigmatisierung." Wann die nächste Instanz urteilt, steht noch nicht | |
fest. AWI | |
21 Nov 2009 | |
## AUTOREN | |
Alke Wierth | |
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