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# taz.de -- Kritik: Täter werden Opfer
> Bremens Städtische Galerie zeigt derzeit eine Ausstellung über "Entartete
> Kunst". Doch unter diesem Label vollzieht sich eine "Ehrenrettung"
> systemkonformer Akteure, meint der Regionalhistoriker Ferdinand Krogmann
Bild: Franz Radziwills Stahlhelm galt jedenfalls nicht als entartet
Für den Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen soll die Ausstellung "'entartet'
- beschlagnahmt" die Situation der Bremer Künstler zwischen 1933 und 1945
aufzeigen, besonders derjenigen, die verfolgt wurden. Sie soll, so Böhrnsen
bei der Eröffnung, gegen das Vergessen kämpfen und "Wiedergutmachung
leisten". Diesem Anspruch wird die Städtische Galerie jedoch nur
ansatzweise gerecht.
Fragwürdig schon der Titel: Er legt die Vermutung nahe, dass die
ausgestellten Künstler in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurden.
Das aber trifft nur auf eine Minderheit zu: Mindestens sechs von ihnen
waren Parteimitglieder und konnten zumeist ungestört weiterarbeiten.
Ähnlich groß die Zahl derer, die sich dem NS-Kunstbetrieb anpassten. Ist es
gerechtfertigt, von einem "entarteten Künstler" zu sprechen, wenn nur ein,
zwei oder drei Bilder beschlagnahmt wurden und wenn von den sieben
betroffenen Malern vielleicht einer verfolgt wurde?
Neben einer fragwürdigen Auswahl und einem Titel, der die gezeigten
Künstler fast automatisch zu Verfolgten des NS-Regimes macht, hat diese
Kunstschau einen schweren Mangel. Obwohl der Untertitel verspricht, "Bremer
Künstler im Nationalsozialismus" vorzustellen, fehlen deren Arbeiten ab
1933 fast völlig. Der Ausstellungskatalog spart sogar alle systemkonformen
Bilder, Plastiken und Architekturmodelle aus. Keines der zahlreichen vom
"Völkischen Beobachter" hoch gelobten Panzerbilder von Rudolf Hengstenberg
ist zu sehen: kein "Panzermann", keine "Panzerkampfwagen im Morgenrot".
Auch von Radziwill fehlen die Werke, die den NS-Geschmack trafen: "Der
Stahlhelm", "Die Beschießung von Almeria durch die deutsche Flotte" oder
"Die Tankschlacht von Cambrai".
Von Hoetger hätte ein Foto vom Himmelssaal in dem von ihm entworfenen "Haus
Atlantis" in der Bremer Böttcherstraße nicht fehlen dürfen. Darauf zu
sehen: Hoetgers Skulptur "Der Tag". Ein nackter Jüngling, der in den
erwachenden Tag hinein schreitet, auf einem Sockel, in den die Runen der SS
eingraviert sind. Auch Hoetgers Hitler-Büste hätte gezeigt werden können
sowie sein Relief "Wehrhaftigkeit" für die Luftwaffenschule Greifswald. Bei
Carl Emil Uphoff, einem der führenden Nationalsozialisten in Worpswede,
bleiben, bis auf eine Ausnahme, die zahllosen Gedichte unerwähnt, in denen
er den NS-Alltag hymnisch begleitete und Lobgesänge auf den Führer
anstimmte.
Ohne eine Gegenüberstellung von "entarteter Kunst" einerseits und der nach
1933 andererseits bleibt die Ausstellung Makulatur. Dürftig fallen vielfach
auch die Lebensläufe der Künstler aus. Nur bruchstückhaft wird über ihre
Rolle im "Dritten Reich" berichtet, viele Behauptungen des
Ausstellungskatalogs, selbst Zitate, werden nicht wissenschaftlich belegt.
Ihre Überprüfbarkeit ist deshalb nur schwer möglich.
So soll sich Radziwill ab 1935 vom Nationalsozialismus distanziert haben.
Der Haller Kunstprofessor Olaf Peters kommt in seiner Studie über "Neue
Sachlichkeit und Nationalsozialismus" hingegen zum Schluss, der Maler habe
das zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich getan. Das wird auch in Dangast, wo
Radziwill seit 1923 wohnte, so erinnert. Karl-Heinz Funke, der frühere
Bundeslandwirtschaftsminister, erklärte kürzlich: Radziwill "war ein Nazi
... sogar ein besonders scharfer Nazi". Er habe Nachbarn verpfiffen und
sich nach Ämtern gedrängt. Funke: "Das nehmen ihm viele bis heute übel."
Unkritisch gehen die Ausstellungsmacher nicht nur mit den Künstlern und
deren Biographien um, sondern auch mit der 1934 in Bremen gegründeten
"Nordischen Kunsthochschule". Sie war die erste nationalsozialistische
Kunsthochschule Deutschlands und sollte "schöpfend aus dem Urgrunde
deutsch-nordischen Volkstums" beim "Aufbau arteigener Kultur im Sinne Adolf
Hitlers" helfen. So formulierte es der Worpsweder Maler Fritz Mackensen,
erster Direktor der neuen Institution, im Vorwort zur Studienordnung. Drei
der Professoren, die sich an diesem "Aufbau" beteiligten, tauchen in der
Städtischen Galerie wieder auf: die Parteimitglieder Hengstenberg, Theodor
Schultz-Walbaum und Wilhelm Tegtmeier. An der Gründung der Institution
maßgeblich beteiligt war SS-Standartenführer und Bildungssenator Richard
von Hoff, Bremens führender Rassentheoretiker.
Was Tegtmeier und Co vor diesem Hintergrund in der
"entartet/beschlagnahmt"-Ausstellung zu suchen haben, ist kaum zu
verstehen. Ihre Gegenwart ist ein Schlag in das Gesicht der Künstler, die
nach 1933 schweren Verfolgungen ausgesetzt waren. Soll den Besuchern der
Städtischen Galerie eine möglichst stattliche Zahl von "Entarteten"
präsentiert werden, um den Eindruck zu erwecken, dass das Ausmaß der
Verfolgung auf dem Felde der Kunst im Raum Bremen groß war und nun
Wiedergutmachung für die "Opfer" nötig sei?
Das allerdings wäre ein regionaler Beitrag zu den Bestrebungen, die
deutsche Geschichte von 1933 bis 1945 umzuschreiben, indem man aus Tätern
und Mitläufern Opfer macht.
20 Nov 2009
## AUTOREN
Ferdinand Krogmann
## TAGS
Kunst
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