# taz.de -- Ausstellung: Die Magie der Models | |
> Die Fotografen Lillian Bassman und Paul Himmel waren ein Paar. Beide | |
> fotografierten Mode und hatten doch Experimente im Sinn. Dass die besser | |
> ohne digitale Nachbearbeitung funktionieren, zeigt eine Ausstellung in | |
> den Hamburger Deichtorhallen. | |
Bild: Paul Himmels gespiegeltes Familien-Selbstportrait aus dem Jahr 1950, gema… | |
Der Name Paul Himmel klingt, als käme sein Träger von der norddeutschen | |
Küste, aber das tut er nicht. Ganz im Gegenteil. Paul Himmel kam 1914 in | |
New Haven zur Welt und wuchs in New York auf. Er hat er unter anderem als | |
Fotograf gearbeitet, aber so gut wie nie eine Landschaft und auch keinen | |
Himmel fotografiert. Verheiratet war Paul Himmel mit der Fotografin Lillian | |
Bassman, die 1917 geboren wurde und ebenfalls in New York aufwuchs. Das | |
muss man wissen, wenn man über die Ausstellung "Lillian Bassman & Paul | |
Himmel" spricht. Es geht um zwei Künstler aus Amerika, die 78 Jahre lang | |
ein Paar waren und deren recht unterschiedliche Arbeiten derzeit in den | |
Hamburger Deichtorhallen zu sehen sind. | |
Der Unterschiedlichkeit der beiden Künstler trägt die Ausstellung Rechnung, | |
indem sie nichts vermengt. In der linken Hälfte der Deichtorhallen: Paul | |
Himmel. In der rechten: Lillian Bassman. In der Mitte Arbeiten, bei denen | |
sie sich gegenseitig fotografiert haben. Hier wirds familiär: Er beim | |
Fischen, sie beim Haareschneiden, die Kinder, die Freunde. Will man das | |
sehen? Ja, will man. Weil man längst angefangen hat, sich zwei Leben | |
vorzustellen. Zwei Leben zweier Charaktere, die beide als Modefotografen | |
arbeiteten und eigentlich Kunst im Sinn hatten. Also fingen sie an zu | |
experimentieren, jeder auf seine Weise. | |
Paul Himmels interessanteste Methode war der virtuose Umgang mit Über- und | |
Langzeitbelichtung. Berühmt geworden sind seine Fotos des New York City | |
Ballets aus den Jahren 1951 und 1952: Zum Beispiel die Ballerina, die auf | |
einer Zehenspitze über die Bühne zu ihrem Tanzpartner trippelt. Himmels | |
Bild zeigt die Ballerina beim Tänzer und neben ihr ihre Beine in Reihung, | |
unscharf durch die Bewegung. Himmel schafft es, eine Bewegung in ihrem | |
zeitlichen Verlauf festzuhalten. Das Foto gibt nicht nur einen Moment, | |
sondern eine Zeitspanne wieder. Schemenhaft, und dadurch umso | |
atmosphärischer. | |
Ausprobiert hatte Himmel die Methode bereits 1947 bei Modefotos in der | |
Central Station in New York. Eine Menschenmasse, aus der Vogelperspektive | |
fotografiert. Bis auf das Model sind die Menschen dank Bewegungsunschärfe | |
geisterhaft verwischt - und wirken magisch bewegt. | |
Ein faszinierender Effekt auch wegen der haptischen Qualitäten des | |
Materials, auf dem das Foto entstanden ist. Es ist ein Unterschied, ob ein | |
Fotograf echtes Filmmaterial virtuos belichtet, oder ob ein | |
Computerprogramm digital Pixel verändert. Das kann man in dieser | |
Ausstellung sehen. | |
Man kann es auch deswegen sehen, weil Lillian Bassman einen Teil ihrer | |
Fotos ab den 1990er Jahren digital nachbearbeitet hat. Bassman machte in | |
der Modefotografie schneller Karriere als ihr Mann, 1949 beispielsweise | |
schickt sie das Magazin Harpers Bazaar nach Paris, um dort die Haute | |
Couture zu fotografieren. Bassman versucht, die Anmut und Grazie der Frauen | |
festzuhalten. Ihr geht es um Formen, die entstehen, wenn ein feingliedriger | |
Arm zu einem Kinn geht, das nach oben gereckt einen schlanken Hals | |
verlängert. | |
Es sind tolle, zeitlose Inszenierungen, die Bassman in den 1940er und | |
1950er Jahren nachbearbeitet hat mit Bleichmittel oder | |
Nachbelichtungsmasken. Die Arbeiten blieben in der Regel als Fotos | |
erkennbar. Bassmans späte digitale Nachbearbeitung aber macht aus Fotos | |
Grafiken, auf denen die grazile Pose mitunter ins Kitschige kippt. Ein | |
Eigentor. Und ein Glück, dass die Ausstellung nicht nur digital | |
nachbearbeitete Bassman-Fotos zeigt. | |
Denn interessant ist schon, wie die Models damals wirklich aussahen. In | |
einem Interview erzählt Bassman, wie sie von der deutschen Vogue engagiert | |
wurde für ein Foto-Shooting in Rom. Bassman buchte ein 30-jähriges Model, | |
bei dem ihrer Meinung nach alles passte - der Hals, das Gesicht, die Arme. | |
Wenige Stunden vor dem Shooting luden die Vogue-Redakteure Bassmans Model | |
aus und engagierten stattdessen eines jener Mädchen-Models, wie sie | |
heutzutage die Szene prägen. "Ich wollte eine Frau fotografieren und sie | |
schickten ein Kind. Das Mädchen war vielleicht 14 oder 16 Jahre alt. Das | |
hat mich fertig gemacht", sagt Bassman. Der Trend zum jüngeren Model setzte | |
laut Bassman bereits in den 1970er Jahren ein. Damit habe ihr Ausdruck | |
abgenommen. "Ich habe mich gelangweilt", sagte sie dem SZ-Magazin. "Und | |
gekündigt." | |
1 Dec 2009 | |
## AUTOREN | |
Klaus Irler | |
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