# taz.de -- Outsourcing im Bundestag: Steuergelder für Gesetz-Ghostwriter | |
> Während der großen Koalition beauftragten Ministerien eifrig externe | |
> Juristen, Gesetzestexte zu schreiben. Sehr aktiv: der heutige SPD-Chef | |
> Sigmar Gabriel. | |
Bild: Steht auf Outsourcing: Sigmar Gabriel. | |
BERLIN taz | Die Aufregung im Bundestagswahlkampf war groß: Der damalige | |
Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte die | |
Anwaltskanzlei Linklaters damit beauftragt, einen Gesetzentwurf zur | |
Sanierung angeschlagener Banken zu formulieren. Die | |
Grünen-Spitzenkandidatin Renate Künast sagte, für sie sei das ein Fall für | |
den Rechnungshof: "Ich will wissen, wie viel Steuergeld Guttenberg für | |
diesen Entwurf gezahlt hat." | |
Auch die damals amtierende SPD-Justizministerin Brigitte Zypries fand es | |
"unverantwortlich, eine große Wirtschaftskanzlei zu beauftragen, statt den | |
vorhandenen Sachverstand innerhalb der Bundesregierung zu nutzen". | |
FDP-Mann Dirk Niebel sagte: "Man fragt sich zwangsläufig, was eigentlich | |
der ganze fachkundige Ministeriumsapparat macht, wenn Gesetzestexte | |
außerhalb erarbeitet werden." | |
Die Linksfraktion wollte es genau wissen und verlangte eine detaillierte | |
Auflistung: Welche Ministerien haben sich in welchen Jahren bei der | |
Formulierung von Gesetzen oder Verordnungen von Kanzleien oder Unternehmen | |
helfen lassen? | |
Nach monatelangem Zögern hat die Bundesregierung die [1][Antwort] (PDF) | |
geschickt. Sie zeigt: Viel häufiger als Guttenberg setzten die | |
Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) und sein Vorgänger Jürgen Trittin | |
(Grüne) auf Outsourcing bei der Gesetzgebung. | |
Unter dem CDU-Kanzler Helmut Kohl gab es in den Neunzigerjahren nur einen | |
Fall: Umweltminister Klaus Töpfer ließ sich im Jahr 1991 bei der | |
Ausarbeitung einer Norm helfen. Deutlich ausgeweitet hat dies Rot-Grün: In | |
den sieben Jahren halfen Kanzleien oder Unternehmen bei 25 Gesetzen oder | |
Verordnungen. Knapp die Hälfte der Aufträge kam aus dem Haus von Trittin, | |
das 486.985 Euro zahlte. | |
Auch Merkels Minister setzten in einzelnen Fällen auf externe Hilfe: | |
Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee und Finanzminister Peer Steinbrück von | |
der SPD genauso wie Familienministerin Ursula von der Leyen, Innenminister | |
Wolfgang Schäuble von der CDU und Wirtschaftsminister Michael Glos von der | |
CSU. Nur einer liegt über dem Durchschnitt: Umweltminister Sigmar Gabriel. | |
Der jetzige SPD-Parteichef ließ Berater von außen bei 23 Gesetzen und | |
Verordnungen mitarbeiten. Und niemand sonst gab dafür so viel Geld aus: | |
3.109.322 Euro in vier Jahren. | |
Für Ulrich Müller von Lobby Control "bekommt man ein Problem mit der | |
Ausgewogenheit von Gesetzen, wenn externe Berater daran mitarbeiten". | |
Großkanzleien hätten oft Großunternehmen als Kunden und stünden diesen | |
nahe. Dadurch sei ein Einfluss auf das Gesetz möglich. Allerdings nicht so | |
platt, dass ein Unternehmen dafür bezahlt, dass die Kanzlei konkrete | |
Inhalte in das Gesetz bringt. "Aber solche Kanzleien haben eine bestimmte | |
Sichtweise, sie stehen den Argumenten der Wirtschaft näher, sind nicht mehr | |
neutral." | |
Auch Hans-Ulrich Benra, Vorsitzender des Verbands der Beschäftigten der | |
obersten und oberen Bundesbehörden, sagt: "Beamte sind | |
gemeinwohlorientierte Sachwalter", die unterschiedliche Interessen zum | |
Ausgleich bringen sollen. | |
"Wir sind nicht neutral", sagt Andreas Kraemer, Geschäftsführer von | |
Ecologic. Das Unternehmen war der Hauptprofiteur des Gesetzes-Outsourcings | |
im Umweltministerium: 1,8 Millionen Euro flossen in vier Jahren an Ecologic | |
für deren Mithilfe bei der Gesetzgebung, vor allem beim Thema erneuerbare | |
Energien. "Wir haben eine Mission, und die lautet: Verbesserung der | |
Umweltpolitik", so Kraemer. | |
Hauptkunde von Ecologic ist die Europäische Kommission, gut 10 Prozent des | |
Umsatzes machte das Unternehmen mit dem Umweltministerium. | |
Einige Mitarbeiter sind so nah dran, dass das Haus ihnen gleich einen | |
Schreibtisch im Ministerium zur Verfügung stellt: Durchschnittlich vier bis | |
fünf Angestellte von Ecologic arbeiteten in den letzten Jahren direkt in | |
den Räumen des Umweltministeriums, sagt Kraemer. Seine Mitarbeiter | |
arbeiteten beim Emissionshandelsrecht mit, beim | |
Erneuerbaren-Energien-Gesetz oder bei dem Entwurf für ein Umweltgesetzbuch. | |
Aber warum haben das nicht die Beamten im Ministerium gemacht? "Die waren | |
voll ausgelastet und hatten nicht so viele Stellen, wie sie brauchten", | |
sagt Kraemer. Auch Jürgen Trittin, heute Fraktionsvorsitzer der Grünen, | |
weist darauf hin, dass die Ministerien seit 1990 jährlich 1,5 Prozent ihrer | |
Stellen kürzen mussten. Und das, obwohl "die Probleme und Komplexitäten | |
jährlich nicht um 1,5 Prozent sinken, sondern kontinuierlich steigen". | |
Die Bundesministerien hatten im Jahr 1993 zusammen noch gut 25.000 | |
Mitarbeiter - 15 Jahre später sind es nur noch knapp 21.000. Das | |
Umweltministerium zum Beispiel hatte Anfang der Neunzigerjahre noch 850 | |
Mitarbeiter. Trittin übernahm es 1998 mit 740 Mitarbeitern. Im Jahr 2002 | |
wechselte die Zuständigkeit für erneuerbare Energien vom | |
Wirtschaftsministerium in sein Haus. Die Zahl der Mitarbeiter sank weiter. | |
Trittin sagt, es sei "selbstverständliche Praxis, bei der Rechtssetzung für | |
spezielle Fragen sich auch des juristischen Sachverstands von außen zu | |
bedienen". Dies sei bei Themen geschehen, "wo es gerade darum ging, den | |
Einfluss mächtiger Wirtschaftsgruppen zurückzudrängen". Dies geschah | |
gehäuft, als es um den Emissionshandel ging. Trittin: "Das war ein völlig | |
neues politische Instrument, das in einem durch Europarecht vorgegebenen | |
Zeitrahmen umzusetzen war." | |
Viel Arbeit machte das nach Erinnerung von Ecologic-Geschäftsführer Kraemer | |
auch deshalb, weil es eine "erhebliche technische Dynamik gab". Neue | |
Biogasanlagen, das schnelle Wachstum der Windenergie und technologische | |
Sprünge bei der Solarenergie erforderten Änderungen der Verordnungen. Seine | |
Mitarbeiter hätten dabei auch Formulierungsvorschläge gemacht, "aber die | |
endgültige Entscheidung lag immer beim Ministerium". Doch auch Karl-Theodor | |
zu Guttenberg hatte freilich im Fall des Bankensanierungsgesetzes darauf | |
verwiesen, die Kanzlei Linklaters habe lediglich ausformuliert, was sein | |
Staatssekretär an inhaltlichen Grundzügen vorgegeben hatte. | |
Ulrich Müller von Lobby Control meint, man dürfe keinen Unterschied machen | |
zwischen der Hilfe einer Kanzlei für ein Bankengesetz und der Hilfe eines | |
gemeinnützigen Ökoinstituts für das Umweltrecht. "Man muss da grundsätzlich | |
einen klaren Schnitt machen und sagen: An den Gesetzen arbeiten nur | |
demokratisch legitimierte Institutionen mit." Wenn man das einmal einreißen | |
lasse, dann sei es "hoch problematisch, da eine Grenze zu ziehen". Wenn die | |
Ministerien diese Arbeit nicht mehr selbst leisten könnten, "dann läuft da | |
etwas in der Organisation schief". Er sieht einen sich selbst | |
beschleunigenden Prozess: "Wenn man selbst keine fachkundigen Mitarbeiter | |
hat und deshalb Externe beauftragt, dann baut man die notwendige Kompetenz | |
auch nicht auf und braucht beim nächsten Mal wieder Berater." | |
Das zeigt sich etwa am Beispiel des Umweltministeriums. Was Jürgen Trittin | |
begann, baute Sigmar Gabriel noch viel stärker aus. Und dabei holte er sich | |
auch Politikberater wie Ecofys ins Haus. Die beraten auch Unternehmen | |
darin, wie diese die Umweltgesetze möglichst gut für sich nutzen können. | |
Hans-Ulrich Benra vom Verband der Beschäftigten der Bundesbehörden hat die | |
Entwicklung aufmerksam verfolgt. "Im Umweltministerium sind die Externen im | |
Lauf der Zeit viel zu stark in die interne Organisation integriert worden, | |
was die Unabhängigkeit in Gefahr gebracht hat." Er hat nichts gegen | |
Projektgruppen, in denen Beamte mit Externen zusammenarbeiten. "Aber wenn | |
ich wie hier irgendwann ganze Komplexe an Externe vergebe, dann habe ich | |
überhaupt keine Herrschaft mehr über die Ziele." | |
Benra sagt, mit der Zeit sei eine große Nähe zwischen den Mitarbeitern der | |
Unternehmen und denen im Ministerium entstanden. Die Aufträge seien auch | |
immer wieder an die gleichen Unternehmen vergeben worden. "Das erweckt den | |
Anschein, als ob die Grundsätze des Vergaberechts und der | |
Korruptionsprävention nicht immer eingehalten wurden." | |
Das Bundestagsbüro von Gabriel teilt mit, er werde zu diesem Thema nichts | |
sagen, das Umweltministerium sei da der richtige Ansprechpartner. Dort sagt | |
ein Sprecher: "Zur Vorgängerregierung kann ich keine Stellung nehmen." | |
Und was wird der neue CDU-Umweltminister Norbert Röttgen mit den derzeit | |
fünf Mitarbeitern von Ecologic machen, die derzeit noch bei ihm im Haus | |
sitzen? "Das können wir derzeit nicht absehen." | |
2 Dec 2009 | |
## LINKS | |
[1] http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/141/1614133.pdf | |
## AUTOREN | |
Sebastian Heiser | |
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