Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Lobbykritiker verleihen Preis: Bei Monsanto weint die Meerjungfrau
> Lobbykritiker verleihen den Preis für den schlimmsten Klimasünder, der
> bei den Gipfelverhandlungen mitmischt. Monsanto gewinnt wegen seiner
> Gentechnik-Sünden.
Bild: "Von 25 Nominierungen die Acht schlimmsten herausgesucht".
Helen Burley ist schnell. Innerhalb von Sekunden ruft sie zurück, ein
Interview mit ihr dauert nur Minuten. Die Antworten kommen fast druckreif
aus dem Mund der jungen Engländerin. In ihrer sachlichen schwarzen Kleidung
könnte sie eine der zahllosen Delegierten in den Messehallen des
Kopenhagener UN-Gipfels sein.
Doch Burley steht sozusagen auf der anderen Seite. Burley ist Koordinatorin
bei "Corporate Europe Observatory", einer Brüsseler NGO, die sich mit
“Gefahren für Umwelt und Demokratie" durch politische Lobbygruppen befasst.
Normalerweise organisiert Burley den "Climate Greenwash Award", einen Preis
für Unternehmen, die sich auf besonders dreiste Weise einen grünen Anstrich
geben, tatsächlich aber klimaschädlichen Geschäften nachgehen. Den hat
zuletzt im Mai der schwedische Stromkonzern Vattenfall bekommen.
Ausgezeichnet wurde dessen “Meisterschaft, sich als Klimaretter zu
inszenieren, und gleichzeitig weiter Geschäfte mit Kohlestrom und Biosprit
zu machen,” erklärte die Jury.
Für den Gipfel wollten Burley und ihre Mitstreiter "etwas Internationales
machen, das ist ja auch eine internationale Sache hier", sagt sie. Sie
taten sich mit anderen Organisationen zusammen: Der Süd-NGO "Focus on the
Global South", dem Umweltschutzverband "Friends of the Earth", Attac und
einigen anderen.
"Wir wollen zeigen, wie hier Einfluss auf die Regierungen genommen wird,
damit wirtschaftliche Interessen vor ökologischen Maßnahmen geschützt
werden," sagt Burley. Die Verhandlungen zwischen all diesen Ländern, seien
so schon schwierig genug, ohne die Lobbyisten. Mit ihnen würden sie fast
unmöglich, glaubt Burley.
Sie lobten den "Angry Mermaid Award" aus, den Preis der wütenden
Meerjungfrau von Kopenhagen. ”Von 25 Nominierungen haben wir die Acht
schlimmsten herausgesucht," sagt Burley. Seit Ende November war die
Abstimmung im Internet möglich, zusätzlich wurden tausende Postkarten beim
UN-Gipfel und den Gegenaktionen verteilt. Fast 10.000 Menschen gaben bis
Montag ihre Stimme ab.
Am Dienstagnachmittag wird der Preis in einer Feierstunde auf dem
Gegengipfel, genannt "Klima Forum" verliehen. Ein Film wird eingespielt,
Bilder von Dürren und Flutkatastrophen, dann die Meerjungfrau, die von
bösen grauhaarigen Männern mit Koffern voller Geld zum Weinen gebracht
wird.Mehrere Hundert Zuschauer sind gekommen, als ein dänischer
Schauspieler die Bühne des abgedunkelten Saales betritt. Er lästert etwas
unvermittelt über den dänischen Regisseur Lars von Trier, dann stellt er
die Liste der Nominierten vor.
An erster Stelle steht die "American Coalition for Clean Coal Energy", der
Verband der us-amerikanischen Kohlestromindustrie. "Die könnten allein
schon für ihren Namen den Preis kriegen," sagt der Schauspieler. 165
Millionen Dollar habe der Verband allein im laufenden Jahr für PR und
Einflussnahme auf Washingtoner Politiker ausgegeben.
So geht es weiter: Das "Amerikanische Erdöl-Institut" (API) für eine
Kampagne gegen eine US-Unterschrift unter einem Klimaschutz-Abkommen. Der
"Rat der europäischen Chemie-Industrie" (CEFIC) für dessen Einsatz für
Emissionszertifikate.
Die "Internationale Flugtransport-Gesellschaft" (IATA) dafür, dass sie
gegen Klimaschutzgesetze aktiv ist und "irreführende und nichtssagende
Zusicherungen zur Reduktion von Emissionen" gegeben habe.
Die "Internationale Emissionshandel-Assoziation" (IETA), weil sie einen
globalen Markt für Treibhausgas-Emissionen für Regierungen beworben hat,
obwohl dieses keine Reduktion der Emissionen garantiere.
Der US-Chemieriese Monsanto, weil er dafür gesorgt hat, das genmanipulierte
Sojapflanzen als klimafreundlich eingestuft werden dadurch CO2-Zertifikate
und Subventionen für „saubere Entwicklungsmechanismen" verdient.
Schließlich Shell für seine extrem energieintensive Ausbeutung von
Ölsandvorkommen und der südafrikanische Ölkonzern Sasol. Der habe "sein
schmutziges Geschäft", Benzin aus Kohle und Gas zu gewinnen damit
grüngewaschen, dass er irreführende Annahmen verbreitet hat über die
Möglichkeit, das dabei entstehende CO2 in der Erde zu speichern.
"All diese Organisationen verpesten nicht nur die Umwelt, sondern mit ihrer
Propaganda auch die Köpfe der Menschen," sagt Nnimmo Bassey von der
nigerianischen Sektion von "Friends of the Earth". Die "Carbon Cowboys"
seien auch in diesen Tagen im Bella Center aktiv. "Sie werden alles dafür
tun, den Prozess zu verzögern und ihn wenn möglich zu verhindern. Sie
flüstern den Politikern ihre Lügen ins Ohr und die plappern die nach, wenn
sie dran sind."
Der Moderator widerspricht. "Die Politiker kaufen ihnen diesen Scheiß nicht
ab", sagt er. "Sie werden dafür bezahlt, ihn zu essen." Das finden die
Leute im Publikum lustig. Dann kommt der Stargast, die kanadische
Globalisierungskritikerin Naomi Klein. Sie darf den Sieger verkünden.
"Es ist schön bei euch zu sein," sagt Klein. Sie komme gerade vom
UN-Gipfel. "Die trauen sich da nicht, die Dinge beim Namen. Aber hier tun
wir das. Hier nennen wir die Namen." Man müsse "die Geldströme verfolgen
und über die Macht sprechen," wenn man im Kampf gegen die Konzerne und für
die Umwelt Erfolg haben wolle.
Von der herrschenden Politik sei da nichts zu erwarten. Der ökologischen
Tonfall, den Präsident Obama etwa anschlage, werde gar nichts ändern. "Der
amerikanische Senat wird einem ernsthaften Klimaschutzabkommen niemals
zustimmen, denn er wird bezahlt von all den Unternehmen, von denen ihr
gerade gehört habt," ruft Klein.
Dann gewinnt der amerikanische Chemiekonzern Monsanto. "Eine durchaus
vertretbare Entscheidung," sagt Helen Burley hinterher. Dann muss sie
schnell gehen. Am nächsten Morgen will sie eine "Lobby Tour" für
Journalisten anbieten. Dann werden sie die Grünwascher an ihren Ständen in
der Vorhalle des UN-Gipfels besuchen.
16 Dec 2009
## AUTOREN
Christian Jakob
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.