# taz.de -- Energieversorgung der Bundesministerien: Klimakillerin Merkel | |
> Angela Merkel behauptet, "mit Leidenschaft Klimaschutzpolitik" zu machen | |
> – dabei setzen ihre Häuser auf Billigstrom. Erst, nachdem die taz klagte, | |
> gab man diese Information heraus. | |
Bild: Ihre Schreibtischlampe leuchtet mit Strom der RWE-Tochter Envia: Kanzleri… | |
BERLIN taz | In der Öffentlichkeit stellt sich Kanzlerin Angela Merkel | |
(CDU) gerne als Umweltschützerin dar. Erst letzten Sonntag sagte sie in | |
einem Interview: "Ich mache mit Leidenschaft für den Klimaschutz Politik." | |
In 40 Jahren würden "neun Milliarden Menschen auf der Erde leben", das | |
werde "nicht ohne einen schonenden Umgang mit der Umwelt gehen". Bei | |
anderer Gelegenheit hatte sie klargemacht, dass es bei der Weltrettung auch | |
auf den Beitrag jedes Einzelnen ankomme: Umweltschutzverbände hatten 2007 | |
aufgerufen, einmal um 20 Uhr für 5 Minuten das Licht auszuschalten. Merkel | |
schrieb in einem Gastbeitrag für Bild, dies sei "ein starkes Signal: Dass | |
es nämlich auch in unserer Hand liegt, in der Hand jedes Einzelnen, zum | |
Klimaschutz beizutragen." | |
Tatsächlich bezieht Merkel nach taz-Recherchen für das Kanzleramt Strom, | |
der besonders klimaschädlich ist: Die Produktion verursacht 674 Gramm CO2 | |
pro Kilowattstunde - der Bundesdurchschnitt liegt bei 541 Gramm. Der Grund: | |
Das Kanzleramt hat beim Stromeinkauf nicht auf die Umweltfolgen geachtet, | |
sondern einfach den billigsten Strom gekauft. Daher leuchtet die | |
Schreibtischlampe von Merkel jetzt mit Strom der RWE-Tochter Envia - den | |
beziehen auch die meisten anderen Ministerien. Dabei stammt dieser Strom zu | |
70 Prozent aus fossilen und sonstigen Energieträgern wie Braunkohle und | |
Erdgas - der Bundesdurchschnitt liegt bei gut 60 Prozent. Diese | |
Informationen über den Kanzlerstrom waren bisher noch nicht bekannt. Wenn | |
es nach dem Bund gegangen wäre, wären sie auch weiter unter Verschluss | |
geblieben. Die taz erhielt die Informationen erst nach einer Auskunftsklage | |
vor dem Verwaltungsgericht (siehe Kasten). | |
Zwischen April und Mai 2008 hatte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben | |
bei den Ministerien und anderen Bundeseinrichtungen, für die sie zentral | |
den Strom einkauft, nach den Stromwünschen gefragt. Die Wahl: Entweder | |
kauft die Bundesanstalt den billigsten Ökostrom ein - oder den billigsten | |
Strom auf dem gesamten Markt, egal welcher Herkunft. Dabei hatte jedes | |
Ministerium die Wahl. Das Verkehrsministerium entschied sich für reinen | |
Ökostrom. | |
Im Februar 2009 veröffentlichte die Bundesanstalt dann eine europaweite | |
Ausschreibung. Darin suchte sie einen Lieferanten für 3 Millionen | |
Kilowattstunden pro Jahr aus erneuerbaren Energien für das | |
Verkehrsministerium. Und für 175 Millionen Kilowattstunden ohne | |
irgendwelche Umweltvorgaben. Dieser Strom war für das Kanzleramt, für die | |
Ministerien für Justiz, Bildung, Ernährung, Wirtschaft, Arbeit und für das | |
Auswärtige Amt gedacht. Auch einige Landesvertretungen, die | |
Stasi-Beauftragte, die Bundespolizei und weitere Behörden kauften mit der | |
Ausschreibung Billig-Strom ein. | |
Im Mai vergab die Bundesanstalt den Zuschlag. Das billigste Angebot kam von | |
Envia, die Kilowattstunde kostet dort im Schnitt 7,31 Cent netto. Das | |
billigste Ökostrom-Angebot stammte von Lichtblick. Die wollten 8,33 Cent, | |
also 14 Prozent mehr. Dafür kommt der Strom zu 100 Prozent aus Wasserkraft. | |
Das Kanzleramt habe sich "aus wirtschaftlichen Gründen für den Bezug von | |
Normalstrom entschieden", erklärte ein Regierungssprecher auf taz-Anfrage. | |
4.715 Tonnen CO2 pro Jahr gehen so auf das Konto von Merkel. Der Ökostrom | |
wäre dafür 71.631 Euro pro Jahr teurer. | |
Auch im Auswärtigen Amt fiel die Entscheidung "aus Gründen der | |
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit", so Sprecher Markus Hatzelmann. | |
Dennoch, sagt er, genieße Klimaschutz im Auswärtigen Amt "einen hohen | |
Stellenwert". So betreibe das Ministerium eine Solaranlage und eine | |
CO2-neutrale Pellet-Heizungsanlage. Ob auch der neue Außenminister Guido | |
Westerwelle (FDP) sich wie sein Amtsvorgänger Frank-Walter Steinmeier (SPD) | |
für Billigstrom entscheiden würde? Hatzelmann: "Die Entscheidung über | |
zukünftige Versorger ist noch nicht getroffen worden." | |
Das Arbeitsministerium verbraucht allein an seinem Berliner Dienstsitz 1,67 | |
Millionen Kilowattstunden pro Jahr - und zwar klimafeindlichen Billigstrom. | |
Dennoch meint Pressesprecher Christian Westhoff, sein Ministerium "räumt | |
dem Klimaschutz einen sehr hohen Stellenwert ein". So habe das Ministerium | |
in Berlin eine Photovoltaikanlage, in Bonn wird gerade eine installiert. | |
Solarzellen gelten allerdings als besonders teure Form, um CO2 einzusparen. | |
Mit dem kompletten Umstieg auf Wasserkraft könnte das Ministerium mit einem | |
Einsatz von 18.000 Euro jährlich knapp 1.200 Tonnen CO2 vermeiden. Warum | |
also kein Ökostrom? Westhoff: "Das Bundesministerium für Arbeit schließt | |
sich bei der Beschaffung von Strom dem Mehrheitsvotum der Bundesministerien | |
an." Daran wird sich auch unter der neuen Arbeitsministerin Ursula von der | |
Leyen (CDU) nichts ändern. Das Ministerium "befürwortet" es zwar, künftig | |
Ökostrom zu kaufen - "allerdings bedarf es dazu einheitlicher Verfahren | |
aller Ressorts", so Westhoff. | |
Auch im Justizministerium hat Klimaschutz "einen hohen Stellenwert", sagt | |
Sprecher Thorsten Bauer. Auch sein Ministerium betreibt eine | |
Photovoltaikanlage. Der Rest ist Billigstrom: 2,5 Millionen Kilowattstunden | |
pro Jahr - macht 1.670 Tonnen CO2. Das habe seinen Grund "in | |
haushaltsrechtlichen Vorgaben", so Bauer: "Öffentliche Auftraggeber sind | |
gehalten, die jeweils wirtschaftlichste Beschaffungsvariante zu wählen". | |
Verstößt das Verkehrsministerium also gegen das Haushaltsrecht, wenn es | |
Ökostrom einkauft? Sprecherin Julie Heinl weist das zurück. Zwar seien "die | |
Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit laut Paragraf 7 der | |
Bundeshaushaltsordnung zu beachten". Genau so sei es hier auch: "Der | |
Auftraggeber entscheidet über den Auftragsgegenstand - hier Ökostrom -, der | |
Zuschlag erfolgt auf das wirtschaftlichste Angebot". Die Ministerien | |
durften also frei entscheiden, was für eine Art von Strom sie einkaufen | |
wollten. Und auch bei dem Kauf von Ökostrom gab es eine europaweite | |
Ausschreibung, bei der das günstigste Angebot zum Zuge kam. Auf diesem Wege | |
kauft etwa auch das Umweltministerium gezielt reinen Ökostrom. Genau wie | |
der Bundestag. | |
Das Verkehrsministerium weist ausdrücklich darauf hin, die Bundesregierung | |
habe "in den vergangenen Jahren immer wieder auf die Vorbildwirkung der | |
öffentlichen Hand bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Energieeinsparung, | |
zum Klimaschutz und zum forcierten Einsatz erneuerbarer Energien | |
hingewiesen". Das Verkehrsministerium sehe sich in der Pflicht, dies | |
umzusetzen: "Öffentliche Einrichtungen können mit einem Bezug von Ökostrom | |
ihre Treibhausgasemissionen erheblich mindern und ein weithin sichtbares | |
Zeichen setzen." | |
Doch es bleibt dabei, dass der Ökostrom in dieser Ausschreibung 14 Prozent | |
teurer war - das ist ein spürbarer Unterschied. Doch das müsste nicht sein, | |
meint Marco Dilling von Lichtblick. Er weist darauf hin, dass nur 3 | |
Millionen Kilowattstunden reiner Ökostrom eingekauft wurden, aber 175 | |
Millionen Kilowattstunden Billigstrom. "Man kann das mengenmäßig gar nicht | |
vergleichen", sagt er. "Wir könnten ganz anders kalkulieren, wenn es um | |
größere Mengen geht." Dann könne man Ökostrom "zu vergleichbaren | |
Konditionen anbieten." | |
Hessen etwa stellt gerade die komplette Landesverwaltung um - und kauft in | |
diesem Jahr gleich Ökostrom für 20,3 Millionen Euro ein. Finanzminister | |
Karlheinz Weimar (CDU): "Der Aufpreis beträgt 210.000 Euro, was einem Plus | |
von rund einem Prozent entspricht." | |
16 Dec 2009 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Heiser | |
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