# taz.de -- Wolfsjagd in Schweden: Keine Chance für den Wolf | |
> Wildwest in schwedischen Wäldern. Am Wochenende durften 12.000 Jäger 27 | |
> Wölfe jagen. Naturschützer beklagen makabere Hetzjagd und "inakzeptable | |
> Dummheit ohne gesetzliche Grundlage". | |
Bild: Der Wolf (Canis lupus) durfte in Schweden erstmals seit 40 Jahren wieder … | |
STOCKHOLM taz | Auch Temperaturen von teilweise unter minus 20 Grad konnten | |
am Wochenende eine regelrechte Invasion in die schwedischen Wälder nicht | |
stoppen. Zum ersten Mal seit den sechziger Jahren durften wieder Wölfe | |
gejagt werden. Und das Interesse war riesengroß: Rund 12.000 JägerInnen | |
hatten sich für die von der Regierung lizenzierte Jagd angemeldet. Genau 27 | |
Wölfe waren zu jagen. "Nach vier Stunden schon neun Wölfe gefällt", meldete | |
am Samstagmorgen triumphierend das Jagdjournal in seiner Onlineausgabe. | |
Eine Schneedecke im ganzen Land, die es den Jägern einfach machte, den | |
Spuren zu folgen, ließ Gevatter Wolf keine Chance. Am Samstagnachmittag | |
wurden offiziell 22 tote und sieben angeschossene Tiere gemeldet. Und damit | |
wurde die eigentlich bis zum 15. Februar angesetzte Jagd mit einigen | |
regionalen Ausnahmen bereits am Abend für beendet erklärt. | |
Seit 1966 war der Wolf (Canis lupus) in Schweden gesetzlich geschützt. | |
Damals war er so gut wie ausgerottet, nachdem er noch in den 30er Jahren | |
fast im ganzen Land heimisch gewesen war. Bis zu Beginn der achtziger Jahre | |
dauerte es dann, bis sich in der Provinz Värmland wieder ein Wolfspaar | |
etabliert hatte. Von diesem stammt im Prinzip der nunmehrige schwedische | |
Wolfsbestand ab – aufgefrischt nur durch einige Einzelgänger, die aus | |
Finnland nach Nordschweden kamen. Vor der jetzigen Jagd wurde die Zahl der | |
Wölfe, die vor allem im mittelschwedisch-norwegischen Grenzgebiet mit | |
seinen dichten Wäldern leben, auf rund 250 Tiere geschätzt. Tendenz | |
stagnierend. 20 bis 30 Tiere fallen jährlich dem Autoverkehr zum Opfer. | |
Oder sie "verschwinden", die meisten durch illegale Jagd. | |
Wo sich die Wölfe wieder angesiedelt haben, gelten sie nämlich nicht als | |
willkommenes Zeichen für eine Erholung der Artenvielfalt, sondern als | |
Bedrohung für Schafe, Jagdhunde oder andere Haustiere. Viele Eltern haben | |
Angst um die Sicherheit ihrer Kinder – auch wenn in den letzten 200 Jahren | |
in Schweden niemand durch einen wilden Wolf zu Schaden gekommen ist. | |
Jäger allerdings sehen sie als Konkurrenten um gemeinsame Jagdbeute wie | |
Rehe und Elche. Oder wie sich Kenneth Holmström, värmländischer | |
Schafsfarmer und Waldbesitzer am Samstag in einer Reportage der Stockholmer | |
Dagens Nyheter beschwerte: "Der Wolf darf das ganze Jahr Elche jagen, wir | |
nur jeden Herbst ein paar Wochen lang." | |
In den vergangenen Jahren war nur aufgrund ausdrücklicher Genehmigung durch | |
die Naturschutzbehörde ausnahmsweise die Jagd auf Einzelexemplare erlaubt, | |
die beispielsweise eine große Anzahl von Schafen oder Rentieren gerissen | |
oder die sich gegenüber menschlichen Ansiedlungen als gar zu wenig scheu | |
gezeigt hatten. | |
Mit ihrem Einknicken vor der Jagdlobby erfüllt die Regierung ein vor drei | |
Jahren gegebenes Wahlversprechen und begründet das mit dem zweifelhaften | |
Argument, ein Bestand von 250 Wölfen sei zu hoch. 210 Tiere seien dagegen | |
gerade noch erträglich, um ernsthafte Konflikte zwischen Mensch und Wolf zu | |
vermeiden. | |
Die Svenska Rovdjursföreningen, eine Organisation, die dafür kämpft, dass | |
auch Wölfe, Bären und andere Wildtiere Platz in Schweden bekommen, erklärte | |
die Freigabe zum Abschuss zu einer "inakzeptablen politischen Dummheit ohne | |
gesetzliche Grundlage". Der schwedische Naturschutzverband sprach von | |
"Wildwestzuständen". Viele Biologen beklagen den Beschluss als | |
unwissenschaftlich, sie halten den kleinen schwedischen Bestand aufgrund | |
der Inzucht sowieso für gefährdet. Sie befürworten deshalb zur Auffrischung | |
ein gezieltes Einsetzen von Wölfen aus dem Baltikum oder Polen und halten | |
eine mögliche vorsichtige Bejagung allenfalls bei einem Bestand von mehr | |
als 500 Tieren für gerechtfertigt. | |
Der Hetzjagd am Wochende seien "aus Versehen" vermutlich wesentlich mehr | |
als die erlaubten 27 Tiere zum Opfer gefallen, befürchtet die | |
Rovdjursföreningen- Initiative. Sie verstoße insgesamt gegen die | |
Habitat-Direktive zum Schutz bedrohter Tiere. Zusammen mit anderen | |
Naturschutzorganisationen wie dem WWF will man sich nun an die | |
EU-Kommission wenden und hofft, dass diese Schweden vor dem Europäischen | |
Gerichtshof verklagt. | |
3 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
## TAGS | |
Jäger | |
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